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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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den Faden wieder an, welcher zerriß als der vierjährige Bürgerkrieg aus¬
brach; und wir Deutsche endlich lassen uns durch den ersten Mißerfolg nicht
im mindesten entmuthigen, sondern lernen von demselben nur, wie wir es
das zweite Mal zweckmäßiger und glückbezwingender anzufangen haben.

Die französische Nordpolfahrt war schon im Werden, als die nun voll-
endete erste deutsche noch nicht einmal im Kopfe ihres Urhebers geboren war.
Sie reifte mit einer für Frankreich auffälligen Langsamkeit; ihr Urheber
Gustav Lambert setzt eine wahrhaft ungewöhnliche Beharrlichkeit an die
schwere Aufgabe, seine Landsleute für diese Art von Muth- und Tapferketts-
Probe hinlänglich zu erwärmen. Er hat mehr als hundert Vorträge in einer
großen Zahl von Städten halten müssen, um die Nationalsubscripton, der
doch der Kaiser mit S0.000 Franken vorausgegangen war, auf die erforder¬
liche Höhe von einer halben Million zu treiben. Im nächsten Januar will
Lambert nun abgehen, um bis zum Juli bereit zu sein, von der Behringsstraße
her auf das Ziel loszusteuern. Denn das ist die Eigenthümlichkeit der von
ihm gefaßten Idee: er nimmt an, von jener entlegenen Stelle aus, wo Asten
und Amerika einander ansehen und der stille Ocean seine Wogen mit denen des
nördlichen Polarmeers mischt, sei der Pol am sichersten und ersten zu erreichen.
Abgesehen von allgemeinen Betrachtungen, welche für die Erreichbarkeit des
Nordpols überhaupt sprechen, stützt Lambert sich hauptsächlich auf die Wahr¬
nehmungen russischer Mareile-Officiere, namentlich der ehemaligen Lieutenants,
späteren Admiräle Wrangel und Anjou, welche in den Jahren 1821 und 23
nordwärts von Sibirien gesegelt waren. Neuerdings kommen ihm freilich
die Aussagen zweier amerikanischer Walfischfahrer einigermaßen in die Quere,
welche im Sommer 1867 jenseits der Behringsstraße kreuzend zwar wenig
Walfische, aber ein grün bewachsenes Land gefunden haben wollen.

Amerikas Theilnahme an der Erforschung der unbekannten nördlichen
Polargegenden besteht bis jetzt hauptsächlich in den Fahrten von Kane
(1853--S4) und Hayes (1860--61). Der verstorbene or. Kane überwinterte
im Rensselaer-Hafen am Smith-Sund nördlich der Bassins-Bai, war aber
selbst zu schwach, um von dort aus noch weiter nordwärts zu dringen, und
sandte daher seinen Stewart Morton aus, der zuletzt an ein weit hinaus un¬
begrenztes, offenes und leidlich eisfreies Meer gerieth. Wurden gegen Mor-
ton's, als eines ungelehrten Mannes Bericht, noch starke Zweifel erhoben, so
schlug diese Dr. Hayes sieben Jahre später vollkommen nieder. Er hatte schon
Kane's Reise als Arzt mitgemacht; mit einem eigenen durch Sammlungen
bestrittenen Fahrzeug kehrte' er 1860 in den Smith-Sund zurück, überwin¬
terte in Port Foulke, etwas südlicher als Kane, drang aber dafür im folgen-
den Frühling theils auf Schlitten, theils zu Fuße gegen zwanzig Meilen
weiter nach Norden an der westlichen Küste des Sundes, dem sogenannten


Grenjbvlen IV. tods. 40

den Faden wieder an, welcher zerriß als der vierjährige Bürgerkrieg aus¬
brach; und wir Deutsche endlich lassen uns durch den ersten Mißerfolg nicht
im mindesten entmuthigen, sondern lernen von demselben nur, wie wir es
das zweite Mal zweckmäßiger und glückbezwingender anzufangen haben.

Die französische Nordpolfahrt war schon im Werden, als die nun voll-
endete erste deutsche noch nicht einmal im Kopfe ihres Urhebers geboren war.
Sie reifte mit einer für Frankreich auffälligen Langsamkeit; ihr Urheber
Gustav Lambert setzt eine wahrhaft ungewöhnliche Beharrlichkeit an die
schwere Aufgabe, seine Landsleute für diese Art von Muth- und Tapferketts-
Probe hinlänglich zu erwärmen. Er hat mehr als hundert Vorträge in einer
großen Zahl von Städten halten müssen, um die Nationalsubscripton, der
doch der Kaiser mit S0.000 Franken vorausgegangen war, auf die erforder¬
liche Höhe von einer halben Million zu treiben. Im nächsten Januar will
Lambert nun abgehen, um bis zum Juli bereit zu sein, von der Behringsstraße
her auf das Ziel loszusteuern. Denn das ist die Eigenthümlichkeit der von
ihm gefaßten Idee: er nimmt an, von jener entlegenen Stelle aus, wo Asten
und Amerika einander ansehen und der stille Ocean seine Wogen mit denen des
nördlichen Polarmeers mischt, sei der Pol am sichersten und ersten zu erreichen.
Abgesehen von allgemeinen Betrachtungen, welche für die Erreichbarkeit des
Nordpols überhaupt sprechen, stützt Lambert sich hauptsächlich auf die Wahr¬
nehmungen russischer Mareile-Officiere, namentlich der ehemaligen Lieutenants,
späteren Admiräle Wrangel und Anjou, welche in den Jahren 1821 und 23
nordwärts von Sibirien gesegelt waren. Neuerdings kommen ihm freilich
die Aussagen zweier amerikanischer Walfischfahrer einigermaßen in die Quere,
welche im Sommer 1867 jenseits der Behringsstraße kreuzend zwar wenig
Walfische, aber ein grün bewachsenes Land gefunden haben wollen.

