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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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selbe gewesen: vielen Einzelnen Bildung und Wohlstand zu mehren, damit
sie befähigt würden zu freien Bürgern eines großen deutschen Reiches. Jetzt,
wo er auf der Höhe seines Mannesalters stand, rief ihn der Fürst seiner
Heimath in die Regierung des Großherzogthums Baden. Da wo er als
junger Beamter seine politische Laufbahn begonnen hatte, sollte er seinen
letzten und größten Wirkungskreis finden. Die zarte Freundschaft des Freiherrn
v. Roggenbach, der damals Präsident des auswärtigen Ministeriums war,
that alles, ihm den Uebergang in den neuen Beruf leicht zu machen. Mathy
übernahm zuerst als Director der Domainenkammer den Vorsitz im Finanz¬
ministerium, bald die Leitung des Handelsministeriums. Wahrscheinlich hatten
alte Beamte starke Zweifel gegen die Actentugenden des neuen Ministers; er
gewann auch hier die Liebe und Verehrung seiner Beamten. >Er war gerade
ein Chef, wie ihn der gute Beamte ersehnt. Regelmäßig, schnell, von Allem
unterrichtet, bei jedem, was ihn interessiren mußte, von großem und festem
Entschluß, verstand er das Geheimniß, seine Beamten zu leiten und ihnen
doch die Selbständigkeit zu lassen, welche der wackere Mann zum fröhlichen
Schaffen braucht. Es freute ihn, wenn er in Verhandlungen mit anderen
Regierungen seinen Räthen die officiellen Ehren zuweisen konnte, welche an
solchen Geschäften hängen; jedem wußte er nach seiner Persönlichkeit Spiel¬
raum zu geben, und doch fühlte jeder, daß der Mann mit den großen Augen
und dem weißen Haar das Steuer in eisenfester Hand hielt. Was in den
Jahren seiner Ministerthätigkeit für die Landescultur geschehen, mögen die
Badenser erzählen. Telegraphenstationen fast in jedem größeren Dorf, oft
Frauen als Beamte, Eisenbahnen fast nach aller Richtung, in welcher der
Landesverkehr lief, eine Eisenbahnbrücke auf Schiffen über den Rhein, die
Gewerbehalle in Karlsruhe u. f. w.
'

Als Frhr. v. Roggenbach sein Ministerium aufgegeben hatte und Herr
v. Edelsheim sein Nachfolger wurde, mit weit anderen Gedanken, die er zur
Zeit noch barg, da blieb Mathy neben dem andersgesinnten Mann doch im
Ministerium, weil er richtig fühlte, daß er seinen Fürsten, der ihm durch die
Berufung aus der Fremde einen so großen Beweis des Vertrauens gegeben
hatte, in der Katastrophe des Jahres 1866 nicht verlassen durfte. Er gab
damals kühnen Rath, trotz seinen östreichischen Collegen, trotz den abgeneigten
Kammern und übelbearbeiteten Soldaten. Endlich, als die östreichische Partei
jubelnd die ersten Siege über die Preußen begrüßte, legte er sein Amt in die
Hände des Großherzogs. Er selbst suchte sofort den alten Journalisten heraus
und schrieb Artikel für Preußen in süddeutsche Blätter. Nach wenigen Wochen
kam der Umschwung, er wurde zum Staatsminister ernannt und mit der
Bildung eines neuen Cabinets beauftragt. Mit dem Feuer eines Jünglings
ging er ans Werk, jetzt war der Erfüllung nahe, was er einst geträumt,


selbe gewesen: vielen Einzelnen Bildung und Wohlstand zu mehren, damit
sie befähigt würden zu freien Bürgern eines großen deutschen Reiches. Jetzt,
wo er auf der Höhe seines Mannesalters stand, rief ihn der Fürst seiner
Heimath in die Regierung des Großherzogthums Baden. Da wo er als
junger Beamter seine politische Laufbahn begonnen hatte, sollte er seinen
letzten und größten Wirkungskreis finden. Die zarte Freundschaft des Freiherrn
v. Roggenbach, der damals Präsident des auswärtigen Ministeriums war,
that alles, ihm den Uebergang in den neuen Beruf leicht zu machen. Mathy
übernahm zuerst als Director der Domainenkammer den Vorsitz im Finanz¬
ministerium, bald die Leitung des Handelsministeriums. Wahrscheinlich hatten
alte Beamte starke Zweifel gegen die Actentugenden des neuen Ministers; er
gewann auch hier die Liebe und Verehrung seiner Beamten. >Er war gerade
ein Chef, wie ihn der gute Beamte ersehnt. Regelmäßig, schnell, von Allem
unterrichtet, bei jedem, was ihn interessiren mußte, von großem und festem
Entschluß, verstand er das Geheimniß, seine Beamten zu leiten und ihnen
doch die Selbständigkeit zu lassen, welche der wackere Mann zum fröhlichen
Schaffen braucht. Es freute ihn, wenn er in Verhandlungen mit anderen
Regierungen seinen Räthen die officiellen Ehren zuweisen konnte, welche an
solchen Geschäften hängen; jedem wußte er nach seiner Persönlichkeit Spiel¬
raum zu geben, und doch fühlte jeder, daß der Mann mit den großen Augen
und dem weißen Haar das Steuer in eisenfester Hand hielt. Was in den
Jahren seiner Ministerthätigkeit für die Landescultur geschehen, mögen die
Badenser erzählen. Telegraphenstationen fast in jedem größeren Dorf, oft
Frauen als Beamte, Eisenbahnen fast nach aller Richtung, in welcher der
Landesverkehr lief, eine Eisenbahnbrücke auf Schiffen über den Rhein, die
Gewerbehalle in Karlsruhe u. f. w.
'

Als Frhr. v. Roggenbach sein Ministerium aufgegeben hatte und Herr
v. Edelsheim sein Nachfolger wurde, mit weit anderen Gedanken, die er zur
Zeit noch barg, da blieb Mathy neben dem andersgesinnten Mann doch im
Ministerium, weil er richtig fühlte, daß er seinen Fürsten, der ihm durch die
Berufung aus der Fremde einen so großen Beweis des Vertrauens gegeben
hatte, in der Katastrophe des Jahres 1866 nicht verlassen durfte. Er gab
damals kühnen Rath, trotz seinen östreichischen Collegen, trotz den abgeneigten
Kammern und übelbearbeiteten Soldaten. Endlich, als die östreichische Partei
jubelnd die ersten Siege über die Preußen begrüßte, legte er sein Amt in die
Hände des Großherzogs. Er selbst suchte sofort den alten Journalisten heraus
und schrieb Artikel für Preußen in süddeutsche Blätter. Nach wenigen Wochen
kam der Umschwung, er wurde zum Staatsminister ernannt und mit der
Bildung eines neuen Cabinets beauftragt. Mit dem Feuer eines Jünglings
ging er ans Werk, jetzt war der Erfüllung nahe, was er einst geträumt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/383>, abgerufen am 24.08.2024.