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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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scheint es. allen Widerspruch vorbehalten, als ob uns das gar nichts an¬
ginge. Die Nation will einen Kaiser; ist es unsere Sache, darüber zu be¬
rathen?" Dieses Raisonnement erschien so kräftig, so lichtvoll, so aä rem --
kurz, ich riß die Versammlung mit mir sort; niemals hatte ein Redner einen
glänzenderen Erfolg. Alle stehen auf, unterzeichnen und gehen dann Billard
spielen. Maire sagte zu mir: "Meiner Treu. Commandant, Sie sprechen
wie Cicero, aber warum in aller Welt wünschen Sie so dringend daß er
Kaiser sei?" -- "Um fertig zu werden und ans Billard zu kommen. Sollten
wir da den ganzen Tag sitzen bleiben? Und Sie, warum wollten Sie es
nicht?" -- "Ich weiß nicht" sagte er, "aber ich hielt ihn zu etwas Besserem
geschaffen." -- So sprach der Lieutenant, und ich finde seine Rede nicht so
dumm. In der That, was soll das heißen, sage mirs, ein Mann wie er.
Bonaparte, Soldat. Generalissimus, der erste Feldherr der Welt, und will
"Majestät" genannt sein? Er ist Bonaparte und will "Sire" angeredet
sein. Er strebt nach Unten ("it a8pire Z. äeseeiuZre")--aber nein! er
glaubt zu steigen, wenn er sich neben die Könige stellt. Ein Titel ist ihm
lieber, als ein Name. Armer Mann! Seine Ideen sind nicht auf der Höhe
seines Geschickes. Ich dachte es gleich, als ich sah, wie er seine kleine
Schwester mit Borghese verheirathete und dabei that, als müßte er sich bei
Vorghese für die große Ehre bedanken."

"Der Eindruck ist hier schwach; man weiß noch nicht recht, was das
Alles bedeuten soll. Niemand kümmert sich darum, man spricht kaum da¬
von. -- -- Demanelle (ein anderer Oberst in Courier's Nähe) will, glaube
ich, gar keine Versammlung berufen; er schickt die Unterschriften mit der
nöthigen Begeisterung, Hingebung an die Person, Ergebenheit :c. -- Das
sind die hiesigen Neuigkeiten; wie stehts bei Euch? Erzähle mir, wie die
Posse bei Euch durchgespielt worden? Ungefähr ebenso, vermuthlich. "Oda.eun
baiss en tremblsnt la main <M nous eneKaink-I" Mit Verlaub, der Dich¬
ter lügt. Niemand zittert. Jeder will Geld und man küßt nur die Hand,
die das Tractament hält. Jener Cäsar verstand es besser und war über¬
haupt ein anderer Mensch. Er nahm keine verbrauchten Titel an, aus seinem
eigenen Name,n machte er einen Titel, höher als den königlichen."

Aus dieser heiteren Darstellung bricht der bittere Ernst durch. Nicht
Rechtspunkt steht bei Courier im Vordergrund, sondern das Bedauern,
ein großer Mann so klein sei. Wo bleiben die Helden seines Plutarch?
"II aspirs Z, Zescencli-k" ist in Frankreich sprichwörtlich geworden für alle
^deutenden Menschen, die von kleinlichen Eitelkeiten gequält und herabge-
Zogen werden.

Von allen großen Humoristen pflegt man zu sagen, daß ihr Humor
einen tiefen Ernst berge; in der That versteht sich das von selbst, es liegt


scheint es. allen Widerspruch vorbehalten, als ob uns das gar nichts an¬
ginge. Die Nation will einen Kaiser; ist es unsere Sache, darüber zu be¬
rathen?" Dieses Raisonnement erschien so kräftig, so lichtvoll, so aä rem —
kurz, ich riß die Versammlung mit mir sort; niemals hatte ein Redner einen
glänzenderen Erfolg. Alle stehen auf, unterzeichnen und gehen dann Billard
spielen. Maire sagte zu mir: „Meiner Treu. Commandant, Sie sprechen
wie Cicero, aber warum in aller Welt wünschen Sie so dringend daß er
Kaiser sei?" — „Um fertig zu werden und ans Billard zu kommen. Sollten
wir da den ganzen Tag sitzen bleiben? Und Sie, warum wollten Sie es
nicht?" — „Ich weiß nicht" sagte er, „aber ich hielt ihn zu etwas Besserem
geschaffen." — So sprach der Lieutenant, und ich finde seine Rede nicht so
dumm. In der That, was soll das heißen, sage mirs, ein Mann wie er.
Bonaparte, Soldat. Generalissimus, der erste Feldherr der Welt, und will
„Majestät" genannt sein? Er ist Bonaparte und will „Sire" angeredet
sein. Er strebt nach Unten („it a8pire Z. äeseeiuZre")--aber nein! er
glaubt zu steigen, wenn er sich neben die Könige stellt. Ein Titel ist ihm
lieber, als ein Name. Armer Mann! Seine Ideen sind nicht auf der Höhe
seines Geschickes. Ich dachte es gleich, als ich sah, wie er seine kleine
Schwester mit Borghese verheirathete und dabei that, als müßte er sich bei
Vorghese für die große Ehre bedanken."

„Der Eindruck ist hier schwach; man weiß noch nicht recht, was das
Alles bedeuten soll. Niemand kümmert sich darum, man spricht kaum da¬
von. — — Demanelle (ein anderer Oberst in Courier's Nähe) will, glaube
ich, gar keine Versammlung berufen; er schickt die Unterschriften mit der
nöthigen Begeisterung, Hingebung an die Person, Ergebenheit :c. — Das
sind die hiesigen Neuigkeiten; wie stehts bei Euch? Erzähle mir, wie die
Posse bei Euch durchgespielt worden? Ungefähr ebenso, vermuthlich. „Oda.eun
baiss en tremblsnt la main <M nous eneKaink-I" Mit Verlaub, der Dich¬
ter lügt. Niemand zittert. Jeder will Geld und man küßt nur die Hand,
die das Tractament hält. Jener Cäsar verstand es besser und war über¬
haupt ein anderer Mensch. Er nahm keine verbrauchten Titel an, aus seinem
eigenen Name,n machte er einen Titel, höher als den königlichen."

Aus dieser heiteren Darstellung bricht der bittere Ernst durch. Nicht
Rechtspunkt steht bei Courier im Vordergrund, sondern das Bedauern,
ein großer Mann so klein sei. Wo bleiben die Helden seines Plutarch?
»II aspirs Z, Zescencli-k" ist in Frankreich sprichwörtlich geworden für alle
^deutenden Menschen, die von kleinlichen Eitelkeiten gequält und herabge-
Zogen werden.

Von allen großen Humoristen pflegt man zu sagen, daß ihr Humor
einen tiefen Ernst berge; in der That versteht sich das von selbst, es liegt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/437>, abgerufen am 04.07.2024.