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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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ausgesprochen. Der Ausschuß beantragt, ein Gesuch an den Bundeskanzler
um Berücksichtigung dieser Beschlüsse bei der bevorstehenden Justizreorgani-
sation zu richten. Von einigen Rheinländern -- die bekanntlich an ihren
Handelsgerichten nach französischem Muster eifersüchtig festhalten -- wurde
das Bedenken erhoben, ob nicht die früheren Beschlüsse mit dieser Einrichtung
in Collision kämen, insofern sie zum Vorsitzenden des Handelsgerichts einen
gelehrten Richter empfehlen. Der Referent Dr. Weigel aus Cassel con-
statirte jedoch, daß die berechtigte Eigenthümlichkeit der rheinischen, nur aus
Kaufleuten bestehenden Handelsgerichte durch einen ausdrücklichen Vorbehalt
gewahrt sei. So stand der Annahme des Ausschußantrags Nichts mehr im
Wege. Vor der Abstimmung gab Dessauer-Aschaffenburg im Namen
seiner sämmtlichen bayrischen Collegen die Erklärung ab, daß sie die Ausdeh¬
nung der Competenz des Zollparlaments auf alle wirthschaftlichen Fragen
wünschten. Diese Erklärung erntete den Beifall, den sie als Stimmungssymp¬
tom auch von Denen beanspruchen durfte, welche über die politische Räthlich-
keit einer solchen Maßregel anderer Meinung sind.

V. Ungeachtet der bereits vorgerückten Zeit erledigte der Handelstag
vor dem Festessen auch noch die gleichfalls durch eine Denkschrift vorbereitete
Concursordn ungs-Frage; Referent Dr. Meyer-Breslau. Der Aus¬
schußantrag zerfällt in 4 Punkte.

Punkt 1 lautet: "Die baldige Emanation einer gemeinsamen Concurs-
ordnung für das Gebiet des Zollparlaments ist eine dringende Nothwendig¬
keit. Unabhängig von derselben und noch vor ihr kann ein Gesetz über
kaufmännische Accorde emanirt werden".

Punkt 2 enthält die Grundzüge für ein solches Aecordgesetz. Die Denk¬
schrift empfahl hier u. A. den aus der bremer Debitordnung entlehnten
Satz: "Der Accord wirkt als ZwangsstundungDieser Satz ist jedoch
vom Ausschusse nicht mit adoptirr.

Punkt 3 entwickelt die Folgerungen aus dem Princip, daß den Gläu¬
bigern im Concurse ein möglichst ausgedehnter Einfluß auf die Verwaltung
der Activmasse einzuräumen sei.

Punkt 4 endlich lautet: "Die Ueberweisung der Concurse und der Accorde
außerhalb des Concursverfahrens mit Ausnahme der gemeinen Concurse an
die Handelsgerichte ist unerläßlich für die zweckmäßige Handhabung des
Verfahrens".

Die Debatte drehte sich ausschließlich um die Grundzüge für das Accord-
verfahren und insbesondere um die Frage, ob der Ehefrau des Gemein¬
schuldners ein Stimmrecht zu gewähren sei oder nicht. Im Gegensatz zu dem
Ausschußantrage wünschen Liebermann-Berlin als Vertreter der dortigen
Kaufmannschaft und Dr. Schumacher-Bremen die Frage bejaht zu wissen.


Grenzboten IV. 1868. 30

ausgesprochen. Der Ausschuß beantragt, ein Gesuch an den Bundeskanzler
um Berücksichtigung dieser Beschlüsse bei der bevorstehenden Justizreorgani-
sation zu richten. Von einigen Rheinländern — die bekanntlich an ihren
Handelsgerichten nach französischem Muster eifersüchtig festhalten — wurde
das Bedenken erhoben, ob nicht die früheren Beschlüsse mit dieser Einrichtung
in Collision kämen, insofern sie zum Vorsitzenden des Handelsgerichts einen
gelehrten Richter empfehlen. Der Referent Dr. Weigel aus Cassel con-
statirte jedoch, daß die berechtigte Eigenthümlichkeit der rheinischen, nur aus
Kaufleuten bestehenden Handelsgerichte durch einen ausdrücklichen Vorbehalt
gewahrt sei. So stand der Annahme des Ausschußantrags Nichts mehr im
Wege. Vor der Abstimmung gab Dessauer-Aschaffenburg im Namen
seiner sämmtlichen bayrischen Collegen die Erklärung ab, daß sie die Ausdeh¬
nung der Competenz des Zollparlaments auf alle wirthschaftlichen Fragen
wünschten. Diese Erklärung erntete den Beifall, den sie als Stimmungssymp¬
tom auch von Denen beanspruchen durfte, welche über die politische Räthlich-
keit einer solchen Maßregel anderer Meinung sind.

V. Ungeachtet der bereits vorgerückten Zeit erledigte der Handelstag
vor dem Festessen auch noch die gleichfalls durch eine Denkschrift vorbereitete
Concursordn ungs-Frage; Referent Dr. Meyer-Breslau. Der Aus¬
schußantrag zerfällt in 4 Punkte.

Punkt 1 lautet: „Die baldige Emanation einer gemeinsamen Concurs-
ordnung für das Gebiet des Zollparlaments ist eine dringende Nothwendig¬
keit. Unabhängig von derselben und noch vor ihr kann ein Gesetz über
kaufmännische Accorde emanirt werden".

Punkt 2 enthält die Grundzüge für ein solches Aecordgesetz. Die Denk¬
schrift empfahl hier u. A. den aus der bremer Debitordnung entlehnten
Satz: „Der Accord wirkt als ZwangsstundungDieser Satz ist jedoch
vom Ausschusse nicht mit adoptirr.

Punkt 3 entwickelt die Folgerungen aus dem Princip, daß den Gläu¬
bigern im Concurse ein möglichst ausgedehnter Einfluß auf die Verwaltung
der Activmasse einzuräumen sei.

Punkt 4 endlich lautet: „Die Ueberweisung der Concurse und der Accorde
außerhalb des Concursverfahrens mit Ausnahme der gemeinen Concurse an
die Handelsgerichte ist unerläßlich für die zweckmäßige Handhabung des
Verfahrens".

Die Debatte drehte sich ausschließlich um die Grundzüge für das Accord-
verfahren und insbesondere um die Frage, ob der Ehefrau des Gemein¬
schuldners ein Stimmrecht zu gewähren sei oder nicht. Im Gegensatz zu dem
Ausschußantrage wünschen Liebermann-Berlin als Vertreter der dortigen
Kaufmannschaft und Dr. Schumacher-Bremen die Frage bejaht zu wissen.


Grenzboten IV. 1868. 30
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/253>, abgerufen am 06.02.2025.