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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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schaftliche Production liegt offen zu Tage, ihr Reinertrag ist in jedem einzelnen
Falle mit großer Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Wie aber will man con-
statiren, wie viel von diesem Reinertrage der Landwirth nach außen absetzt, wie¬
viel er im eigenen Haushalt verbraucht? Gesetzt auch, die Bauern eines Dorfes
wären, begünstigt durch die Lage der Verhältnisse, im Stande, einander bis ins
einzelnste zu controliren, -- wie aber sollen sie den Gesammtaufwand eines in
ihrer Mitte lebenden reichen Gutsbesitzers abschätzen, der sich Genüsse verschafft,
von denen sie vielleicht nie eine Ahnung gehabt? Auch in der Region der
Gewerbe scheint uns die Berechnung des Einkommens sicherer zu bewerkstelligen,
als die des Verbrauchs; nur bei Abschätzung der ausschließlich sogenannten Ka¬
pitalisten mögen die Umstände der letzteren das Wort reden. -- Kein Zweifel:
im Allgemeinen würde die Besteuerung auf Grund der Abschätzung der Gesammt-
ausgaben zu mancher Härte führen müssen, und besonders gegen die untere
Klasse. Denn je kleiner der Spielraum, der dem Einzelnen für seine über die
Befriedigung der nothwendigsten Lebensbedürfnisse hinausgehenden Verwendungen
abgesteckt ist, desto leichter und sicherer werden seine Ausgaben controlirbar sein,
-- je größer, desto schwieriger und unsicherer. Dazu kommt, daß Mancher --
wie die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse heute nun einmal besteht --
im Interesse seiner Stellung gezwungen sein wird, gewisse ostensible Ausgaben
zu machen, während er in andern der öffentlichen Beurtheilung entzogenen
Verwendungen karge. Wird hier eine Schätzung, die sich nur an den öffentlich
sichtbaren Aufwand halten kann, zu einem gerechten Resultate führen?

Nach dieser ganzen Ausführung ist klar, daß wir nicht gewillt sein können,
das Prinzip der Beschatzung nach dem reinen Einkommen zu Gunsten der all¬
gemeinen Verbrauchssteuer zu opfern. Pfeiffer indeß ist schon im Voraus nicht
im Zweifel darüber, welcher Widerspruch seinem Vorschlage entgegentreten wird.
Er ist.deshalb vorläufig zufrieden, wenn die allgemeine Verbrauchsteuer an die
Stelle der bisherigen Aufschlagsteucrn tritt, die übrigen Schätzungen aber durch
die allgemeine Einkommensteuer ersetzt werden. Auch verlangt er nicht plötzliche
und rücksichtslose Aenderung, sondern begnügt sich mit der allmäligen Einführung
dieser Neuerung. -- Es würde dieser Combination dasselbe Prinzip, wie der bis¬
herigen Combination zwischen Schatzungs- und Ausschlagsystem zu Grunde liegen.
Allein, daß wir die allgemeine Einkommensteuer nicht zu befürworten vermögen, ist
bereits erwähnt. Es fragt sich, ob wir einer allgemeinen Verbrauchsteuer gegen¬
über andrer Ansicht sein können. Unleugbar ist es eine der größten Schwierig¬
keiten des Aufschlagsystems, eine richtige Wahl der zu belegenden Gegenstände
zu treffen. Indeß, es bleibt bei der Verschiedenheit der Objecte doch immer
die Hoffnung, was auf der einen Seite gesündigt wurde, auf der andern
wieder gut zu machen. Nichts dagegen von dieser Hoffnung, wo der gesammte
Verbrauch unter eine einzige Steuer fällt. Ist diese einmal falsch gegriffen, so


schaftliche Production liegt offen zu Tage, ihr Reinertrag ist in jedem einzelnen
Falle mit großer Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Wie aber will man con-
statiren, wie viel von diesem Reinertrage der Landwirth nach außen absetzt, wie¬
viel er im eigenen Haushalt verbraucht? Gesetzt auch, die Bauern eines Dorfes
wären, begünstigt durch die Lage der Verhältnisse, im Stande, einander bis ins
einzelnste zu controliren, — wie aber sollen sie den Gesammtaufwand eines in
ihrer Mitte lebenden reichen Gutsbesitzers abschätzen, der sich Genüsse verschafft,
von denen sie vielleicht nie eine Ahnung gehabt? Auch in der Region der
Gewerbe scheint uns die Berechnung des Einkommens sicherer zu bewerkstelligen,
als die des Verbrauchs; nur bei Abschätzung der ausschließlich sogenannten Ka¬
pitalisten mögen die Umstände der letzteren das Wort reden. — Kein Zweifel:
im Allgemeinen würde die Besteuerung auf Grund der Abschätzung der Gesammt-
ausgaben zu mancher Härte führen müssen, und besonders gegen die untere
Klasse. Denn je kleiner der Spielraum, der dem Einzelnen für seine über die
Befriedigung der nothwendigsten Lebensbedürfnisse hinausgehenden Verwendungen
abgesteckt ist, desto leichter und sicherer werden seine Ausgaben controlirbar sein,
— je größer, desto schwieriger und unsicherer. Dazu kommt, daß Mancher —
wie die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse heute nun einmal besteht —
im Interesse seiner Stellung gezwungen sein wird, gewisse ostensible Ausgaben
zu machen, während er in andern der öffentlichen Beurtheilung entzogenen
Verwendungen karge. Wird hier eine Schätzung, die sich nur an den öffentlich
sichtbaren Aufwand halten kann, zu einem gerechten Resultate führen?

