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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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der ordentlichen Steuer ausschreiben und im Fall auch dies zur Deckung
sämmtlicher Kosten nicht genügt, dann hilft die Staatskasse aus; eine Schul¬
commission, von der Gemeinde constituirt, wählt die Lehrer, wacht über die
Pünktliche Erfüllung der Schulgesetze, handhabt das Schulvermögen u. s. w.;
die gesammten Volksschulangelegenheiten eines Comitats verwaltet ein vom
Unterrichtsminister ernannter Comitatsschulinspector und ein unter dessen
Präsidium stehender Schulrath, dessen Mitglieder von den verschiedenen Con-
fessionen, den Lehrern der Gemeinde- wie der konfessionellen Schulen im
Comitat und aus der Mitte der Comitatsrepräsentanz selbst gewählt werden;
vermöge des Oberaufsichtsrechts des Staats ist es Amt und Recht der Re¬
gierung, auch die confessionellen Schulen überwachen zu lassen, zu sehen, ob
die Lehrer befähigt und die vorgeschriebenen Gegenstände vortragen, ob die
Schulräumlichkeiten, die Lehrhilfsmittel die geeigneten u. s. w., und falls
selbst nach der von Seite der Negierungsorgane ergangenen Warnung
etwaige Mängel nicht abgestellt worden, so kann die Regierung auf Empfeh¬
lung des Comitatsschulraths die Schule schließen lassen. Der Gemeinde
oder Confession läßt demnach der Entwurf ihre volle Autonomie der
Schule gegenüber, den staatlichen Einfluß beschränkt er auf pure Äußer¬
lichkeiten und auf die Forderung allein, daß die Lehr- und Lernfreiheit
nicht zur Freiheit Nichts zu lehren und Nichts zu lernen ausarte; woher also
die große Angst der Gegner, was läßt Herrn v. Tisza und seinen Anhang
so sehr für den Bestand und die Autonomie der confessionellen Schulen fürch¬
ten? Wissen die Protestanten erst, heißt es, daß wenn ihre confessionelle
Schule den Anforderungen nicht entspricht, eine Gemeindeschule errichtet wird,
so werden sie wenig Neigung zeigen, ihrer Sonderschule weitere Opfer zu
bringen; werden sie vollends gezwungen, die Steuer zu Gunsten der nicht-
confessionellen Gemeindeschule mitzutragen, dann wird jene Neigung auf ein
Minimum herabsinken. Wie eigenthümlich doch, daß der Herr Curator ein
solch geringes Vertrauen in den confessionellen Eifer seiner Glaubensgenossen
besitzt und es nicht scheut, ihnen ein solch religiöses Armuthszeugniß auszu¬
stellen! Und was aus dem Munde des Führers der Linken nicht minder
auffällig klingt, daß er die Protestanten von der Pflicht zur Gemeindeschule
beizutragen befreien möchte: als läge der Volksunterricht im Belieben der
einzelnen Confessionen und als gehörte er nicht vielmehr zu den allerersten
Aufgaben des Staats, der Gesammtheit seiner Bürger. Hat Herr v. Tisza
denn nie einen Blick in die Statistik der Verbrechen und Gefängnisse gethan,
um zu erfahren, daß ihre Ziffer in umgekehrtem Verhältniß zu jener der
Volksschulen steht und daß es daher dem Staate des 19. Jahrhunderts obliegt,
Mr Verminderung jener für die Vermehrung dieser Sorge zu tragen? Haben
wir ferner Herrn v. Tisza erst daran zu erinnern, daß das Wahlrecht ein


der ordentlichen Steuer ausschreiben und im Fall auch dies zur Deckung
sämmtlicher Kosten nicht genügt, dann hilft die Staatskasse aus; eine Schul¬
commission, von der Gemeinde constituirt, wählt die Lehrer, wacht über die
Pünktliche Erfüllung der Schulgesetze, handhabt das Schulvermögen u. s. w.;
die gesammten Volksschulangelegenheiten eines Comitats verwaltet ein vom
Unterrichtsminister ernannter Comitatsschulinspector und ein unter dessen
Präsidium stehender Schulrath, dessen Mitglieder von den verschiedenen Con-
fessionen, den Lehrern der Gemeinde- wie der konfessionellen Schulen im
Comitat und aus der Mitte der Comitatsrepräsentanz selbst gewählt werden;
vermöge des Oberaufsichtsrechts des Staats ist es Amt und Recht der Re¬
gierung, auch die confessionellen Schulen überwachen zu lassen, zu sehen, ob
die Lehrer befähigt und die vorgeschriebenen Gegenstände vortragen, ob die
Schulräumlichkeiten, die Lehrhilfsmittel die geeigneten u. s. w., und falls
selbst nach der von Seite der Negierungsorgane ergangenen Warnung
etwaige Mängel nicht abgestellt worden, so kann die Regierung auf Empfeh¬
lung des Comitatsschulraths die Schule schließen lassen. Der Gemeinde
oder Confession läßt demnach der Entwurf ihre volle Autonomie der
Schule gegenüber, den staatlichen Einfluß beschränkt er auf pure Äußer¬
lichkeiten und auf die Forderung allein, daß die Lehr- und Lernfreiheit
nicht zur Freiheit Nichts zu lehren und Nichts zu lernen ausarte; woher also
