Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.den Obrist Moller um die Erlaubniß, meiner Frau einige Zeilen schreiben zu Darauf führte man mich in das Vorzimmer der Wachtstube hinter einen Es war schon elf Uhr Abends. Wieder erschien ein Geleit von zehn den Obrist Moller um die Erlaubniß, meiner Frau einige Zeilen schreiben zu Darauf führte man mich in das Vorzimmer der Wachtstube hinter einen Es war schon elf Uhr Abends. Wieder erschien ein Geleit von zehn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287423"/> <p xml:id="ID_358" prev="#ID_357"> den Obrist Moller um die Erlaubniß, meiner Frau einige Zeilen schreiben zu<lb/> dürfen; der Obrist war verlegen und sagte mir offen, daß ihm das unmöglich<lb/> sei; wenn ich aber mündlich Etwas zu sagen hätte, würde er es sogleich<lb/> meiner Frau mittheilen lassen, was auch geschah. Man führte mich in das<lb/> Zimmer der wachehabenden Offiziers. In einem Winkel, der von der<lb/> übrigen Stube durch einen langen Tisch getrennt war, schlief ein arretirter<lb/> Generalstabsoffizier, K. V. Tschevkin; er wurde geweckt und abgeführt, sein<lb/> Platz mir angewiesen. Die Wache wurde abgelöst, es trat der Commandant<lb/> Baschuzky ein und erkundigte sich nach den Arrestanten.</p><lb/> <p xml:id="ID_359"> Darauf führte man mich in das Vorzimmer der Wachtstube hinter einen<lb/> Verschlag mit Glasthüre, wo ich blieb; von diesem Platz aus konnte ich sehen<lb/> wie Soldaten vom Preobraschensky'schen Regiment Bestushew umringten,<lb/> der sich selbst freiwillig gestellt hatte. Er war festlich wie zum Ball gekleidet<lb/> und als das ihm zugegebene Geleit fortmarschiren wollte, commandirte er<lb/> selbst Vorwärts! und schritt mit der Mannschaft im Takt. — Nach einer<lb/> halben Stunde führte man ebenso I. I. Puschtschin ab. Als er von zwölf<lb/> Soldaten umringt dastand, stürzte ein junger Offizier in die Mitte, um den<lb/> Arretirten zu-umarmen — es war S. P. Galachow, Adjutant im Leib¬<lb/> grenadierregiment.</p><lb/> <p xml:id="ID_360" next="#ID_361"> Es war schon elf Uhr Abends. Wieder erschien ein Geleit von zehn<lb/> Soldaten, man sah noch keinen Arrestanten. Hierauf trat der dienstthuende<lb/> Stabsoffizier Obrist Mikulin zu mir ein, um mich und den Capitän Repin,<lb/> den man mir kurz vorher zugesellt hatte, zu untersuchen, ob wir vielleicht ver¬<lb/> steckte Waffen bei uns hätten, und uns sodann anzuzeigen, daß er Befehl habe,<lb/> uns zum Kaiser zu führen. Wir wurden von Soldaten umringt und stiegen<lb/> mehrere Treppen hinauf; während dessen fühlte ich, daß Jemand an den<lb/> Schößen oder der Hintertasche meiner Uniform zupfte — es war der Obrist<lb/> Mikulin, der mir ein Blättchen Papier herausgenommen hatte. Im Vor¬<lb/> zimmer des Kaisers angelangt, durch welches unaufhörlich General- und<lb/> Flügeladjutanten streiften, fragte mich der Obrist, von wem das Billet ge¬<lb/> schrieben sei, das er bei mir gefunden; ich verlangte es zu sehen und ant¬<lb/> wortete, es sei von meiner Frau. Nach dem Aufhören der gestrigen Kano»<lb/> made hatte ich Repin gebeten, meine Frau zu beruhigen; zwei Stunden<lb/> später schickte ich einen Soldaten zu ihr, der mir ein Billet mit den Worten:<lb/> „Lois tranguille, mon awi, vieu ins soutiemt, in6nahe-de>i" brachte. Mikulin<lb/> entgegnete mir, daß das unmöglich sei, oder daß meine Frau kein Französisch<lb/> verstehe; es sei offenbar, daß nicht ein Frauenzimmer einem Mann, sondern<lb/> umgekehrt ein Mann einem Frauenzimmer geschrieben habe. „Wie kann man<lb/> im männlichen Geschlecht das Wort er-unzuille mit zwei 1 und c schreiben?"<lb/> wiederholte der Obrist immer wieder, ohne im Geringsten darauf zu achten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
