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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Schleswig, Generat von Manteuffel, seine famosen sievenfüßigen Reden hielt,
die den Dänen jede Hoffnung der Rückkehr zum Insel-Reich abschneiden zu
sollen schienen; da begann für sie Preußen der Inbegriff alles Bösen und
Hassenswcrthen zu werden, während die Deutschen im Norden eher als die
Sübschleswigerund namentlich als die Hvlsteiner ansingen, den Werth der preußischen
Macht für alle nationalen Interessen zu würdigen. Bei ihnen brauchte daher
der glorreiche Ausgang des preußisch-östreichischen Entscheidungskampfes um die
Führung in Deutschland nicht viel Bekehrungen mehr zu machen. Niemand
im außerpreußischen Deutschland wäre zufriedener als sie mit diesem Abschluß
des lange unentschiedenen Ringens gewesen, hätte der nikolsburg-prager Friede,
der denselben besiegelte, nicht nebenher in seinem Schoße einen Erisapfel, eine
Wiedererweckung des kaum begrabenen deutsch-dänischen Streits getragen, und
sie ganz unerwartet, während überall anderswo in Deutschtand bis nach
Schleswig hinein eine dauernde befriedigende Ruhe einzukehren versprach, in die
peinlichste Sorge und Ungewißheit der Zukunft zurückgestoßen.

Was aber für die Deutschen in Nordschleswig wie das Wiederabtreiben
eines um sein Leben schwimmenden Mannes vom rettenden Ufer war, das
wurde natürlich für die dortigen Dänen zum Ausgangspunkt neuer kaum noch für
möglich gehaltener Hoffnungen. Den glimmenden Funken ihres Nationalbe¬
wußtseins und politischen Strebens sachte der Artikel V. des prager Friedens
zu hellen Flammen an, und die Dänen im Königreich sorgten, daß es diesem
Feuer nicht an Nahrung fehle. Allsonntäglich fuhren Dampfschiffe mit Hun¬
derten von Dänen über den kleinen Belt herüber und hinüber, um unter dem
Anstrich eines Vergnügungsausfluges Gelegenheit zu patriotischen Ansprachen zu
geben, zur gemeinsamen Absingung von Nationalliedern, zu praktischen Ein¬
wirkungen oder Verordnungen für den einen großen Zweck, Nordschleswig wie¬
der dänisch zu machen. Was 'half es da, die kopenhagner Blätter zu verbieten?
Abgesehen davon, daß sie bei so dichtem Verkehr trotz des Verbotes zu Tausen¬
den ins Land kamen, wo sie dann nur desto begieriger verschlungen wurden,
der nicht zu hemmende mündliche Austausch hätte ihren Einfluß zur Noth
vollkommen ersetzt. Jedes Wort aber, das ein Däne des Königreichs mit
einem Nordjchleswiger wechselte, wurde von selbst zum Träger des Deutschenhasses,
denn die ganze Nation ging für Monate auf in dem heißen Verlangen, einen
Theil der ihr aus Leben gehenden schweren Verluste von 1864 zurückzugewinnen.
Selbst in Paris kann Niemand im Laufe des letzten Jahres sehnlicher und un¬
geduldiger auf den Ausbruch des Rheinlrieges geharrt haben, als es die Kopen¬
hagener polittsirenden Kreise thaten. Wie mußte dies auf die Dänischgesinnten
Nordschteswigs einwirken!

Wie bedeutungsvoll war dagegen, was Deutschland zur Belebung des Muthes
seiner Angehörigen in diesem moralischen Ringkampf gethan hat. Es ist nie-


Schleswig, Generat von Manteuffel, seine famosen sievenfüßigen Reden hielt,
die den Dänen jede Hoffnung der Rückkehr zum Insel-Reich abschneiden zu
sollen schienen; da begann für sie Preußen der Inbegriff alles Bösen und
Hassenswcrthen zu werden, während die Deutschen im Norden eher als die
Sübschleswigerund namentlich als die Hvlsteiner ansingen, den Werth der preußischen
Macht für alle nationalen Interessen zu würdigen. Bei ihnen brauchte daher
der glorreiche Ausgang des preußisch-östreichischen Entscheidungskampfes um die
Führung in Deutschland nicht viel Bekehrungen mehr zu machen. Niemand
im außerpreußischen Deutschland wäre zufriedener als sie mit diesem Abschluß
des lange unentschiedenen Ringens gewesen, hätte der nikolsburg-prager Friede,
der denselben besiegelte, nicht nebenher in seinem Schoße einen Erisapfel, eine
Wiedererweckung des kaum begrabenen deutsch-dänischen Streits getragen, und
sie ganz unerwartet, während überall anderswo in Deutschtand bis nach
Schleswig hinein eine dauernde befriedigende Ruhe einzukehren versprach, in die
peinlichste Sorge und Ungewißheit der Zukunft zurückgestoßen.

