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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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treulose, gewinnsüchtige" Preußen geschoben, durch welches das Reich vernichtet
worden sei. Der von den nationalen Historikern neuerdings genügend ins
rechte Licht gestellte Basler Friede muß den bereits etwas trivial geworde¬
nen Stoff für diese Ausführungen hergeben, in denen gedachter Friedens¬
schluß u. A. "schimpflicher als der Rheinbund" genannt wird. Daß gelegent¬
lich die Säcularisation der geistlichen Güter beVlagt wird, dürfte allerdings
nicht ganz im Sinne des echten weißgelben Patriotismus gesprochen sein:
doch darf nicht vergessen werden, daß Herr Ouro Klopp durch seine Bei¬
träge für die gelben Blätter und durch sein Buch über Tilly und Gustav
Adolf bei den ultramentanen Koryphäen einen Credit erworben hat, den
sich zu erhalten er gerade jetzt bemüht fein muß. Wohl auch aus diesem
Grunde wird Karl V. in seiner Stellung zu den protestantischen Fürsten,
Philipp II. im Gegensatz zu Wilhelm von Oranien gelobt. Von der Kata¬
strophe von Jena springt der Verfasser alsbald auf die, wie er sagt, "bei
allen Deutschen Mißtrauen erregende" Politik Preußens nach dem Befrei¬
ungskriege über. Von der großartigen Reorganisation Preußens unter Stein
und dessen Genossen, von der Errettung Deutschlands durch die Erhebung des
preußischen Volks -- diesem glorreichsten Stück der neueren deutschen Ge¬
schichte -- findet sich kein Wort. "Durch den latenten Friedericianismus sei
planmäßig Oestreich der Boden untergraben worden." Nun, die trotz aller
politischen Reaction in dem Vierteljahrhundert nach dem pariser Frieden in
Preußen entwickelte wissenschaftliche Cultur und die Begründung des Zollver¬
eins in dieser Zeit -- das waren keine latenten Machinationen, sondern glän¬
zende Fortschritte zum Siege über das den Deutschen durch eigene Schuld
entfremdete und bis 1848 von keiner lebendigen Idee der Zeit berührte Oest¬
reich. Eine Mission Preußens erkennt O. Klopp nicht oder will sie nicht
erkennen, obgleich sie für jeden Unbefangenen handgreiflich ist, und für den
Historiker in der welthistorischen Mission der Römer, der Franken, der Deut¬
schen in der Reformation, der Franzosen in der Revolutionsperiode u. s. w.
Analogien findet. Ueberall wurde früher berechtigt gewesenen Staaten und
Zuständen "der Boden untergraben", überall altes unerträglich oder unfrucht¬
bar gewordenes Recht durch Politik und Gewalt gebrochen, um gebundenen
Kräften zu neuem wirksamen Leben zu verhelfen.''

Davon wird bei Klopp abgesehen; der Verfasser beschäftigt sich lieber mit
der "Corruption", welche die deutsche Bildung in Beurtheilung der Habs¬
burger gezeigt habe. "Keine Großmacht der Erde kann mit solcher moralischen
Zuversicht auf ihre Geschichte blicken, als die der Habsburger." Herr Klopp
spricht ein großes Wort aus. Es ist wahr, das Glück hat in den ältern Zeiten
seit Rudolf I. den Habsburgern manche Arbeit erspart, mit der sich andere Für¬
sten in der Geschichte emporarbeiten mußten. Wenn man aber z. B- an die


treulose, gewinnsüchtige" Preußen geschoben, durch welches das Reich vernichtet
worden sei. Der von den nationalen Historikern neuerdings genügend ins
rechte Licht gestellte Basler Friede muß den bereits etwas trivial geworde¬
nen Stoff für diese Ausführungen hergeben, in denen gedachter Friedens¬
schluß u. A. „schimpflicher als der Rheinbund" genannt wird. Daß gelegent¬
lich die Säcularisation der geistlichen Güter beVlagt wird, dürfte allerdings
nicht ganz im Sinne des echten weißgelben Patriotismus gesprochen sein:
doch darf nicht vergessen werden, daß Herr Ouro Klopp durch seine Bei¬
träge für die gelben Blätter und durch sein Buch über Tilly und Gustav
Adolf bei den ultramentanen Koryphäen einen Credit erworben hat, den
sich zu erhalten er gerade jetzt bemüht fein muß. Wohl auch aus diesem
Grunde wird Karl V. in seiner Stellung zu den protestantischen Fürsten,
Philipp II. im Gegensatz zu Wilhelm von Oranien gelobt. Von der Kata¬
strophe von Jena springt der Verfasser alsbald auf die, wie er sagt, „bei
allen Deutschen Mißtrauen erregende" Politik Preußens nach dem Befrei¬
ungskriege über. Von der großartigen Reorganisation Preußens unter Stein
und dessen Genossen, von der Errettung Deutschlands durch die Erhebung des
preußischen Volks — diesem glorreichsten Stück der neueren deutschen Ge¬
schichte — findet sich kein Wort. „Durch den latenten Friedericianismus sei
planmäßig Oestreich der Boden untergraben worden." Nun, die trotz aller
politischen Reaction in dem Vierteljahrhundert nach dem pariser Frieden in
Preußen entwickelte wissenschaftliche Cultur und die Begründung des Zollver¬
eins in dieser Zeit — das waren keine latenten Machinationen, sondern glän¬
zende Fortschritte zum Siege über das den Deutschen durch eigene Schuld
entfremdete und bis 1848 von keiner lebendigen Idee der Zeit berührte Oest¬
reich. Eine Mission Preußens erkennt O. Klopp nicht oder will sie nicht
erkennen, obgleich sie für jeden Unbefangenen handgreiflich ist, und für den
Historiker in der welthistorischen Mission der Römer, der Franken, der Deut¬
schen in der Reformation, der Franzosen in der Revolutionsperiode u. s. w.
Analogien findet. Ueberall wurde früher berechtigt gewesenen Staaten und
Zuständen „der Boden untergraben", überall altes unerträglich oder unfrucht¬
bar gewordenes Recht durch Politik und Gewalt gebrochen, um gebundenen
Kräften zu neuem wirksamen Leben zu verhelfen.''