den Obrist Moller um die Erlaubniß, meiner Frau einige Zeilen schreiben zu
dürfen; der Obrist war verlegen und sagte mir offen, daß ihm das unmöglich
sei; wenn ich aber mündlich Etwas zu sagen hätte, würde er es sogleich
meiner Frau mittheilen lassen, was auch geschah. Man führte mich in das
Zimmer der wachehabenden Offiziers. In einem Winkel, der von der
übrigen Stube durch einen langen Tisch getrennt war, schlief ein arretirter
Generalstabsoffizier, K. V. Tschevkin; er wurde geweckt und abgeführt, sein
Platz mir angewiesen. Die Wache wurde abgelöst, es trat der Commandant
Baschuzky ein und erkundigte sich nach den Arrestanten.
Darauf führte man mich in das Vorzimmer der Wachtstube hinter einen
Verschlag mit Glasthüre, wo ich blieb; von diesem Platz aus konnte ich sehen
wie Soldaten vom Preobraschensky'schen Regiment Bestushew umringten,
der sich selbst freiwillig gestellt hatte. Er war festlich wie zum Ball gekleidet
und als das ihm zugegebene Geleit fortmarschiren wollte, commandirte er
selbst Vorwärts! und schritt mit der Mannschaft im Takt. — Nach einer
halben Stunde führte man ebenso I. I. Puschtschin ab. Als er von zwölf
Soldaten umringt dastand, stürzte ein junger Offizier in die Mitte, um den
Arretirten zu-umarmen — es war S. P. Galachow, Adjutant im Leib¬
grenadierregiment.
Es war schon elf Uhr Abends. Wieder erschien ein Geleit von zehn
Soldaten, man sah noch keinen Arrestanten. Hierauf trat der dienstthuende
Stabsoffizier Obrist Mikulin zu mir ein, um mich und den Capitän Repin,
den man mir kurz vorher zugesellt hatte, zu untersuchen, ob wir vielleicht ver¬
steckte Waffen bei uns hätten, und uns sodann anzuzeigen, daß er Befehl habe,
uns zum Kaiser zu führen. Wir wurden von Soldaten umringt und stiegen
mehrere Treppen hinauf; während dessen fühlte ich, daß Jemand an den
Schößen oder der Hintertasche meiner Uniform zupfte — es war der Obrist
Mikulin, der mir ein Blättchen Papier herausgenommen hatte. Im Vor¬
zimmer des Kaisers angelangt, durch welches unaufhörlich General- und
Flügeladjutanten streiften, fragte mich der Obrist, von wem das Billet ge¬
schrieben sei, das er bei mir gefunden; ich verlangte es zu sehen und ant¬
wortete, es sei von meiner Frau. Nach dem Aufhören der gestrigen Kano»
made hatte ich Repin gebeten, meine Frau zu beruhigen; zwei Stunden
später schickte ich einen Soldaten zu ihr, der mir ein Billet mit den Worten:
„Lois tranguille, mon awi, vieu ins soutiemt, in6nahe-de>i" brachte. Mikulin
entgegnete mir, daß das unmöglich sei, oder daß meine Frau kein Französisch
verstehe; es sei offenbar, daß nicht ein Frauenzimmer einem Mann, sondern
umgekehrt ein Mann einem Frauenzimmer geschrieben habe. „Wie kann man
im männlichen Geschlecht das Wort er-unzuille mit zwei 1 und c schreiben?"
wiederholte der Obrist immer wieder, ohne im Geringsten darauf zu achten
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