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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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füllen. Uns sind von seinen Gedichten nur sieben erhalten, aber selbst in
diesen geringen Resten spiegelt sich mit deutlichster Klarheit das Bild jener
bedingungslosen Hingabe, jener "Treue, die kein Wanken, der Freundschaft,
die nicht Zweifelsorge kennt", wie sie nur der wahren, tiefgefühlten Leiden¬
schaft eigen sind. Alles will er dulden von ihr und um sie, Alles mit stummer
Ergebung tragen, was ihn endlich zum ersehnten Ziele führen könnte; ja er
findet selbst, und dies ist ein in seinen Gedichten immer wiederholter Gedanke,
in Trübsal und Kränkung neue Freude, da er sie im Dienste der Liebe, in
ihrem Dienste empfangen durfte. Schon beim ersten Anblick hat sie ihn ganz
bezaubert, durch ein Lächeln, durch ein freundliches Wort ihm Sinn und
Denken genommen, ja er liebte sie schon bevor er sie gesehen und fühlt sich
glücklich in dem Bewußtsein, daß Gott ihn eigens zu ihrem Dienste er¬
schaffen habe. Ihr will er denn auch sein ganzes Leben weihen, nur von
ihr sollen seine Lieder singen und den Preis der Angebeteten aller Welt ver¬
künden. Den Namen der Geliebten verschweigt er dabei sorgsam nach Sitte
der Trobadors und ergeht sich darüber nur zuweilen in mystischen Andeutun¬
gen. So sagt er einmal: "Und wenn Ihr wollt, daß ich Euch ihren Namen
sage, keinen Taubenflügel werdet Ihr finden, auf dem er nicht ohne Fehler
geschrieben stände."

Inwiefern der Name Margarita oder Sermonda auf den Flügeln der
zarten Liebesboten sich finde, ist mir nicht bekannt und möchte die Beant¬
wortung dieser Frage dem Ornithologen eher als dem Philologen möglich sein.
Vielleicht verstanden die bösen Lauscher und Kläffer, über welche der Dichter
sich so bitter beklagt, besser, das Räthsel zu seinem Verderben zu lösen. Auf
ein Leben, das so ganz der Liebe geweiht war, folgte der Tod in ihrem
Dienste wie ein befriedigender, man möchte sagen naturgemäßer Abschluß,
und selbst die grauenvolle Mahlzeit wird gewissermaßen zum Symbol sür die
Wiedervereinigung zweier Herzen nach dem Tode, welche im Leben so fest an¬
einander gehangen.

Des Dichters Werke und des Liebenden Schicksale fanden beredten Nach¬
hall unter seinen Zeitgenossen, vielleicht daß noch jetzt, nach fast siebenhun¬
dert Jahren, ein theilnehmendes Auge auf diese Zeilen fällt, welche dem An¬
denken des edlen Trobadors geweiht sind.

Ich gebe zum Schluß zwei der Canzonen Guillems, welche eines weite¬
ren Commentars nicht bedürfen, nach meiner eigenen Übertragung*). Friedrich
Diez, der große Gelehrte, welchem Deutschland die grundlegenden Werke
über romanische Sprachwissenschaft verdankte, hat leider keines der Gedichte
Guillems vollständig in deutscher Sprache wiedergegeben.



") Eine andere -- das erwähnte "l.o clous eossirv" ist von P. Heyse vortrefflich übersehe.

füllen. Uns sind von seinen Gedichten nur sieben erhalten, aber selbst in
diesen geringen Resten spiegelt sich mit deutlichster Klarheit das Bild jener
bedingungslosen Hingabe, jener „Treue, die kein Wanken, der Freundschaft,
die nicht Zweifelsorge kennt", wie sie nur der wahren, tiefgefühlten Leiden¬
schaft eigen sind. Alles will er dulden von ihr und um sie, Alles mit stummer
Ergebung tragen, was ihn endlich zum ersehnten Ziele führen könnte; ja er
findet selbst, und dies ist ein in seinen Gedichten immer wiederholter Gedanke,
in Trübsal und Kränkung neue Freude, da er sie im Dienste der Liebe, in
ihrem Dienste empfangen durfte. Schon beim ersten Anblick hat sie ihn ganz
bezaubert, durch ein Lächeln, durch ein freundliches Wort ihm Sinn und
Denken genommen, ja er liebte sie schon bevor er sie gesehen und fühlt sich
glücklich in dem Bewußtsein, daß Gott ihn eigens zu ihrem Dienste er¬
schaffen habe. Ihr will er denn auch sein ganzes Leben weihen, nur von
ihr sollen seine Lieder singen und den Preis der Angebeteten aller Welt ver¬
künden. Den Namen der Geliebten verschweigt er dabei sorgsam nach Sitte
der Trobadors und ergeht sich darüber nur zuweilen in mystischen Andeutun¬
gen. So sagt er einmal: „Und wenn Ihr wollt, daß ich Euch ihren Namen
sage, keinen Taubenflügel werdet Ihr finden, auf dem er nicht ohne Fehler
geschrieben stände."

