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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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norddeutsche Äriegshiifen.
Die Wesermündung.

Außer dem Jahdebusen sind an der Nordseeküste sehr wenige Stellen
zu finden, welche zu Kriegshafen oder Marinestationen geeignet wären.
Namentlich die fchleswigfche Westküste ist in dieser Beziehung ungünstig
gestaltet. Der Zugang ist durch Inseln und Sandbänke verschanzt, die Ein¬
fahrten zwischen den Inseln versanden und verschlicken allmählig und werden
vielleicht durch eine einzige Sturmfluth gänzlich verändert. Die Anlage eines
sicheren und dauerhaften Hafens ist dort längs des ganzen schleswigschen
Festlandes wohl unmöglich. Auch die besseren der sogenannten Hafenplätze:
Husum an der Hever und Tönning an der Eider sind nur bei Fluth und
nur für leichte Fahrzeuge erreichbar. Aber eine vortreffliche Rhede befindet
sich an der Ostseite der langgestreckten Insel Sylt. Dort ist zwischen Sylt
und Rom die kurze und tiefe Einfahrt, welche nur durch eine Barre in 16
bis 20 Fuß Tiefe bei niedrigstem Wasser für schwere Schiffe gefährlich wird.
Südlich der Einfahrt, die von Sylt aus durch zwei Leuchtthürme auf der
Landzunge Ellenbogen gesichert ist, gelangt man auf die prachtvolle Lister
Rhede, die sich nach Nordost im Römer Tief fortsetzt. Von der Anlage
eines Handelshafens bei Rom wird in anderem Zusammenhang die Rede
sein; für die Kriegsmarine wäre dort nur einigen Kanonenbooten Station
und Depot möglich.

Der Königshasen an der Insel Sylt, der zur Zeit Christian IV. einmal
die ganze dänische Flotte aufgenommen haben soll, ist völlig versandet; auch
er wurde seinerzeit als Kriegshafen für die deutsche Flotte empfohlen, und
Techniker haben behauptet, daß er sich mit verhältnißmäßig geringen Kosten
zu einer Marinestation Herrichten lasse. Aber es scheint, daß die Ver¬
schickung in dem ganzen Wattenmeer zwischen den friesischen Inseln und dem
Festlande Schleswigs gar nicht aufzuhalten ist. Als im Jahre 18S8 die An¬
legung eines Hafens an der Nordwestküste Schleswigs beabsichtigt wurde
und die dänische Negierung zu diesem Behuf vielfache Untersuchungen an¬
stellen ließ, widerriethen sachkundige Männer, welche seit einer Reihe von
Jahren mit den Einwirkungen der Strömung der Nordsee bekannt waren,
ein solches Unternehmen als sehr prekär, da es fast unmöglich sei, die viel¬
fachen Veränderungen zu berechnen, welche dort auf dem Meeresboden ent¬
stehen, ohne daß man specielle Veranlassungen anzugeben vermag. So wurde
im Jahre 1852 ein in der Schmaltiefe gelegener Grund "Seesand" mit einem
neuen Seezeichen versehen, weil das alte, das früher in der Mitte des Grun¬
des gestanden hatte, im Laufe von 16 Jahren an die Westseite desselben zu


norddeutsche Äriegshiifen.
Die Wesermündung.

Außer dem Jahdebusen sind an der Nordseeküste sehr wenige Stellen
zu finden, welche zu Kriegshafen oder Marinestationen geeignet wären.
Namentlich die fchleswigfche Westküste ist in dieser Beziehung ungünstig
gestaltet. Der Zugang ist durch Inseln und Sandbänke verschanzt, die Ein¬
fahrten zwischen den Inseln versanden und verschlicken allmählig und werden
vielleicht durch eine einzige Sturmfluth gänzlich verändert. Die Anlage eines
sicheren und dauerhaften Hafens ist dort längs des ganzen schleswigschen
Festlandes wohl unmöglich. Auch die besseren der sogenannten Hafenplätze:
Husum an der Hever und Tönning an der Eider sind nur bei Fluth und
nur für leichte Fahrzeuge erreichbar. Aber eine vortreffliche Rhede befindet
sich an der Ostseite der langgestreckten Insel Sylt. Dort ist zwischen Sylt
und Rom die kurze und tiefe Einfahrt, welche nur durch eine Barre in 16
bis 20 Fuß Tiefe bei niedrigstem Wasser für schwere Schiffe gefährlich wird.
Südlich der Einfahrt, die von Sylt aus durch zwei Leuchtthürme auf der
Landzunge Ellenbogen gesichert ist, gelangt man auf die prachtvolle Lister
Rhede, die sich nach Nordost im Römer Tief fortsetzt. Von der Anlage
eines Handelshafens bei Rom wird in anderem Zusammenhang die Rede
sein; für die Kriegsmarine wäre dort nur einigen Kanonenbooten Station
und Depot möglich.

Der Königshasen an der Insel Sylt, der zur Zeit Christian IV. einmal
die ganze dänische Flotte aufgenommen haben soll, ist völlig versandet; auch
er wurde seinerzeit als Kriegshafen für die deutsche Flotte empfohlen, und
Techniker haben behauptet, daß er sich mit verhältnißmäßig geringen Kosten
zu einer Marinestation Herrichten lasse. Aber es scheint, daß die Ver¬
schickung in dem ganzen Wattenmeer zwischen den friesischen Inseln und dem
Festlande Schleswigs gar nicht aufzuhalten ist. Als im Jahre 18S8 die An¬
legung eines Hafens an der Nordwestküste Schleswigs beabsichtigt wurde
und die dänische Negierung zu diesem Behuf vielfache Untersuchungen an¬
stellen ließ, widerriethen sachkundige Männer, welche seit einer Reihe von
Jahren mit den Einwirkungen der Strömung der Nordsee bekannt waren,
ein solches Unternehmen als sehr prekär, da es fast unmöglich sei, die viel¬
fachen Veränderungen zu berechnen, welche dort auf dem Meeresboden ent¬
stehen, ohne daß man specielle Veranlassungen anzugeben vermag. So wurde
im Jahre 1852 ein in der Schmaltiefe gelegener Grund „Seesand" mit einem
neuen Seezeichen versehen, weil das alte, das früher in der Mitte des Grun¬
des gestanden hatte, im Laufe von 16 Jahren an die Westseite desselben zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/232>, abgerufen am 05.02.2025.