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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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wir ihn finden in der Gnade der Herrscher, deren Antlitz wir nie gesehen,
aber deren Schwerter wir oft gefühlt haben? Sollen wir ihn darin finden,
daß man uns das Recht abspricht, eine Stimme in unsrer eignen Regierung
zu haben, wie Ungarn, wie Oestreich, wie Canada, wie jede andre Colonie
des Reichs, sei sie noch so klein, nur nicht Irland?

"Auf Grund eines gefälschten Wahrspruchs, eines erkauften Zeugnisses,
eines Beweises durch Meineidige, eines eingestandenermaßen irrigen Ver-
dicts, sind zwei Männer und ein Jüngling, in den Augen des Gesetzes ein
Kind, einem grausamen Tode überantwortet. Seht da die Gerechtigkeit
Englands in der Ueberführung und Verurteilung, seht da die Gnade Eng¬
lands in der Hinrichtung der politischen Verbrecher Allen, Larkin und O'Brien!
Da lest, was wahrhaftig mit großen und tiefen, mit unzerstörbaren, mit
blutigen Lettern geschrieben steht von der Gerechtigkeit und Gnade Englands.
Sie sterben fern von dem Lande, das sie liebten, fern von dem Volke, dem
sie dienen wollten, schmählich verleumdet durch die Organe einer blutdürsti¬
gen Aristokratie, in Mitten von fünftausend Bajonetten. Man sagt zur
Entschuldigung: sie waren Verbrecher gegen die Gesellschaft; aber ein Heer
mußte zwischen sie und das Volk treten, um ihre Befreiung zu verhüten. Man
sagt zur Entschuldigung: sie waren gemeine, nicht politische Verbrecher; aber
sie hatten ihr Leben daran gesetzt, das zweier Landsleute zu retten, und sie
starben das Antlitz gegen Westen gekehrt, in der Seele Vertrauen auf Gott,
und auf den Lippen den patriotischen Ruf: Gott erhalte Irland! Todt, todt!
todt! Aber es sind, die da glauben, daß sie im Tode stärker sein werden,
als im Leben! Es sind, die auf ihren Gräbern das Gebet lesen werden, daß
ein Rächer aus ihren Gebeinen entstehen möge -- exoriaro Äiyuis sx ossibus
ultor -- und wir sehen Wirren und Erschütterungen voraus, welche durch
eine menschliche Politik hätten abgewendet werden können, welche wir abge¬
wendet wünschten, und vor denen, wie wir flehen, noch jetzt die Völker durch
tveise Beschlüsse behütet werden mögen! Mögen jene Märtyrer geirrt haben,
so soll man ihrer doch in ihrer Heimath gedenken mit denen, die ihnen voran¬
gegangen sind, und ihr Tod soll weder die Sehnsucht nach legislativer Un¬
abhängigkeit, noch die Zuversicht auf deren schleunige Herstellung erschüttern.
Von der Morgenwache bis zur Nacht soll Israel hoffen auf den Herrn.
Denn bei dem Herrn ist Gnade, bei ihm ist Erlösung in Fülle! Und er wird
Israel befreien von allen, die Ungerechtes schaffen!"

Dieser Artikel und verschiedene andere, welche "The Jrishman" gleich¬
artig brachte und welche noch bedenklicheren Inhalts gewesen zu sein scheinen,
veranlaßten die Regierung, gegen den Eigenthümer der Zeitung, Mr. Pigott,
Strafverfahren einzuleiten. Die Anklagejury sprach ihr: Iruiz Kill! (die
Anklage ist begründet) und Mr. Pigott wurde dem Schwurgericht überwiesen,


Grenzboten I. 1868. 49

wir ihn finden in der Gnade der Herrscher, deren Antlitz wir nie gesehen,
aber deren Schwerter wir oft gefühlt haben? Sollen wir ihn darin finden,
daß man uns das Recht abspricht, eine Stimme in unsrer eignen Regierung
zu haben, wie Ungarn, wie Oestreich, wie Canada, wie jede andre Colonie
des Reichs, sei sie noch so klein, nur nicht Irland?