Davon wird bei Klopp abgesehen; der Verfasser beschäftigt sich lieber mit
der „Corruption", welche die deutsche Bildung in Beurtheilung der Habs¬
burger gezeigt habe. „Keine Großmacht der Erde kann mit solcher moralischen
Zuversicht auf ihre Geschichte blicken, als die der Habsburger." Herr Klopp
spricht ein großes Wort aus. Es ist wahr, das Glück hat in den ältern Zeiten
seit Rudolf I. den Habsburgern manche Arbeit erspart, mit der sich andere Für¬
sten in der Geschichte emporarbeiten mußten. Wenn man aber z. B- an die


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[0119] treulose, gewinnsüchtige" Preußen geschoben, durch welches das Reich vernichtet worden sei. Der von den nationalen Historikern neuerdings genügend ins rechte Licht gestellte Basler Friede muß den bereits etwas trivial geworde¬ nen Stoff für diese Ausführungen hergeben, in denen gedachter Friedens¬ schluß u. A. „schimpflicher als der Rheinbund" genannt wird. Daß gelegent¬ lich die Säcularisation der geistlichen Güter beVlagt wird, dürfte allerdings nicht ganz im Sinne des echten weißgelben Patriotismus gesprochen sein: doch darf nicht vergessen werden, daß Herr Ouro Klopp durch seine Bei¬ träge für die gelben Blätter und durch sein Buch über Tilly und Gustav Adolf bei den ultramentanen Koryphäen einen Credit erworben hat, den sich zu erhalten er gerade jetzt bemüht fein muß. Wohl auch aus diesem Grunde wird Karl V. in seiner Stellung zu den protestantischen Fürsten, Philipp II. im Gegensatz zu Wilhelm von Oranien gelobt. Von der Kata¬ strophe von Jena springt der Verfasser alsbald auf die, wie er sagt, „bei allen Deutschen Mißtrauen erregende" Politik Preußens nach dem Befrei¬ ungskriege über. Von der großartigen Reorganisation Preußens unter Stein und dessen Genossen, von der Errettung Deutschlands durch die Erhebung des preußischen Volks — diesem glorreichsten Stück der neueren deutschen Ge¬ schichte — findet sich kein Wort. „Durch den latenten Friedericianismus sei planmäßig Oestreich der Boden untergraben worden." Nun, die trotz aller politischen Reaction in dem Vierteljahrhundert nach dem pariser Frieden in Preußen entwickelte wissenschaftliche Cultur und die Begründung des Zollver¬ eins in dieser Zeit — das waren keine latenten Machinationen, sondern glän¬ zende Fortschritte zum Siege über das den Deutschen durch eigene Schuld entfremdete und bis 1848 von keiner lebendigen Idee der Zeit berührte Oest¬ reich. Eine Mission Preußens erkennt O. Klopp nicht oder will sie nicht erkennen, obgleich sie für jeden Unbefangenen handgreiflich ist, und für den Historiker in der welthistorischen Mission der Römer, der Franken, der Deut¬ schen in der Reformation, der Franzosen in der Revolutionsperiode u. s. w. Analogien findet. Ueberall wurde früher berechtigt gewesenen Staaten und Zuständen „der Boden untergraben", überall altes unerträglich oder unfrucht¬ bar gewordenes Recht durch Politik und Gewalt gebrochen, um gebundenen Kräften zu neuem wirksamen Leben zu verhelfen.'' Davon wird bei Klopp abgesehen; der Verfasser beschäftigt sich lieber mit der „Corruption", welche die deutsche Bildung in Beurtheilung der Habs¬ burger gezeigt habe. „Keine Großmacht der Erde kann mit solcher moralischen Zuversicht auf ihre Geschichte blicken, als die der Habsburger." Herr Klopp spricht ein großes Wort aus. Es ist wahr, das Glück hat in den ältern Zeiten seit Rudolf I. den Habsburgern manche Arbeit erspart, mit der sich andere Für¬ sten in der Geschichte emporarbeiten mußten. Wenn man aber z. B- an die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/119>, abgerufen am 22.07.2024.