Amerikas Theilnahme an der Erforschung der unbekannten nördlichen
Polargegenden besteht bis jetzt hauptsächlich in den Fahrten von Kane
(1853—S4) und Hayes (1860—61). Der verstorbene or. Kane überwinterte
im Rensselaer-Hafen am Smith-Sund nördlich der Bassins-Bai, war aber
selbst zu schwach, um von dort aus noch weiter nordwärts zu dringen, und
sandte daher seinen Stewart Morton aus, der zuletzt an ein weit hinaus un¬
begrenztes, offenes und leidlich eisfreies Meer gerieth. Wurden gegen Mor-
ton's, als eines ungelehrten Mannes Bericht, noch starke Zweifel erhoben, so
schlug diese Dr. Hayes sieben Jahre später vollkommen nieder. Er hatte schon
Kane's Reise als Arzt mitgemacht; mit einem eigenen durch Sammlungen
bestrittenen Fahrzeug kehrte' er 1860 in den Smith-Sund zurück, überwin¬
terte in Port Foulke, etwas südlicher als Kane, drang aber dafür im folgen-
den Frühling theils auf Schlitten, theils zu Fuße gegen zwanzig Meilen
weiter nach Norden an der westlichen Küste des Sundes, dem sogenannten


Grenjbvlen IV. tods. 40
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[0337] den Faden wieder an, welcher zerriß als der vierjährige Bürgerkrieg aus¬ brach; und wir Deutsche endlich lassen uns durch den ersten Mißerfolg nicht im mindesten entmuthigen, sondern lernen von demselben nur, wie wir es das zweite Mal zweckmäßiger und glückbezwingender anzufangen haben. Die französische Nordpolfahrt war schon im Werden, als die nun voll- endete erste deutsche noch nicht einmal im Kopfe ihres Urhebers geboren war. Sie reifte mit einer für Frankreich auffälligen Langsamkeit; ihr Urheber Gustav Lambert setzt eine wahrhaft ungewöhnliche Beharrlichkeit an die schwere Aufgabe, seine Landsleute für diese Art von Muth- und Tapferketts- Probe hinlänglich zu erwärmen. Er hat mehr als hundert Vorträge in einer großen Zahl von Städten halten müssen, um die Nationalsubscripton, der doch der Kaiser mit S0.000 Franken vorausgegangen war, auf die erforder¬ liche Höhe von einer halben Million zu treiben. Im nächsten Januar will Lambert nun abgehen, um bis zum Juli bereit zu sein, von der Behringsstraße her auf das Ziel loszusteuern. Denn das ist die Eigenthümlichkeit der von ihm gefaßten Idee: er nimmt an, von jener entlegenen Stelle aus, wo Asten und Amerika einander ansehen und der stille Ocean seine Wogen mit denen des nördlichen Polarmeers mischt, sei der Pol am sichersten und ersten zu erreichen. Abgesehen von allgemeinen Betrachtungen, welche für die Erreichbarkeit des Nordpols überhaupt sprechen, stützt Lambert sich hauptsächlich auf die Wahr¬ nehmungen russischer Mareile-Officiere, namentlich der ehemaligen Lieutenants, späteren Admiräle Wrangel und Anjou, welche in den Jahren 1821 und 23 nordwärts von Sibirien gesegelt waren. Neuerdings kommen ihm freilich die Aussagen zweier amerikanischer Walfischfahrer einigermaßen in die Quere, welche im Sommer 1867 jenseits der Behringsstraße kreuzend zwar wenig Walfische, aber ein grün bewachsenes Land gefunden haben wollen. Amerikas Theilnahme an der Erforschung der unbekannten nördlichen Polargegenden besteht bis jetzt hauptsächlich in den Fahrten von Kane (1853—S4) und Hayes (1860—61). Der verstorbene or. Kane überwinterte im Rensselaer-Hafen am Smith-Sund nördlich der Bassins-Bai, war aber selbst zu schwach, um von dort aus noch weiter nordwärts zu dringen, und sandte daher seinen Stewart Morton aus, der zuletzt an ein weit hinaus un¬ begrenztes, offenes und leidlich eisfreies Meer gerieth. Wurden gegen Mor- ton's, als eines ungelehrten Mannes Bericht, noch starke Zweifel erhoben, so schlug diese Dr. Hayes sieben Jahre später vollkommen nieder. Er hatte schon Kane's Reise als Arzt mitgemacht; mit einem eigenen durch Sammlungen bestrittenen Fahrzeug kehrte' er 1860 in den Smith-Sund zurück, überwin¬ terte in Port Foulke, etwas südlicher als Kane, drang aber dafür im folgen- den Frühling theils auf Schlitten, theils zu Fuße gegen zwanzig Meilen weiter nach Norden an der westlichen Küste des Sundes, dem sogenannten Grenjbvlen IV. tods. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/337>, abgerufen am 05.02.2025.