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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Die Anzahl der Röhrkasten jedes Schiffs belehrt uns indessen nur über
die Stärke der Armirung, nicht über die Gefechtsstärke des ganzen
Schiffs, bei welcher noch andere Factoren wie Schnelligkeit, Panzerung
u. s. w. in Betracht kommen. Allerdings werden wir bei Schiffen des
Breitseitensystems den Nachtheil, daß sie nur die Hälfte ihrer Geschütze nach
einer Richtung verwenden können, nicht mit in Rechnung ziehn dürfen, weil
ihnen auf Seiten aller jetzigen Schiffe des Pivotsystems geringere Solidität
des Ganzen und geringere Seefähigkeit entgegensteht. Dagegen werden wir
den Gefechtswerth des gezogenen Geschützes mit seiner größeren Schußweite
und Trefffähigkeit im Ganzen um 25 Procent höher veranschlagen können
als den Werth glatter Geschütze, wenn sie auch in der Nähe zum Theil ge¬
ringere Percussionskraft haben als die letzteren, und bei Einrichtung zur
Rückladung*) weniger Solidität als die glatten Geschütze besitzen. Die bis¬
herigen Bestimmungen beziehen sich auf Kanonen aus Geschützbronze-, da aber
schmiedeeiserne Geschütze, wie z. B. die englischen Armstrong-, Whitworth- und
Woolwich-Geschütze, bei gleicher Stärke bedeutend leichter sind, werden wir
bei ihnen dem Rohrgewicht etwa 25 Procent hinzurechnen müssen, und bei
den noch leichteren Gußstahlgeschützen sogar 50 Procent hinzurechnen dürfen.
Als durchschnittliche Schnelligkeit unter Dampf bei der Probefahrt (die meist
um 1--2 Knoten geringer ist als die gewöhnliche Schnelligkeit in See)
wollen wir 10 Knoten annehmen, und für jeden Knoten, den das Schiff
mehr erreicht, der Gefechtsstärke 20 Procent hinzuzählen, für jeden Knoten
weniger aber derselben 20 Procent abziehen, während wir bei Raddampfern
wegen der ungedeckten Maschinerie 60 Procent abziehn wollen. Die Steige¬
rung des Werthes durch Panzerdeckung endlich kann man trotz der Ver¬
minderung der Seefähigkeit des Schiffs bei dem in Europa gewöhnlichen
4V-zölligen Panzer (soviel wie 20V." in lauter einzölligen aufeinander ge¬
mieteten Platten) wohl auf 100 Procent veranschlagen, und überhaupt dem
Werth jedes Schiffs fünfmal soviel Procent hinzunehmen, als einzöllige
Panzerplatten für einen gleich starken Panzer nöthig wären. Die Maschinen¬
starke können wir unberücksichtigt lassen, da sie zusammen mit der mehr oder
weniger zweckmäßigen Formung des Schiffs und der Größe des Schiffs in
der Schnelligkeit ihren- Werthausdruck findet. Ebenso ist die Tonnenzahl
nicht zu berücksichtigen, da dieselbe in der Fähigkeit, mehr oder minder schwere
Maschinen, Panzerung und Geschützausrüstung zu tragen sich geltend macht
und daher durch letztere Factoren in ihrer Wichtigkeit für die Gefechtsstärke
mit repräsentirt wird. Ueberhaupt ist die Tonnenzahl an und für sich nicht



') Wir adoptiren den in Süddeutschland gebräuchlichen kürzeren Ausdruck "Rücklader"
statt des norddeutschen "Hinterlader" für eine von hinten zu labende Kanone.

Die Anzahl der Röhrkasten jedes Schiffs belehrt uns indessen nur über
die Stärke der Armirung, nicht über die Gefechtsstärke des ganzen
Schiffs, bei welcher noch andere Factoren wie Schnelligkeit, Panzerung
u. s. w. in Betracht kommen. Allerdings werden wir bei Schiffen des
Breitseitensystems den Nachtheil, daß sie nur die Hälfte ihrer Geschütze nach
einer Richtung verwenden können, nicht mit in Rechnung ziehn dürfen, weil
ihnen auf Seiten aller jetzigen Schiffe des Pivotsystems geringere Solidität
des Ganzen und geringere Seefähigkeit entgegensteht. Dagegen werden wir
den Gefechtswerth des gezogenen Geschützes mit seiner größeren Schußweite
und Trefffähigkeit im Ganzen um 25 Procent höher veranschlagen können
als den Werth glatter Geschütze, wenn sie auch in der Nähe zum Theil ge¬
ringere Percussionskraft haben als die letzteren, und bei Einrichtung zur
Rückladung*) weniger Solidität als die glatten Geschütze besitzen. Die bis¬
herigen Bestimmungen beziehen sich auf Kanonen aus Geschützbronze-, da aber
schmiedeeiserne Geschütze, wie z. B. die englischen Armstrong-, Whitworth- und
Woolwich-Geschütze, bei gleicher Stärke bedeutend leichter sind, werden wir
bei ihnen dem Rohrgewicht etwa 25 Procent hinzurechnen müssen, und bei
den noch leichteren Gußstahlgeschützen sogar 50 Procent hinzurechnen dürfen.
Als durchschnittliche Schnelligkeit unter Dampf bei der Probefahrt (die meist
um 1—2 Knoten geringer ist als die gewöhnliche Schnelligkeit in See)
wollen wir 10 Knoten annehmen, und für jeden Knoten, den das Schiff
mehr erreicht, der Gefechtsstärke 20 Procent hinzuzählen, für jeden Knoten
weniger aber derselben 20 Procent abziehen, während wir bei Raddampfern
wegen der ungedeckten Maschinerie 60 Procent abziehn wollen. Die Steige¬
rung des Werthes durch Panzerdeckung endlich kann man trotz der Ver¬
minderung der Seefähigkeit des Schiffs bei dem in Europa gewöhnlichen
4V-zölligen Panzer (soviel wie 20V." in lauter einzölligen aufeinander ge¬
mieteten Platten) wohl auf 100 Procent veranschlagen, und überhaupt dem
Werth jedes Schiffs fünfmal soviel Procent hinzunehmen, als einzöllige
Panzerplatten für einen gleich starken Panzer nöthig wären. Die Maschinen¬
starke können wir unberücksichtigt lassen, da sie zusammen mit der mehr oder
weniger zweckmäßigen Formung des Schiffs und der Größe des Schiffs in
der Schnelligkeit ihren- Werthausdruck findet. Ebenso ist die Tonnenzahl
nicht zu berücksichtigen, da dieselbe in der Fähigkeit, mehr oder minder schwere
Maschinen, Panzerung und Geschützausrüstung zu tragen sich geltend macht
und daher durch letztere Factoren in ihrer Wichtigkeit für die Gefechtsstärke
mit repräsentirt wird. Ueberhaupt ist die Tonnenzahl an und für sich nicht



