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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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c>uit^ or ko1I/°: nach kaum zwei Jahren setzte er doch seinen Namen unter das
Protokoll. -- Auch die Herausgeberin der Memoiren gesteht zu, daß es dem
Charakter Bunsen's angemessener gewesen wäre, seine Entlassung zu fordern,
als sich zum Werkzeug eines Acts herzugeben, dessen Ungerechtigkeit er fühlte
und dessen Gefahren er voraussah; er selbst scheint später so geurtheilt
und sein Nachgeben bedauert zu haben. Um so mehr beklagen wir in dem Buche
einen Brief Graf Usedom's zu finden, welcher Bunsen's Verfahren vertheidigt.
Es heißt dort: da einmal Preußens Entschluß dem Vertrage beizutreten festge¬
standen, habe Niemand wünschen können, daß ein Staatsmann von Bunsen's
Bedeutung um einer solchen Sache willen seine Stellung aufgebe; es sei eine
Frage des Dienstes, nicht der Ueberzeugung gewesen. -- Dies scheint uns keine
staatsmännische, sondern eine subaltern-büreaukratische Auffassung; wer sich für
sein Verhalten nur auf Befehle von oben berufen kann, mag überhaupt dem
Anspruch entsagen, von politischer Gesinnung zu sprechen, und das Princip,
da mitzugehen, wo das Gewissen dagegen spricht, weil sonst ein schlimmerer
Mann an die Stelle träte, hat noch nie zum Heile gereicht; ein Politiker, der
danach handelt, thut seinen Feinden den Gefallen, sich selbst langsam zu
^uiniren. um dann desto leichter beseitigt zu werden. Mehr Gewicht scheint
ein anderes Argument zu haben, durch welches auch Georg von Bunsen seinen
Vater im preußischen Abgeordnetenhause zu vertheidigen suchte, nämlich, daß
er unterzeichnet habe. um seinem König das Opfer, welches derselbe zu
Gingen hatte, nicht zu erschweren; seine Weigerung würde als eine Demon-
stration und ein Tadel gegen Friedrich Wilhelm IV. angesehen sein. -- Wir
^Widern hierauf, daß Niemand das Recht hat. für irgend einen Menschen
seine Ueberzeugung zu opfern; ein Politiker kann freilich nicht bei jeder Diffe¬
renz mit Entlassung drohen, wird sich vielmehr meist in Kompromissen be¬
rgen, aber bei entscheidenden Fragen muß er mit seiner Person eintreten:
eine solche Frage aber war der Vertrag von 1852 für Bunsen im emi¬
nentester Maße, um so mehr als er selbst den Pact gegen die Natur der
Dinge erklärte und prophezeite, daß die nächste große europäische Bewegung
'du hinwegspülen werde. Und was hat ihm seine Nachgiebigkeit geholfen?
damals wäre er mit Würde, unter dem Beifall der Nation zurückgetreten,
ö^el Jghre darauf wurde er in Ungnade abberufen -- "it xouvait sortir
Var 1a Al-imäö pores, vn 1'a kalt sortir Mi- la xetite porte" -- heißt es
ihm; möge sein Beispiel eine Warnung und eine Mahnung für deutsche
Staatsmänner sein, daß die erste Aufgabe ist. sich selber treu zu bleiben.

Die Krisis, der Bunsen damals ausgewichen, ließ nicht lange auf sich
Zarten, Sie kam wie bekannt durch die orientalische Frage. Es ließ sich er¬
warten, daß er mit Leib und Seele auf Seiten der Westmächte stand; schon
bei Gelegenheit der krakauer Frage verurtheilte er scharf das Verfahren


c>uit^ or ko1I/°: nach kaum zwei Jahren setzte er doch seinen Namen unter das
Protokoll. — Auch die Herausgeberin der Memoiren gesteht zu, daß es dem
Charakter Bunsen's angemessener gewesen wäre, seine Entlassung zu fordern,
als sich zum Werkzeug eines Acts herzugeben, dessen Ungerechtigkeit er fühlte
und dessen Gefahren er voraussah; er selbst scheint später so geurtheilt
und sein Nachgeben bedauert zu haben. Um so mehr beklagen wir in dem Buche
einen Brief Graf Usedom's zu finden, welcher Bunsen's Verfahren vertheidigt.
Es heißt dort: da einmal Preußens Entschluß dem Vertrage beizutreten festge¬
standen, habe Niemand wünschen können, daß ein Staatsmann von Bunsen's
Bedeutung um einer solchen Sache willen seine Stellung aufgebe; es sei eine
Frage des Dienstes, nicht der Ueberzeugung gewesen. — Dies scheint uns keine
staatsmännische, sondern eine subaltern-büreaukratische Auffassung; wer sich für
sein Verhalten nur auf Befehle von oben berufen kann, mag überhaupt dem
Anspruch entsagen, von politischer Gesinnung zu sprechen, und das Princip,
da mitzugehen, wo das Gewissen dagegen spricht, weil sonst ein schlimmerer
Mann an die Stelle träte, hat noch nie zum Heile gereicht; ein Politiker, der
danach handelt, thut seinen Feinden den Gefallen, sich selbst langsam zu
^uiniren. um dann desto leichter beseitigt zu werden. Mehr Gewicht scheint
ein anderes Argument zu haben, durch welches auch Georg von Bunsen seinen
Vater im preußischen Abgeordnetenhause zu vertheidigen suchte, nämlich, daß
er unterzeichnet habe. um seinem König das Opfer, welches derselbe zu
Gingen hatte, nicht zu erschweren; seine Weigerung würde als eine Demon-
stration und ein Tadel gegen Friedrich Wilhelm IV. angesehen sein. — Wir
^Widern hierauf, daß Niemand das Recht hat. für irgend einen Menschen
seine Ueberzeugung zu opfern; ein Politiker kann freilich nicht bei jeder Diffe¬
renz mit Entlassung drohen, wird sich vielmehr meist in Kompromissen be¬
rgen, aber bei entscheidenden Fragen muß er mit seiner Person eintreten:
eine solche Frage aber war der Vertrag von 1852 für Bunsen im emi¬
nentester Maße, um so mehr als er selbst den Pact gegen die Natur der
Dinge erklärte und prophezeite, daß die nächste große europäische Bewegung
'du hinwegspülen werde. Und was hat ihm seine Nachgiebigkeit geholfen?
damals wäre er mit Würde, unter dem Beifall der Nation zurückgetreten,
ö^el Jghre darauf wurde er in Ungnade abberufen — „it xouvait sortir
Var 1a Al-imäö pores, vn 1'a kalt sortir Mi- la xetite porte" — heißt es
ihm; möge sein Beispiel eine Warnung und eine Mahnung für deutsche
Staatsmänner sein, daß die erste Aufgabe ist. sich selber treu zu bleiben.

Die Krisis, der Bunsen damals ausgewichen, ließ nicht lange auf sich
Zarten, Sie kam wie bekannt durch die orientalische Frage. Es ließ sich er¬
warten, daß er mit Leib und Seele auf Seiten der Westmächte stand; schon
bei Gelegenheit der krakauer Frage verurtheilte er scharf das Verfahren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/501>, abgerufen am 04.07.2024.