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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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schattigen Laubhain derselben, dem Lieblingsspaziergang der Danziger begleitet,
zieht sich ein langer Quai mit Krahnen bis zur Wurzel der Ostermole, der
ersten Strandschanze und den einfach eingerichteten Seebädern hin: drüben auf
dem linken Ufer liegt Neufahrwasser, noch im Bereich der schweren Geschütze
des Brückenkopfs von Weichselmünde. Die niedrigen neuen rothen Häuschen,
um den hohen grünen Thurm ihrer verhältnißmäßig großen Kirche geschaart und
von rechtwinklig sich kreuzenden, dörflichen Gassen getrennt, ganz wie in
Euxhasen oder Swinemünde und anderen Oertchen mit specifisch seemännischer
Bevölkerung, schwinden gegenüber den hohen Takelagen auf dem Strom zu¬
sammen. Auf der Landseite sind sie von mehreren theilweise sternförmigen
Schanzen mit verpallisadirten Kehlen umschlossen, die auch die Bahn beherr¬
schen, und unweit des weißen auf einem kleinen Hügel gelegenen Thurmes
der Lootsenstation, wo die Lootsen, durch Mützen von Form und Farbe
der berliner Bauakademiker ausgezeichnet, in ihren scharfgebauten starken
Booten und Kuttern liegen, geht die Westermole in die See hinaus. Jedoch
zeigt diese, wie die Ostermole, welche den kleinen Leuchtthurm trägt, nicht
einen flachgewölbten Rücken, gleich der Swinemündes, sondern sie ist eine
ebne, beiderseits abgeschlossene Bahn für den Spaziergänger, der hier gern
von den massigen Steinquadern aus das Aus- und Einlaufen der Schiffe
M vollen Schmuck ihrer schwellenden Segelmassen beobachtet.

So schön dieser Hafen in malerischer Beziehung ist, so wenig genügt
er in praktischer Hinsicht den Anforderungen sehr großer Schiffe der Handels¬
marine und vollends denen der Kriegsmarine, namentlich hinsichtlich seiner
Tiefe; denn die Geräumigkeit ist allerdings weniger zu vermissen. Bis 1840
hatte der Hafen von Danzig einen Flächenraum von 43 Morgen. Der¬
selbe war ursprünglich die westlichste Mündung der Weichsel, und da sich
diese zu verflachen drohte, ward 1673 der Eingang der Rinne von der
übrigen Weichsel her durch eine hölzerne Schleuse geschlossen und die Strom¬
rinne selbst ausgebaggert. Später wurden Hafendamme von der Mündung
in die See geführt und die Ufer durch Mauern und Bohlwerke befestigt.
Da in einem Jahrhundert hier das Land 200 Ruthen in die See hinaus¬
wuchs, mußten die Hafendamme von Zeit zu Zeit verlängert werden. In¬
folge des Durchbruchs der Weichsel durch die Dünen bei Neufähr 1^ Meile
östlich von Fahrwasser (1. Februar 1840) und der Anlage von Schleusen
daselbst gestaltete sich indessen der Hafen weit vortheilhafter, namentlich da
die Sandanschwemmungen sich sehr verminderten, sodaß er jetzt 300 Morgen
Fläche und 16--17 Fuß Tiefe hat: durch Hinzuziehung des Sasper Sees
könnte noch ein großartiges Bassin gewonnen werden.

Der Seehandel hier besteht meistens aus massenhafter Ausfuhr des pol¬
nischen Walzers, in dessen hochgelben Massen die danziger Sackträger aus den


schattigen Laubhain derselben, dem Lieblingsspaziergang der Danziger begleitet,
zieht sich ein langer Quai mit Krahnen bis zur Wurzel der Ostermole, der
ersten Strandschanze und den einfach eingerichteten Seebädern hin: drüben auf
dem linken Ufer liegt Neufahrwasser, noch im Bereich der schweren Geschütze
des Brückenkopfs von Weichselmünde. Die niedrigen neuen rothen Häuschen,
um den hohen grünen Thurm ihrer verhältnißmäßig großen Kirche geschaart und
von rechtwinklig sich kreuzenden, dörflichen Gassen getrennt, ganz wie in
Euxhasen oder Swinemünde und anderen Oertchen mit specifisch seemännischer
Bevölkerung, schwinden gegenüber den hohen Takelagen auf dem Strom zu¬
sammen. Auf der Landseite sind sie von mehreren theilweise sternförmigen
Schanzen mit verpallisadirten Kehlen umschlossen, die auch die Bahn beherr¬
schen, und unweit des weißen auf einem kleinen Hügel gelegenen Thurmes
der Lootsenstation, wo die Lootsen, durch Mützen von Form und Farbe
der berliner Bauakademiker ausgezeichnet, in ihren scharfgebauten starken
Booten und Kuttern liegen, geht die Westermole in die See hinaus. Jedoch
zeigt diese, wie die Ostermole, welche den kleinen Leuchtthurm trägt, nicht
einen flachgewölbten Rücken, gleich der Swinemündes, sondern sie ist eine
ebne, beiderseits abgeschlossene Bahn für den Spaziergänger, der hier gern
von den massigen Steinquadern aus das Aus- und Einlaufen der Schiffe
M vollen Schmuck ihrer schwellenden Segelmassen beobachtet.

So schön dieser Hafen in malerischer Beziehung ist, so wenig genügt
er in praktischer Hinsicht den Anforderungen sehr großer Schiffe der Handels¬
marine und vollends denen der Kriegsmarine, namentlich hinsichtlich seiner
Tiefe; denn die Geräumigkeit ist allerdings weniger zu vermissen. Bis 1840
hatte der Hafen von Danzig einen Flächenraum von 43 Morgen. Der¬
selbe war ursprünglich die westlichste Mündung der Weichsel, und da sich
diese zu verflachen drohte, ward 1673 der Eingang der Rinne von der
übrigen Weichsel her durch eine hölzerne Schleuse geschlossen und die Strom¬
rinne selbst ausgebaggert. Später wurden Hafendamme von der Mündung
in die See geführt und die Ufer durch Mauern und Bohlwerke befestigt.
Da in einem Jahrhundert hier das Land 200 Ruthen in die See hinaus¬
wuchs, mußten die Hafendamme von Zeit zu Zeit verlängert werden. In¬
folge des Durchbruchs der Weichsel durch die Dünen bei Neufähr 1^ Meile
östlich von Fahrwasser (1. Februar 1840) und der Anlage von Schleusen
daselbst gestaltete sich indessen der Hafen weit vortheilhafter, namentlich da
die Sandanschwemmungen sich sehr verminderten, sodaß er jetzt 300 Morgen
Fläche und 16—17 Fuß Tiefe hat: durch Hinzuziehung des Sasper Sees
könnte noch ein großartiges Bassin gewonnen werden.

Der Seehandel hier besteht meistens aus massenhafter Ausfuhr des pol¬
nischen Walzers, in dessen hochgelben Massen die danziger Sackträger aus den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/353>, abgerufen am 04.07.2024.