Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.geboten, Oestreich zur Vernunft zu bringen? Haben nicht alle wohlmeinenden Bunsen wußte aus Erfahrung, was das östreichische Joch für Italien
Er hielt sich an die ideale Seite der Erhebung und überschätzte daher So lebhaft bewegte ihn diese Frage, daß er Pläne machte, Italien noch Ueberblicken wir nun noch einmal dies vielseitige Menschenleben und geboten, Oestreich zur Vernunft zu bringen? Haben nicht alle wohlmeinenden Bunsen wußte aus Erfahrung, was das östreichische Joch für Italien
Er hielt sich an die ideale Seite der Erhebung und überschätzte daher So lebhaft bewegte ihn diese Frage, daß er Pläne machte, Italien noch Ueberblicken wir nun noch einmal dies vielseitige Menschenleben und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0526" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287238"/> <p xml:id="ID_1347" prev="#ID_1346"> geboten, Oestreich zur Vernunft zu bringen? Haben nicht alle wohlmeinenden<lb/> und scharfblickender Staatsmänner, Canning einbegriffen, vorausgesagt, was<lb/> sich jetzt vollzieht? nämlich daß Oestreich unfehlbar die Macht Frankreichs<lb/> provociren werde, um durch dieses aus Italien verdrängt zu werden? Welche<lb/> Sache wird durch die Agitation dieser wüthenden Feinde Frankreichs gewinnen?<lb/> Die des Papstes und der Jesuiten, die der östreichischen Tyrannei. Also<lb/> ihre Tendenz ist gegen unser innerstes Leben gerichtet, gegen den Protestan¬<lb/> tismus, Glaubensfreiheit, Preußen und den deutschen Bundesstaat. Frank¬<lb/> reich und Rußland sind letzterem entgegen, aber das Haus Oestreich allein<lb/> ist der Feind von Deutschland selbst. Es ist das erstemal, daß die öffent¬<lb/> liche Meinung in Deutschland verächtlich und bemitleidenswerth eine große<lb/> und edle Sache aufgibt, sich auflehnt gegen eine providentielle Fügung zu<lb/> Gunsten eines schwergeprüften Volkes und daß Protestanten nicht nur die<lb/> politischen, sondern auch die geistlichen Fesseln küssen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1348"> Bunsen wußte aus Erfahrung, was das östreichische Joch für Italien<lb/> bedeute; so vergaß er in seiner Freude über die Wiedergeburt eines ihm<lb/> theuern Volkes die staatsmännischen Bedenken, die er sonst gegen Napoleon's<lb/> Pläne gehegt. Hatte er doch 1838 Rom mit dem Schetdegruß verlassen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l> Leb wohl und mögen deine co'gen Pforten<lb/> Sie fallen sehn, die sich im Lammeskleide<lb/> Gesetzt auf deinen Thron, den Geist zu morden!<lb/> Die Gottes Land gemacht zu öder Haide,<lb/> Die Aufruhrs und Unglaubens Mutter worden!<lb/> Die Schuld an meines Volkes Blut und Leide!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1349"> Er hielt sich an die ideale Seite der Erhebung und überschätzte daher<lb/> auch Garibaldi's Bedeutung, den er schlechtweg als den nationalen Helden<lb/> und Befreier feiert, während er von Cavour fast ganz schweigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1350"> So lebhaft bewegte ihn diese Frage, daß er Pläne machte, Italien noch<lb/> einmal zu sehen. Aber er sollte sie nicht ausführen; ein Herzübel, das sich<lb/> schon seit einigen Jahren gezeigt, trat jetzt mit beunruhigender Heftigkeit auf<lb/> und die wiederholten Winteraufenthalte in Cannes vermochten wohl zeit¬<lb/> weilige Linderung, aber keine Heilung zu schaffen. Nach der Uebersiedelung<lb/> von Heidelberg nach Bonn entwickelte sich das Uebel rasch und nach schwerem<lb/> Kampfe starb Bunsen Ende November 1860, umgeben von den Seinigen,<lb/> denen er noch Worte voll Trost und Tiefe spendete. Er ruht an der Seite<lb/> seines Meisters Niebuhr. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1351" next="#ID_1352"> Ueberblicken wir nun noch einmal dies vielseitige Menschenleben und<lb/> fragen wir, worin vornehmlich seine Bedeutung liegt, so dürfen wir mit den<lb/> Worten antworten, die ein ihm nahestehender Staatsmann noch kurz vor<lb/> Bunsen's Tode aussprach: „Sein Hinscheiden wird eine große Lücke zurück-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0526]
geboten, Oestreich zur Vernunft zu bringen? Haben nicht alle wohlmeinenden
und scharfblickender Staatsmänner, Canning einbegriffen, vorausgesagt, was
sich jetzt vollzieht? nämlich daß Oestreich unfehlbar die Macht Frankreichs
provociren werde, um durch dieses aus Italien verdrängt zu werden? Welche
Sache wird durch die Agitation dieser wüthenden Feinde Frankreichs gewinnen?
