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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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dive des Angriffs vorbehielt, aber im Fall der Defensive sollte der Vertrag
völlig gleiche Tragweite für beide Contrahenten haben.

Den Wortlaut des geheimen Vertrags theilt auch Jacini nicht mit, aber
er bestätigt den bereits bekannten Inhalt desselben. Der Vertrag bestimmte:

"Falls S. M. der König von Preußen in die Lage versetzt wäre, die
Waffen zu ergreifen, um seine Bundesreformvorschläge in Deutschland durch¬
zusetzen, würde S. M. der König von Italien, nach der Initiative Preußens,
sobald er von dieser benachrichtigt worden, den Krieg an Oestreich erklären.
Von diesem Augenblick an soll der Krieg von I. I. M. M. mit allen ihren
Kräften verfolgt werden, und weder Preußen noch Italien sollen Friede
oder Waffenstillstand ohne gegenseitige Einwilligung schließen. Diese Ein¬
willigung soll nicht verweigert werZen können, wenn Oestreich sich dazu ver¬
standen hätte einzuwilligen, daß Italien sich das lombardisch - venetianische
Königreich annectire und Preußen entsprechende, ihm benachbarte Gebiete.
Dieser Vertrag soll nur giltig sein drei Monate lang nach der Unter¬
zeichnung."

Die letztere Klausel war von Italien verlangt, welches darauf bestand,
daß die Initiative, welche Preußen sich vorbehielt, ihm nur eine kurze Zeit
lang zugestanden werden könne, und daß je nach Eventualitäten, wie sie aus
einer so gespannten Lage hervorgehen könnten, die Freiheit der Action nicht
auf lange Zeit behindert werden dürfe.

Vergebens aber hatten die italienischen Bevollmächtigten, ihren Weisun¬
gen gemäß, sich bemüht, die Stipulation durchzusetzen, daß auch das Treu-
"diuo dem Schicksal des lombardisch-venetianischen Königreichs folgen müsse.
Bismarck rechnete damals noch auf die Neutralität des deutschen Bundes,
selbst auf den Beitritt Baierns auf seine Seite, und da das Trentino zum
Bund gehörte, weigerte sich Bismarck in absoluter Weise durch Erfüllung
der Forderung Italiens sich ein Hinderniß für die Verwirklichung jener Be¬
rechnung zu schaffen. Uebrigens hatte Bismarck dem Grafen Barral am
30. März mündlich erklärt, wenn es ihm schlechterdings unmöglich sei, im
Boraus eine Verbindlichkeit wegen des Trentino einzugehen, so werde doch
Preußen der Erwerbung dieses Gebiets von Seiten Italiens kein Hinderniß
in den Weg legen, falls während oder nach dem Kampf diese Erwartung
materiell sich als möglich herausstelle. Damit mußte sich Italien begnügen.

Der Vertrag war abgeschlossen, die Rüstungen in vollem Gang, als
plötzlich ein neuer Zwischenfall die Hoffnungen Italiens zu durchkreuzen
schien.

(Schluß in nächster Nummer.)




dive des Angriffs vorbehielt, aber im Fall der Defensive sollte der Vertrag
völlig gleiche Tragweite für beide Contrahenten haben.

Den Wortlaut des geheimen Vertrags theilt auch Jacini nicht mit, aber
er bestätigt den bereits bekannten Inhalt desselben. Der Vertrag bestimmte:

„Falls S. M. der König von Preußen in die Lage versetzt wäre, die
Waffen zu ergreifen, um seine Bundesreformvorschläge in Deutschland durch¬
zusetzen, würde S. M. der König von Italien, nach der Initiative Preußens,
sobald er von dieser benachrichtigt worden, den Krieg an Oestreich erklären.
Von diesem Augenblick an soll der Krieg von I. I. M. M. mit allen ihren
Kräften verfolgt werden, und weder Preußen noch Italien sollen Friede
oder Waffenstillstand ohne gegenseitige Einwilligung schließen. Diese Ein¬
willigung soll nicht verweigert werZen können, wenn Oestreich sich dazu ver¬
standen hätte einzuwilligen, daß Italien sich das lombardisch - venetianische
Königreich annectire und Preußen entsprechende, ihm benachbarte Gebiete.
Dieser Vertrag soll nur giltig sein drei Monate lang nach der Unter¬
zeichnung."

Die letztere Klausel war von Italien verlangt, welches darauf bestand,
daß die Initiative, welche Preußen sich vorbehielt, ihm nur eine kurze Zeit
lang zugestanden werden könne, und daß je nach Eventualitäten, wie sie aus
einer so gespannten Lage hervorgehen könnten, die Freiheit der Action nicht
auf lange Zeit behindert werden dürfe.

Vergebens aber hatten die italienischen Bevollmächtigten, ihren Weisun¬
gen gemäß, sich bemüht, die Stipulation durchzusetzen, daß auch das Treu-
"diuo dem Schicksal des lombardisch-venetianischen Königreichs folgen müsse.
Bismarck rechnete damals noch auf die Neutralität des deutschen Bundes,
selbst auf den Beitritt Baierns auf seine Seite, und da das Trentino zum
Bund gehörte, weigerte sich Bismarck in absoluter Weise durch Erfüllung
der Forderung Italiens sich ein Hinderniß für die Verwirklichung jener Be¬
rechnung zu schaffen. Uebrigens hatte Bismarck dem Grafen Barral am
30. März mündlich erklärt, wenn es ihm schlechterdings unmöglich sei, im
Boraus eine Verbindlichkeit wegen des Trentino einzugehen, so werde doch
Preußen der Erwerbung dieses Gebiets von Seiten Italiens kein Hinderniß
in den Weg legen, falls während oder nach dem Kampf diese Erwartung
materiell sich als möglich herausstelle. Damit mußte sich Italien begnügen.

Der Vertrag war abgeschlossen, die Rüstungen in vollem Gang, als
plötzlich ein neuer Zwischenfall die Hoffnungen Italiens zu durchkreuzen
schien.

(Schluß in nächster Nummer.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/400>, abgerufen am 24.07.2024.