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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Statuen (besonders auf Postamenten derselben in den römischen Colonien
des nördlichen Afrika): sie steigen von 3000 bis 8000 Sesterzen (217--ö80Thlr.).
Gegenwärtig kann mit solchen Summen außer dem Material und Transport
höchstens die gröbste Arbeit bezahlt werden. In Carrara selbst kostet z. B.
ein Marmorblock für eine lebensgroße Statue (mit wenig Ausladung) von
.der besten Sorte etwa 200, von der zweiten Sorte etwa 100 Thaler, ein
Block für eine colossale Statue, mit Einschluß der Bezahlung des Brechens,
600 Thaler, dessen Transport bis Berlin ebensoviel. Dürfen wir annehmen,
daß die antiken Preise des Materials und Transports von den modernen
nicht sehr differirten, so ist offenbar, daß die Bildhauer in der Regel nur wie
Handwerker bezahlt wurden, besonders da die Mehrzahl der Ehrenstatuen
allem Anschein nach nicht viel mehr kosteten, als die niedrigste angegebene
Summe. Aber nicht nur in der Bildhauerei, sondern in allen zur Verschö¬
nerung der Wohnungen so massenhaft verwendeten Künsten mußte die Massen-
Production ebensosehr den Preis der Arbeit Herabdrücken, als die ohnehin
nicht scharf gezogene Grenze zwischen Handwerk und Kunst immer mehr ver¬
wischen.

Die Pracht der baulichen Ausstattung, die Anwendung des Marmors
und anderer edler Steinarten und Materials, der Vergoldung und des Elfen¬
beins, die Höhe und Weite der Räume, die Verwendung der Säulen an der
Front und im Innern -- alles dies ist^in Rom verhältnißmäßig spät aus¬
gekommen. Im Todesjahr Sullas 78 v. Chr. gab es nur einzelne palast¬
artige Privathäuser in Rom, 35 Jahre später, im Todesjahr Cäsars (44
v. Chr.) bereits über 100. Plinius berichtet diese rapide Zunahme des Bau¬
luxus als eins der größten Wunder in der Geschichte der Stadt Rom, nicht
ohne nach seiner Art eine Sentenz über die Eitelkeit alles Irdischen hinzu¬
zufügen. Das Wunderbare ist vielmehr, daß Rom, seiner Bedeutung nach
schon längst die erste Stadt der alten Welt, bis dahin in baulicher Hinsicht
so ungemein zurückgeblieben war, so daß Veränderungen, wie sie sonst in
aufblühenden Städten mehr allmählich aufzutreten pflegen, Veränderungen,
wie sie Macaulay in den englischen Städten seit dem Ende des 17. Jahr¬
hunderts mehrfach nachgewiesen hat, nun in dem kurzen Zeitraum eines
Menschenalters erfolgte. Jene fünfunddreißig Jahre waren eine Zeit der
größten Eroberungen und Erwerbungen im Orient und Occident. In diesen
Kriegen raubten und erbeuteten Feldherren, Officiere, Civilbeamte und Ge¬
schäftsmänner ungeheure Reichthümer (Demetrius, der Freigelassene des Pom-
Pejus, z. B. hinterließ 6 Millionen Thaler), die zum Theil zu den glänzend-
sten öffentlichen Bauten verwendet wurden, deren Pracht sich dann aber schnell
den Privatbauten mittheilte. Einen neuen großartigen Aufschwung nahm
das Bauwesen nach der Schlacht bei Antium, nicht blos in Folge des durch


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Statuen (besonders auf Postamenten derselben in den römischen Colonien
des nördlichen Afrika): sie steigen von 3000 bis 8000 Sesterzen (217—ö80Thlr.).
Gegenwärtig kann mit solchen Summen außer dem Material und Transport
höchstens die gröbste Arbeit bezahlt werden. In Carrara selbst kostet z. B.
ein Marmorblock für eine lebensgroße Statue (mit wenig Ausladung) von
.der besten Sorte etwa 200, von der zweiten Sorte etwa 100 Thaler, ein
Block für eine colossale Statue, mit Einschluß der Bezahlung des Brechens,
600 Thaler, dessen Transport bis Berlin ebensoviel. Dürfen wir annehmen,
daß die antiken Preise des Materials und Transports von den modernen
nicht sehr differirten, so ist offenbar, daß die Bildhauer in der Regel nur wie
Handwerker bezahlt wurden, besonders da die Mehrzahl der Ehrenstatuen
allem Anschein nach nicht viel mehr kosteten, als die niedrigste angegebene
Summe. Aber nicht nur in der Bildhauerei, sondern in allen zur Verschö¬
nerung der Wohnungen so massenhaft verwendeten Künsten mußte die Massen-
Production ebensosehr den Preis der Arbeit Herabdrücken, als die ohnehin
nicht scharf gezogene Grenze zwischen Handwerk und Kunst immer mehr ver¬
wischen.

