Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.Die englische Flotte, deren Mannschaftsstand in den einzelnen Jahren zwi¬ Weit wichtiger aber ist es, sür das Stärkenverhältniß der Flotte 48*
Die englische Flotte, deren Mannschaftsstand in den einzelnen Jahren zwi¬ Weit wichtiger aber ist es, sür das Stärkenverhältniß der Flotte 48*
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Die englische Flotte, deren Mannschaftsstand in den einzelnen Jahren zwi¬
schen 60,000 und 80,000 Mann schwankt, kann als Factor der Macht mit voll¬
stem Recht einer Landarmee von S00.000 Mann (dem siebenfachen des wirklichen
Mannschaftsstandes) gleich geschätzt werden, namentlich da neuerdings beim
Aufkommen größerer Caliber die Mannschaft im Verhältniß zur Schiffsgröße
sehr reducirt worden ist, z. B. bei Schiffen von 6600 Tons auf 700 Mann,
während früher Schiffe von 3300 Tons 1000 Mann führten. Ueberhaupt
dürften hinsichtlich der Streitfähigkeit in der Marine die großen Panzer¬
fregatten starke Brigaden vertreten; dagegen würden Schraubenlinienschiffe
etwa schwachen Brigaden, Schraubenfregatten schwachen Regimentern von
Landarmeen entsprechen, und die Geschwader, die oft nur aus 3—4 Schiffen
der ersteren Art bestehen, sind demnach, wie es auch dem Namen Geschwader
entspricht, immerhin Abtheilungen, die mit schwachen Armeecorps der Land¬
armeen gleiche Bedeutung beanspruchen. Die englische Canalflotte und ebenso
die englische Mittelmeerflotte entsprechen factisch jede einer Observations-
armee von ein paar Armeecorps, während die Geschwader der westindischen,
der westafrikanischen, der chinesischen Station bedeutend schwächer sind, ob¬
wohl sie mit Einrechnung der Kanonenboote wenigstens ebenso viele Fahr¬
zeuge zählen und nur etwa Divisionen von Landheeren entsprechen. Was
nun die Genauigkeit der beiderseitigen Abschätzung betrifft, so wird die Ver¬
anschlagung bei der ganz verschiedenen Natur von Landarmee und Flotte
natürlich immer ungenau sein.
Weit wichtiger aber ist es, sür das Stärkenverhältniß der Flotte
jedes Staates gegenüber andren Flotten eine richtige Würdigung zu finden.
In früherer Zeit, in der Periode der Segelschiffe, war diese Abschätzung
leicht: bei allen Schiffen waren die Factoren der Sicherung vor dem Gegner,
der Abhängigkeit vom Winde, der Schnelligkeit u. s. w. bis auf die Ge¬
schützausrüstung ziemlich gleich, selbst das Caliber der letzteren war bei den
Schiffen der verschiedensten Classen nicht übermäßig verschieden, und die Ka¬
nonenzahl konnte daher mit vollem Recht als Maßstab für die Stärke
einer Flotte gelten. Die Einführung des Dampfes in der Marine und die
verschiedenen Systeme seiner Verwendung begannen aber das Verhältniß zu
ändern: ein Raddampfer war bei seiner Unabhängigkeit vom Winde viel
mehr werth als ein Segelschiff, ein Schraubendampfer bei seiner Sicherheit
vor Beschädigungen der Maschine unvergleichlich mehr werth als ein Nad¬
dampfer oder vollends ein Segelschiff. Zugleich begann die Schnelligkeit eine
Rolle zu spielen, sie ward mitwirkender Factor im Kampfe und keineswegs
blos wichtig sür den Transport der Schiffe auf den Schauplatz des Gefechts.
Der neueste Factor, welcher das Stärken Verhältniß der Flotten bedeutend
verändert hat, wenn auch seine Wichtigkeit durch den Mangel an Seefähig-
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