Was aber für die Deutschen in Nordschleswig wie das Wiederabtreiben
eines um sein Leben schwimmenden Mannes vom rettenden Ufer war, das
wurde natürlich für die dortigen Dänen zum Ausgangspunkt neuer kaum noch für
möglich gehaltener Hoffnungen. Den glimmenden Funken ihres Nationalbe¬
wußtseins und politischen Strebens sachte der Artikel V. des prager Friedens
zu hellen Flammen an, und die Dänen im Königreich sorgten, daß es diesem
Feuer nicht an Nahrung fehle. Allsonntäglich fuhren Dampfschiffe mit Hun¬
derten von Dänen über den kleinen Belt herüber und hinüber, um unter dem
Anstrich eines Vergnügungsausfluges Gelegenheit zu patriotischen Ansprachen zu
geben, zur gemeinsamen Absingung von Nationalliedern, zu praktischen Ein¬
wirkungen oder Verordnungen für den einen großen Zweck, Nordschleswig wie¬
der dänisch zu machen. Was 'half es da, die kopenhagner Blätter zu verbieten?
Abgesehen davon, daß sie bei so dichtem Verkehr trotz des Verbotes zu Tausen¬
den ins Land kamen, wo sie dann nur desto begieriger verschlungen wurden,
der nicht zu hemmende mündliche Austausch hätte ihren Einfluß zur Noth
vollkommen ersetzt. Jedes Wort aber, das ein Däne des Königreichs mit
einem Nordjchleswiger wechselte, wurde von selbst zum Träger des Deutschenhasses,
denn die ganze Nation ging für Monate auf in dem heißen Verlangen, einen
Theil der ihr aus Leben gehenden schweren Verluste von 1864 zurückzugewinnen.
Selbst in Paris kann Niemand im Laufe des letzten Jahres sehnlicher und un¬
geduldiger auf den Ausbruch des Rheinlrieges geharrt haben, als es die Kopen¬
hagener polittsirenden Kreise thaten. Wie mußte dies auf die Dänischgesinnten
Nordschteswigs einwirken!

Wie bedeutungsvoll war dagegen, was Deutschland zur Belebung des Muthes
seiner Angehörigen in diesem moralischen Ringkampf gethan hat. Es ist nie-


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[0432] Schleswig, Generat von Manteuffel, seine famosen sievenfüßigen Reden hielt, die den Dänen jede Hoffnung der Rückkehr zum Insel-Reich abschneiden zu sollen schienen; da begann für sie Preußen der Inbegriff alles Bösen und Hassenswcrthen zu werden, während die Deutschen im Norden eher als die Sübschleswigerund namentlich als die Hvlsteiner ansingen, den Werth der preußischen Macht für alle nationalen Interessen zu würdigen. Bei ihnen brauchte daher der glorreiche Ausgang des preußisch-östreichischen Entscheidungskampfes um die Führung in Deutschland nicht viel Bekehrungen mehr zu machen. Niemand im außerpreußischen Deutschland wäre zufriedener als sie mit diesem Abschluß des lange unentschiedenen Ringens gewesen, hätte der nikolsburg-prager Friede, der denselben besiegelte, nicht nebenher in seinem Schoße einen Erisapfel, eine Wiedererweckung des kaum begrabenen deutsch-dänischen Streits getragen, und sie ganz unerwartet, während überall anderswo in Deutschtand bis nach Schleswig hinein eine dauernde befriedigende Ruhe einzukehren versprach, in die peinlichste Sorge und Ungewißheit der Zukunft zurückgestoßen. Was aber für die Deutschen in Nordschleswig wie das Wiederabtreiben eines um sein Leben schwimmenden Mannes vom rettenden Ufer war, das wurde natürlich für die dortigen Dänen zum Ausgangspunkt neuer kaum noch für möglich gehaltener Hoffnungen. Den glimmenden Funken ihres Nationalbe¬ wußtseins und politischen Strebens sachte der Artikel V. des prager Friedens zu hellen Flammen an, und die Dänen im Königreich sorgten, daß es diesem Feuer nicht an Nahrung fehle. Allsonntäglich fuhren Dampfschiffe mit Hun¬ derten von Dänen über den kleinen Belt herüber und hinüber, um unter dem Anstrich eines Vergnügungsausfluges Gelegenheit zu patriotischen Ansprachen zu geben, zur gemeinsamen Absingung von Nationalliedern, zu praktischen Ein¬ wirkungen oder Verordnungen für den einen großen Zweck, Nordschleswig wie¬ der dänisch zu machen. Was 'half es da, die kopenhagner Blätter zu verbieten? Abgesehen davon, daß sie bei so dichtem Verkehr trotz des Verbotes zu Tausen¬ den ins Land kamen, wo sie dann nur desto begieriger verschlungen wurden, der nicht zu hemmende mündliche Austausch hätte ihren Einfluß zur Noth vollkommen ersetzt. Jedes Wort aber, das ein Däne des Königreichs mit einem Nordjchleswiger wechselte, wurde von selbst zum Träger des Deutschenhasses, denn die ganze Nation ging für Monate auf in dem heißen Verlangen, einen Theil der ihr aus Leben gehenden schweren Verluste von 1864 zurückzugewinnen. Selbst in Paris kann Niemand im Laufe des letzten Jahres sehnlicher und un¬ geduldiger auf den Ausbruch des Rheinlrieges geharrt haben, als es die Kopen¬ hagener polittsirenden Kreise thaten. Wie mußte dies auf die Dänischgesinnten Nordschteswigs einwirken! Wie bedeutungsvoll war dagegen, was Deutschland zur Belebung des Muthes seiner Angehörigen in diesem moralischen Ringkampf gethan hat. Es ist nie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/432>, abgerufen am 26.06.2024.