Die Pracht der baulichen Ausstattung, die Anwendung des Marmors
und anderer edler Steinarten und Materials, der Vergoldung und des Elfen¬
beins, die Höhe und Weite der Räume, die Verwendung der Säulen an der
Front und im Innern — alles dies ist^in Rom verhältnißmäßig spät aus¬
gekommen. Im Todesjahr Sullas 78 v. Chr. gab es nur einzelne palast¬
artige Privathäuser in Rom, 35 Jahre später, im Todesjahr Cäsars (44
v. Chr.) bereits über 100. Plinius berichtet diese rapide Zunahme des Bau¬
luxus als eins der größten Wunder in der Geschichte der Stadt Rom, nicht
ohne nach seiner Art eine Sentenz über die Eitelkeit alles Irdischen hinzu¬
zufügen. Das Wunderbare ist vielmehr, daß Rom, seiner Bedeutung nach
schon längst die erste Stadt der alten Welt, bis dahin in baulicher Hinsicht
so ungemein zurückgeblieben war, so daß Veränderungen, wie sie sonst in
aufblühenden Städten mehr allmählich aufzutreten pflegen, Veränderungen,
wie sie Macaulay in den englischen Städten seit dem Ende des 17. Jahr¬
hunderts mehrfach nachgewiesen hat, nun in dem kurzen Zeitraum eines
Menschenalters erfolgte. Jene fünfunddreißig Jahre waren eine Zeit der
größten Eroberungen und Erwerbungen im Orient und Occident. In diesen
Kriegen raubten und erbeuteten Feldherren, Officiere, Civilbeamte und Ge¬
schäftsmänner ungeheure Reichthümer (Demetrius, der Freigelassene des Pom-
Pejus, z. B. hinterließ 6 Millionen Thaler), die zum Theil zu den glänzend-
sten öffentlichen Bauten verwendet wurden, deren Pracht sich dann aber schnell
den Privatbauten mittheilte. Einen neuen großartigen Aufschwung nahm
das Bauwesen nach der Schlacht bei Antium, nicht blos in Folge des durch


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[0219] Statuen (besonders auf Postamenten derselben in den römischen Colonien des nördlichen Afrika): sie steigen von 3000 bis 8000 Sesterzen (217—ö80Thlr.). Gegenwärtig kann mit solchen Summen außer dem Material und Transport höchstens die gröbste Arbeit bezahlt werden. In Carrara selbst kostet z. B. ein Marmorblock für eine lebensgroße Statue (mit wenig Ausladung) von .der besten Sorte etwa 200, von der zweiten Sorte etwa 100 Thaler, ein Block für eine colossale Statue, mit Einschluß der Bezahlung des Brechens, 600 Thaler, dessen Transport bis Berlin ebensoviel. Dürfen wir annehmen, daß die antiken Preise des Materials und Transports von den modernen nicht sehr differirten, so ist offenbar, daß die Bildhauer in der Regel nur wie Handwerker bezahlt wurden, besonders da die Mehrzahl der Ehrenstatuen allem Anschein nach nicht viel mehr kosteten, als die niedrigste angegebene Summe. Aber nicht nur in der Bildhauerei, sondern in allen zur Verschö¬ nerung der Wohnungen so massenhaft verwendeten Künsten mußte die Massen- Production ebensosehr den Preis der Arbeit Herabdrücken, als die ohnehin nicht scharf gezogene Grenze zwischen Handwerk und Kunst immer mehr ver¬ wischen. Die Pracht der baulichen Ausstattung, die Anwendung des Marmors und anderer edler Steinarten und Materials, der Vergoldung und des Elfen¬ beins, die Höhe und Weite der Räume, die Verwendung der Säulen an der Front und im Innern — alles dies ist^in Rom verhältnißmäßig spät aus¬ gekommen. Im Todesjahr Sullas 78 v. Chr. gab es nur einzelne palast¬ artige Privathäuser in Rom, 35 Jahre später, im Todesjahr Cäsars (44 v. Chr.) bereits über 100. Plinius berichtet diese rapide Zunahme des Bau¬ luxus als eins der größten Wunder in der Geschichte der Stadt Rom, nicht ohne nach seiner Art eine Sentenz über die Eitelkeit alles Irdischen hinzu¬ zufügen. Das Wunderbare ist vielmehr, daß Rom, seiner Bedeutung nach schon längst die erste Stadt der alten Welt, bis dahin in baulicher Hinsicht so ungemein zurückgeblieben war, so daß Veränderungen, wie sie sonst in aufblühenden Städten mehr allmählich aufzutreten pflegen, Veränderungen, wie sie Macaulay in den englischen Städten seit dem Ende des 17. Jahr¬ hunderts mehrfach nachgewiesen hat, nun in dem kurzen Zeitraum eines Menschenalters erfolgte. Jene fünfunddreißig Jahre waren eine Zeit der größten Eroberungen und Erwerbungen im Orient und Occident. In diesen Kriegen raubten und erbeuteten Feldherren, Officiere, Civilbeamte und Ge¬ schäftsmänner ungeheure Reichthümer (Demetrius, der Freigelassene des Pom- Pejus, z. B. hinterließ 6 Millionen Thaler), die zum Theil zu den glänzend- sten öffentlichen Bauten verwendet wurden, deren Pracht sich dann aber schnell den Privatbauten mittheilte. Einen neuen großartigen Aufschwung nahm das Bauwesen nach der Schlacht bei Antium, nicht blos in Folge des durch 27*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/219>, abgerufen am 26.06.2024.