„Auf Grund eines gefälschten Wahrspruchs, eines erkauften Zeugnisses,
eines Beweises durch Meineidige, eines eingestandenermaßen irrigen Ver-
dicts, sind zwei Männer und ein Jüngling, in den Augen des Gesetzes ein
Kind, einem grausamen Tode überantwortet. Seht da die Gerechtigkeit
Englands in der Ueberführung und Verurteilung, seht da die Gnade Eng¬
lands in der Hinrichtung der politischen Verbrecher Allen, Larkin und O'Brien!
Da lest, was wahrhaftig mit großen und tiefen, mit unzerstörbaren, mit
blutigen Lettern geschrieben steht von der Gerechtigkeit und Gnade Englands.
Sie sterben fern von dem Lande, das sie liebten, fern von dem Volke, dem
sie dienen wollten, schmählich verleumdet durch die Organe einer blutdürsti¬
gen Aristokratie, in Mitten von fünftausend Bajonetten. Man sagt zur
Entschuldigung: sie waren Verbrecher gegen die Gesellschaft; aber ein Heer
mußte zwischen sie und das Volk treten, um ihre Befreiung zu verhüten. Man
sagt zur Entschuldigung: sie waren gemeine, nicht politische Verbrecher; aber
sie hatten ihr Leben daran gesetzt, das zweier Landsleute zu retten, und sie
starben das Antlitz gegen Westen gekehrt, in der Seele Vertrauen auf Gott,
und auf den Lippen den patriotischen Ruf: Gott erhalte Irland! Todt, todt!
todt! Aber es sind, die da glauben, daß sie im Tode stärker sein werden,
als im Leben! Es sind, die auf ihren Gräbern das Gebet lesen werden, daß
ein Rächer aus ihren Gebeinen entstehen möge — exoriaro Äiyuis sx ossibus
ultor — und wir sehen Wirren und Erschütterungen voraus, welche durch
eine menschliche Politik hätten abgewendet werden können, welche wir abge¬
wendet wünschten, und vor denen, wie wir flehen, noch jetzt die Völker durch
tveise Beschlüsse behütet werden mögen! Mögen jene Märtyrer geirrt haben,
so soll man ihrer doch in ihrer Heimath gedenken mit denen, die ihnen voran¬
gegangen sind, und ihr Tod soll weder die Sehnsucht nach legislativer Un¬
abhängigkeit, noch die Zuversicht auf deren schleunige Herstellung erschüttern.
Von der Morgenwache bis zur Nacht soll Israel hoffen auf den Herrn.
Denn bei dem Herrn ist Gnade, bei ihm ist Erlösung in Fülle! Und er wird
Israel befreien von allen, die Ungerechtes schaffen!"

Dieser Artikel und verschiedene andere, welche „The Jrishman" gleich¬
artig brachte und welche noch bedenklicheren Inhalts gewesen zu sein scheinen,
veranlaßten die Regierung, gegen den Eigenthümer der Zeitung, Mr. Pigott,
Strafverfahren einzuleiten. Die Anklagejury sprach ihr: Iruiz Kill! (die
Anklage ist begründet) und Mr. Pigott wurde dem Schwurgericht überwiesen,


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[0393] wir ihn finden in der Gnade der Herrscher, deren Antlitz wir nie gesehen, aber deren Schwerter wir oft gefühlt haben? Sollen wir ihn darin finden, daß man uns das Recht abspricht, eine Stimme in unsrer eignen Regierung zu haben, wie Ungarn, wie Oestreich, wie Canada, wie jede andre Colonie des Reichs, sei sie noch so klein, nur nicht Irland? „Auf Grund eines gefälschten Wahrspruchs, eines erkauften Zeugnisses, eines Beweises durch Meineidige, eines eingestandenermaßen irrigen Ver- dicts, sind zwei Männer und ein Jüngling, in den Augen des Gesetzes ein Kind, einem grausamen Tode überantwortet. Seht da die Gerechtigkeit Englands in der Ueberführung und Verurteilung, seht da die Gnade Eng¬ lands in der Hinrichtung der politischen Verbrecher Allen, Larkin und O'Brien! Da lest, was wahrhaftig mit großen und tiefen, mit unzerstörbaren, mit blutigen Lettern geschrieben steht von der Gerechtigkeit und Gnade Englands. Sie sterben fern von dem Lande, das sie liebten, fern von dem Volke, dem sie dienen wollten, schmählich verleumdet durch die Organe einer blutdürsti¬ gen Aristokratie, in Mitten von fünftausend Bajonetten. Man sagt zur Entschuldigung: sie waren Verbrecher gegen die Gesellschaft; aber ein Heer mußte zwischen sie und das Volk treten, um ihre Befreiung zu verhüten. Man sagt zur Entschuldigung: sie waren gemeine, nicht politische Verbrecher; aber sie hatten ihr Leben daran gesetzt, das zweier Landsleute zu retten, und sie starben das Antlitz gegen Westen gekehrt, in der Seele Vertrauen auf Gott, und auf den Lippen den patriotischen Ruf: Gott erhalte Irland! Todt, todt! todt! Aber es sind, die da glauben, daß sie im Tode stärker sein werden, als im Leben! Es sind, die auf ihren Gräbern das Gebet lesen werden, daß ein Rächer aus ihren Gebeinen entstehen möge — exoriaro Äiyuis sx ossibus ultor — und wir sehen Wirren und Erschütterungen voraus, welche durch eine menschliche Politik hätten abgewendet werden können, welche wir abge¬ wendet wünschten, und vor denen, wie wir flehen, noch jetzt die Völker durch tveise Beschlüsse behütet werden mögen! Mögen jene Märtyrer geirrt haben, so soll man ihrer doch in ihrer Heimath gedenken mit denen, die ihnen voran¬ gegangen sind, und ihr Tod soll weder die Sehnsucht nach legislativer Un¬ abhängigkeit, noch die Zuversicht auf deren schleunige Herstellung erschüttern. Von der Morgenwache bis zur Nacht soll Israel hoffen auf den Herrn. Denn bei dem Herrn ist Gnade, bei ihm ist Erlösung in Fülle! Und er wird Israel befreien von allen, die Ungerechtes schaffen!" Dieser Artikel und verschiedene andere, welche „The Jrishman" gleich¬ artig brachte und welche noch bedenklicheren Inhalts gewesen zu sein scheinen, veranlaßten die Regierung, gegen den Eigenthümer der Zeitung, Mr. Pigott, Strafverfahren einzuleiten. Die Anklagejury sprach ihr: Iruiz Kill! (die Anklage ist begründet) und Mr. Pigott wurde dem Schwurgericht überwiesen, Grenzboten I. 1868. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/393>, abgerufen am 02.10.2024.