die große Angst der Gegner, was läßt Herrn v. Tisza und seinen Anhang
so sehr für den Bestand und die Autonomie der confessionellen Schulen fürch¬
ten? Wissen die Protestanten erst, heißt es, daß wenn ihre confessionelle
Schule den Anforderungen nicht entspricht, eine Gemeindeschule errichtet wird,
so werden sie wenig Neigung zeigen, ihrer Sonderschule weitere Opfer zu
bringen; werden sie vollends gezwungen, die Steuer zu Gunsten der nicht-
confessionellen Gemeindeschule mitzutragen, dann wird jene Neigung auf ein
Minimum herabsinken. Wie eigenthümlich doch, daß der Herr Curator ein
solch geringes Vertrauen in den confessionellen Eifer seiner Glaubensgenossen
besitzt und es nicht scheut, ihnen ein solch religiöses Armuthszeugniß auszu¬
stellen! Und was aus dem Munde des Führers der Linken nicht minder
auffällig klingt, daß er die Protestanten von der Pflicht zur Gemeindeschule
beizutragen befreien möchte: als läge der Volksunterricht im Belieben der
einzelnen Confessionen und als gehörte er nicht vielmehr zu den allerersten
Aufgaben des Staats, der Gesammtheit seiner Bürger. Hat Herr v. Tisza
denn nie einen Blick in die Statistik der Verbrechen und Gefängnisse gethan,
um zu erfahren, daß ihre Ziffer in umgekehrtem Verhältniß zu jener der
Volksschulen steht und daß es daher dem Staate des 19. Jahrhunderts obliegt,
Mr Verminderung jener für die Vermehrung dieser Sorge zu tragen? Haben
wir ferner Herrn v. Tisza erst daran zu erinnern, daß das Wahlrecht ein


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[0293] der ordentlichen Steuer ausschreiben und im Fall auch dies zur Deckung sämmtlicher Kosten nicht genügt, dann hilft die Staatskasse aus; eine Schul¬ commission, von der Gemeinde constituirt, wählt die Lehrer, wacht über die Pünktliche Erfüllung der Schulgesetze, handhabt das Schulvermögen u. s. w.; die gesammten Volksschulangelegenheiten eines Comitats verwaltet ein vom Unterrichtsminister ernannter Comitatsschulinspector und ein unter dessen Präsidium stehender Schulrath, dessen Mitglieder von den verschiedenen Con- fessionen, den Lehrern der Gemeinde- wie der konfessionellen Schulen im Comitat und aus der Mitte der Comitatsrepräsentanz selbst gewählt werden; vermöge des Oberaufsichtsrechts des Staats ist es Amt und Recht der Re¬ gierung, auch die confessionellen Schulen überwachen zu lassen, zu sehen, ob die Lehrer befähigt und die vorgeschriebenen Gegenstände vortragen, ob die Schulräumlichkeiten, die Lehrhilfsmittel die geeigneten u. s. w., und falls selbst nach der von Seite der Negierungsorgane ergangenen Warnung etwaige Mängel nicht abgestellt worden, so kann die Regierung auf Empfeh¬ lung des Comitatsschulraths die Schule schließen lassen. Der Gemeinde oder Confession läßt demnach der Entwurf ihre volle Autonomie der Schule gegenüber, den staatlichen Einfluß beschränkt er auf pure Äußer¬ lichkeiten und auf die Forderung allein, daß die Lehr- und Lernfreiheit nicht zur Freiheit Nichts zu lehren und Nichts zu lernen ausarte; woher also die große Angst der Gegner, was läßt Herrn v. Tisza und seinen Anhang so sehr für den Bestand und die Autonomie der confessionellen Schulen fürch¬ ten? Wissen die Protestanten erst, heißt es, daß wenn ihre confessionelle Schule den Anforderungen nicht entspricht, eine Gemeindeschule errichtet wird, so werden sie wenig Neigung zeigen, ihrer Sonderschule weitere Opfer zu bringen; werden sie vollends gezwungen, die Steuer zu Gunsten der nicht- confessionellen Gemeindeschule mitzutragen, dann wird jene Neigung auf ein Minimum herabsinken. Wie eigenthümlich doch, daß der Herr Curator ein solch geringes Vertrauen in den confessionellen Eifer seiner Glaubensgenossen besitzt und es nicht scheut, ihnen ein solch religiöses Armuthszeugniß auszu¬ stellen! Und was aus dem Munde des Führers der Linken nicht minder auffällig klingt, daß er die Protestanten von der Pflicht zur Gemeindeschule beizutragen befreien möchte: als läge der Volksunterricht im Belieben der einzelnen Confessionen und als gehörte er nicht vielmehr zu den allerersten Aufgaben des Staats, der Gesammtheit seiner Bürger. Hat Herr v. Tisza denn nie einen Blick in die Statistik der Verbrechen und Gefängnisse gethan, um zu erfahren, daß ihre Ziffer in umgekehrtem Verhältniß zu jener der Volksschulen steht und daß es daher dem Staate des 19. Jahrhunderts obliegt, Mr Verminderung jener für die Vermehrung dieser Sorge zu tragen? Haben wir ferner Herrn v. Tisza erst daran zu erinnern, daß das Wahlrecht ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/293>, abgerufen am 06.02.2025.