Nach dieser ganzen Ausführung ist klar, daß wir nicht gewillt sein können,
das Prinzip der Beschatzung nach dem reinen Einkommen zu Gunsten der all¬
gemeinen Verbrauchssteuer zu opfern. Pfeiffer indeß ist schon im Voraus nicht
im Zweifel darüber, welcher Widerspruch seinem Vorschlage entgegentreten wird.
Er ist.deshalb vorläufig zufrieden, wenn die allgemeine Verbrauchsteuer an die
Stelle der bisherigen Aufschlagsteucrn tritt, die übrigen Schätzungen aber durch
die allgemeine Einkommensteuer ersetzt werden. Auch verlangt er nicht plötzliche
und rücksichtslose Aenderung, sondern begnügt sich mit der allmäligen Einführung
dieser Neuerung. — Es würde dieser Combination dasselbe Prinzip, wie der bis¬
herigen Combination zwischen Schatzungs- und Ausschlagsystem zu Grunde liegen.
Allein, daß wir die allgemeine Einkommensteuer nicht zu befürworten vermögen, ist
bereits erwähnt. Es fragt sich, ob wir einer allgemeinen Verbrauchsteuer gegen¬
über andrer Ansicht sein können. Unleugbar ist es eine der größten Schwierig¬
keiten des Aufschlagsystems, eine richtige Wahl der zu belegenden Gegenstände
zu treffen. Indeß, es bleibt bei der Verschiedenheit der Objecte doch immer
die Hoffnung, was auf der einen Seite gesündigt wurde, auf der andern
wieder gut zu machen. Nichts dagegen von dieser Hoffnung, wo der gesammte
Verbrauch unter eine einzige Steuer fällt. Ist diese einmal falsch gegriffen, so


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[0506] schaftliche Production liegt offen zu Tage, ihr Reinertrag ist in jedem einzelnen Falle mit großer Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Wie aber will man con- statiren, wie viel von diesem Reinertrage der Landwirth nach außen absetzt, wie¬ viel er im eigenen Haushalt verbraucht? Gesetzt auch, die Bauern eines Dorfes wären, begünstigt durch die Lage der Verhältnisse, im Stande, einander bis ins einzelnste zu controliren, — wie aber sollen sie den Gesammtaufwand eines in ihrer Mitte lebenden reichen Gutsbesitzers abschätzen, der sich Genüsse verschafft, von denen sie vielleicht nie eine Ahnung gehabt? Auch in der Region der Gewerbe scheint uns die Berechnung des Einkommens sicherer zu bewerkstelligen, als die des Verbrauchs; nur bei Abschätzung der ausschließlich sogenannten Ka¬ pitalisten mögen die Umstände der letzteren das Wort reden. — Kein Zweifel: im Allgemeinen würde die Besteuerung auf Grund der Abschätzung der Gesammt- ausgaben zu mancher Härte führen müssen, und besonders gegen die untere Klasse. Denn je kleiner der Spielraum, der dem Einzelnen für seine über die Befriedigung der nothwendigsten Lebensbedürfnisse hinausgehenden Verwendungen abgesteckt ist, desto leichter und sicherer werden seine Ausgaben controlirbar sein, — je größer, desto schwieriger und unsicherer. Dazu kommt, daß Mancher — wie die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse heute nun einmal besteht — im Interesse seiner Stellung gezwungen sein wird, gewisse ostensible Ausgaben zu machen, während er in andern der öffentlichen Beurtheilung entzogenen Verwendungen karge. Wird hier eine Schätzung, die sich nur an den öffentlich sichtbaren Aufwand halten kann, zu einem gerechten Resultate führen? Nach dieser ganzen Ausführung ist klar, daß wir nicht gewillt sein können, das Prinzip der Beschatzung nach dem reinen Einkommen zu Gunsten der all¬ gemeinen Verbrauchssteuer zu opfern. Pfeiffer indeß ist schon im Voraus nicht im Zweifel darüber, welcher Widerspruch seinem Vorschlage entgegentreten wird. Er ist.deshalb vorläufig zufrieden, wenn die allgemeine Verbrauchsteuer an die Stelle der bisherigen Aufschlagsteucrn tritt, die übrigen Schätzungen aber durch die allgemeine Einkommensteuer ersetzt werden. Auch verlangt er nicht plötzliche und rücksichtslose Aenderung, sondern begnügt sich mit der allmäligen Einführung dieser Neuerung. — Es würde dieser Combination dasselbe Prinzip, wie der bis¬ herigen Combination zwischen Schatzungs- und Ausschlagsystem zu Grunde liegen. Allein, daß wir die allgemeine Einkommensteuer nicht zu befürworten vermögen, ist bereits erwähnt. Es fragt sich, ob wir einer allgemeinen Verbrauchsteuer gegen¬ über andrer Ansicht sein können. Unleugbar ist es eine der größten Schwierig¬ keiten des Aufschlagsystems, eine richtige Wahl der zu belegenden Gegenstände zu treffen. Indeß, es bleibt bei der Verschiedenheit der Objecte doch immer die Hoffnung, was auf der einen Seite gesündigt wurde, auf der andern wieder gut zu machen. Nichts dagegen von dieser Hoffnung, wo der gesammte Verbrauch unter eine einzige Steuer fällt. Ist diese einmal falsch gegriffen, so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/506>, abgerufen am 20.10.2024.