Inwiefern der Name Margarita oder Sermonda auf den Flügeln der
zarten Liebesboten sich finde, ist mir nicht bekannt und möchte die Beant¬
wortung dieser Frage dem Ornithologen eher als dem Philologen möglich sein.
Vielleicht verstanden die bösen Lauscher und Kläffer, über welche der Dichter
sich so bitter beklagt, besser, das Räthsel zu seinem Verderben zu lösen. Auf
ein Leben, das so ganz der Liebe geweiht war, folgte der Tod in ihrem
Dienste wie ein befriedigender, man möchte sagen naturgemäßer Abschluß,
und selbst die grauenvolle Mahlzeit wird gewissermaßen zum Symbol sür die
Wiedervereinigung zweier Herzen nach dem Tode, welche im Leben so fest an¬
einander gehangen.

Des Dichters Werke und des Liebenden Schicksale fanden beredten Nach¬
hall unter seinen Zeitgenossen, vielleicht daß noch jetzt, nach fast siebenhun¬
dert Jahren, ein theilnehmendes Auge auf diese Zeilen fällt, welche dem An¬
denken des edlen Trobadors geweiht sind.

Ich gebe zum Schluß zwei der Canzonen Guillems, welche eines weite¬
ren Commentars nicht bedürfen, nach meiner eigenen Übertragung*). Friedrich
Diez, der große Gelehrte, welchem Deutschland die grundlegenden Werke
über romanische Sprachwissenschaft verdankte, hat leider keines der Gedichte
Guillems vollständig in deutscher Sprache wiedergegeben.



") Eine andere — das erwähnte „l.o clous eossirv" ist von P. Heyse vortrefflich übersehe.
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[0270] füllen. Uns sind von seinen Gedichten nur sieben erhalten, aber selbst in diesen geringen Resten spiegelt sich mit deutlichster Klarheit das Bild jener bedingungslosen Hingabe, jener „Treue, die kein Wanken, der Freundschaft, die nicht Zweifelsorge kennt", wie sie nur der wahren, tiefgefühlten Leiden¬ schaft eigen sind. Alles will er dulden von ihr und um sie, Alles mit stummer Ergebung tragen, was ihn endlich zum ersehnten Ziele führen könnte; ja er findet selbst, und dies ist ein in seinen Gedichten immer wiederholter Gedanke, in Trübsal und Kränkung neue Freude, da er sie im Dienste der Liebe, in ihrem Dienste empfangen durfte. Schon beim ersten Anblick hat sie ihn ganz bezaubert, durch ein Lächeln, durch ein freundliches Wort ihm Sinn und Denken genommen, ja er liebte sie schon bevor er sie gesehen und fühlt sich glücklich in dem Bewußtsein, daß Gott ihn eigens zu ihrem Dienste er¬ schaffen habe. Ihr will er denn auch sein ganzes Leben weihen, nur von ihr sollen seine Lieder singen und den Preis der Angebeteten aller Welt ver¬ künden. Den Namen der Geliebten verschweigt er dabei sorgsam nach Sitte der Trobadors und ergeht sich darüber nur zuweilen in mystischen Andeutun¬ gen. So sagt er einmal: „Und wenn Ihr wollt, daß ich Euch ihren Namen sage, keinen Taubenflügel werdet Ihr finden, auf dem er nicht ohne Fehler geschrieben stände." Inwiefern der Name Margarita oder Sermonda auf den Flügeln der zarten Liebesboten sich finde, ist mir nicht bekannt und möchte die Beant¬ wortung dieser Frage dem Ornithologen eher als dem Philologen möglich sein. Vielleicht verstanden die bösen Lauscher und Kläffer, über welche der Dichter sich so bitter beklagt, besser, das Räthsel zu seinem Verderben zu lösen. Auf ein Leben, das so ganz der Liebe geweiht war, folgte der Tod in ihrem Dienste wie ein befriedigender, man möchte sagen naturgemäßer Abschluß, und selbst die grauenvolle Mahlzeit wird gewissermaßen zum Symbol sür die Wiedervereinigung zweier Herzen nach dem Tode, welche im Leben so fest an¬ einander gehangen. Des Dichters Werke und des Liebenden Schicksale fanden beredten Nach¬ hall unter seinen Zeitgenossen, vielleicht daß noch jetzt, nach fast siebenhun¬ dert Jahren, ein theilnehmendes Auge auf diese Zeilen fällt, welche dem An¬ denken des edlen Trobadors geweiht sind. Ich gebe zum Schluß zwei der Canzonen Guillems, welche eines weite¬ ren Commentars nicht bedürfen, nach meiner eigenen Übertragung*). Friedrich Diez, der große Gelehrte, welchem Deutschland die grundlegenden Werke über romanische Sprachwissenschaft verdankte, hat leider keines der Gedichte Guillems vollständig in deutscher Sprache wiedergegeben. ") Eine andere — das erwähnte „l.o clous eossirv" ist von P. Heyse vortrefflich übersehe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/270>, abgerufen am 03.07.2024.