Die des Papstes und der Jesuiten, die der östreichischen Tyrannei. Also
ihre Tendenz ist gegen unser innerstes Leben gerichtet, gegen den Protestan¬
tismus, Glaubensfreiheit, Preußen und den deutschen Bundesstaat. Frank¬
reich und Rußland sind letzterem entgegen, aber das Haus Oestreich allein
ist der Feind von Deutschland selbst. Es ist das erstemal, daß die öffent¬
liche Meinung in Deutschland verächtlich und bemitleidenswerth eine große
und edle Sache aufgibt, sich auflehnt gegen eine providentielle Fügung zu
Gunsten eines schwergeprüften Volkes und daß Protestanten nicht nur die
politischen, sondern auch die geistlichen Fesseln küssen."
Bunsen wußte aus Erfahrung, was das östreichische Joch für Italien
bedeute; so vergaß er in seiner Freude über die Wiedergeburt eines ihm
theuern Volkes die staatsmännischen Bedenken, die er sonst gegen Napoleon's
Pläne gehegt. Hatte er doch 1838 Rom mit dem Schetdegruß verlassen:
Leb wohl und mögen deine co'gen Pforten
Sie fallen sehn, die sich im Lammeskleide
Gesetzt auf deinen Thron, den Geist zu morden!
Die Gottes Land gemacht zu öder Haide,
Die Aufruhrs und Unglaubens Mutter worden!
Die Schuld an meines Volkes Blut und Leide!
Er hielt sich an die ideale Seite der Erhebung und überschätzte daher
auch Garibaldi's Bedeutung, den er schlechtweg als den nationalen Helden
und Befreier feiert, während er von Cavour fast ganz schweigt.
So lebhaft bewegte ihn diese Frage, daß er Pläne machte, Italien noch
einmal zu sehen. Aber er sollte sie nicht ausführen; ein Herzübel, das sich
schon seit einigen Jahren gezeigt, trat jetzt mit beunruhigender Heftigkeit auf
und die wiederholten Winteraufenthalte in Cannes vermochten wohl zeit¬
weilige Linderung, aber keine Heilung zu schaffen. Nach der Uebersiedelung
von Heidelberg nach Bonn entwickelte sich das Uebel rasch und nach schwerem
Kampfe starb Bunsen Ende November 1860, umgeben von den Seinigen,
denen er noch Worte voll Trost und Tiefe spendete. Er ruht an der Seite
seines Meisters Niebuhr. —
Ueberblicken wir nun noch einmal dies vielseitige Menschenleben und
fragen wir, worin vornehmlich seine Bedeutung liegt, so dürfen wir mit den
Worten antworten, die ein ihm nahestehender Staatsmann noch kurz vor
Bunsen's Tode aussprach: „Sein Hinscheiden wird eine große Lücke zurück-
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