') Wir adoptiren den in Süddeutschland gebräuchlichen kürzeren Ausdruck „Rücklader"
statt des norddeutschen „Hinterlader" für eine von hinten zu labende Kanone.
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[0349] Die Anzahl der Röhrkasten jedes Schiffs belehrt uns indessen nur über die Stärke der Armirung, nicht über die Gefechtsstärke des ganzen Schiffs, bei welcher noch andere Factoren wie Schnelligkeit, Panzerung u. s. w. in Betracht kommen. Allerdings werden wir bei Schiffen des Breitseitensystems den Nachtheil, daß sie nur die Hälfte ihrer Geschütze nach einer Richtung verwenden können, nicht mit in Rechnung ziehn dürfen, weil ihnen auf Seiten aller jetzigen Schiffe des Pivotsystems geringere Solidität des Ganzen und geringere Seefähigkeit entgegensteht. Dagegen werden wir den Gefechtswerth des gezogenen Geschützes mit seiner größeren Schußweite und Trefffähigkeit im Ganzen um 25 Procent höher veranschlagen können als den Werth glatter Geschütze, wenn sie auch in der Nähe zum Theil ge¬ ringere Percussionskraft haben als die letzteren, und bei Einrichtung zur Rückladung*) weniger Solidität als die glatten Geschütze besitzen. Die bis¬ herigen Bestimmungen beziehen sich auf Kanonen aus Geschützbronze-, da aber schmiedeeiserne Geschütze, wie z. B. die englischen Armstrong-, Whitworth- und Woolwich-Geschütze, bei gleicher Stärke bedeutend leichter sind, werden wir bei ihnen dem Rohrgewicht etwa 25 Procent hinzurechnen müssen, und bei den noch leichteren Gußstahlgeschützen sogar 50 Procent hinzurechnen dürfen. Als durchschnittliche Schnelligkeit unter Dampf bei der Probefahrt (die meist um 1—2 Knoten geringer ist als die gewöhnliche Schnelligkeit in See) wollen wir 10 Knoten annehmen, und für jeden Knoten, den das Schiff mehr erreicht, der Gefechtsstärke 20 Procent hinzuzählen, für jeden Knoten weniger aber derselben 20 Procent abziehen, während wir bei Raddampfern wegen der ungedeckten Maschinerie 60 Procent abziehn wollen. Die Steige¬ rung des Werthes durch Panzerdeckung endlich kann man trotz der Ver¬ minderung der Seefähigkeit des Schiffs bei dem in Europa gewöhnlichen 4V-zölligen Panzer (soviel wie 20V." in lauter einzölligen aufeinander ge¬ mieteten Platten) wohl auf 100 Procent veranschlagen, und überhaupt dem Werth jedes Schiffs fünfmal soviel Procent hinzunehmen, als einzöllige Panzerplatten für einen gleich starken Panzer nöthig wären. Die Maschinen¬ starke können wir unberücksichtigt lassen, da sie zusammen mit der mehr oder weniger zweckmäßigen Formung des Schiffs und der Größe des Schiffs in der Schnelligkeit ihren- Werthausdruck findet. Ebenso ist die Tonnenzahl nicht zu berücksichtigen, da dieselbe in der Fähigkeit, mehr oder minder schwere Maschinen, Panzerung und Geschützausrüstung zu tragen sich geltend macht und daher durch letztere Factoren in ihrer Wichtigkeit für die Gefechtsstärke mit repräsentirt wird. Ueberhaupt ist die Tonnenzahl an und für sich nicht ') Wir adoptiren den in Süddeutschland gebräuchlichen kürzeren Ausdruck „Rücklader" statt des norddeutschen „Hinterlader" für eine von hinten zu labende Kanone.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/349>, abgerufen am 22.07.2024.