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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Haben wir auch hier zwei besonders schreiende Fälle angeführt, so ist doch,
wenn auch in etwas geringerem Grade, das Resultat, daß die Berger den
Löwenantheil an der Beute beziehen, stets dasselbe. Uns ist unter einer sehr
großen Anzahl von Abrechnungen über Strandungssälle aus dem vorigen Jahr¬
hundert kein Fall ausgestoßen, in welchem der Rheder die Hälfte des Geretteten
erhalten hätte; in den meisten Fällen ist der Antheil, den er wirklich ausge-
zahlt erhält, weniger als ein Viertel.

Diese üble althergebrachte Praxis und vor allem der Umstand, daß durch¬
weg die zur Aufsicht über das Strandwesen bestellten Beamten eine Tantieme
des Bcrgelohns erhielten, häufig auch für Stellung von Gespannen, Besorgung
des Verkaufs :c. einen H.iuplantheil an den sog. Communkostcn selbst liqui-
dirtcn, daß also ihr Interesse mit dem der Berger zusammenfiel, ließen die in
den Strandordnungen liegenden guten Keime nicht zur Entwicklung kommen,
unterdrückten diese vielmehr völlig und setzten das alte Unwesen in der Haupt¬
sache fort.

Namentlich auf den weniger der Controle zugänglichen Inseln wurde in
schmählichster Weise jedem Rechtsgefühl Hohn gesprochen. Auf den Nordsee¬
inseln war es sogar hergebracht, daß sämmtliche vorhandene Haushaltungen sich
in den Strandcrwerb theilten, ohne Rücksicht darauf, ob und wie viele Perso¬
nen daraus an der Bergung Theil genommen hatten; daneben bezogen der
Geistliche, die Kirche, die Armencasse, der Vogt doppelte und dreifache und der
Beamte sogar eine neunfache Portion. Verschlimmert wurde dies Raubsystem
noch durch die meist trotz aller Verbote zur Anwendung gebrachte Theilung
lung der geretteten Gegenstände irr rmwrg, statt des Verkaufs und der Thei-
des Erlosch.

Wirkliches Verständniß des besseren verräth das A. Pr. Landrecht, insofern
es die wichtige Bestimmung enthält:

"Der Staat begibt sich des sog. Strandrcchts zum besten der zur See
Verunglückten". Th. II, Tit. 13 § 81.

Aber leider sagt der K 86 cock. sofort wieder:

"Die Eigenthümer der gestrandeten Sachen sind schuldig, außer den
aufgelaufenen Kosten ein billiges in den Strandungsordnungcn jeder
Provinz näher bestimmtes Bcrgclohn zu entrichten."

Also doch wieder nicht allein eine reichliche Vergütung der für die Ber¬
gung aufgewandten Zeit und Mühe, die in den Kosten der Bergung steckt,
sondern außerdem noch einen Bergelohn!

Man fragt vergeblich nach einem inneren Grunde dieser auf Anderer Kosten
für nichts zugebilligten Belohnung; es war eben ein Nest des alten Raubrechts,
mit dem vollständig zu brechen die Gesetzgebung sich nicht entschließen konnte.

Wichtig war trotzdem der Verzicht des Staats aus seine Strandportion


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Haben wir auch hier zwei besonders schreiende Fälle angeführt, so ist doch,
wenn auch in etwas geringerem Grade, das Resultat, daß die Berger den
Löwenantheil an der Beute beziehen, stets dasselbe. Uns ist unter einer sehr
großen Anzahl von Abrechnungen über Strandungssälle aus dem vorigen Jahr¬
hundert kein Fall ausgestoßen, in welchem der Rheder die Hälfte des Geretteten
erhalten hätte; in den meisten Fällen ist der Antheil, den er wirklich ausge-
zahlt erhält, weniger als ein Viertel.

Diese üble althergebrachte Praxis und vor allem der Umstand, daß durch¬
weg die zur Aufsicht über das Strandwesen bestellten Beamten eine Tantieme
des Bcrgelohns erhielten, häufig auch für Stellung von Gespannen, Besorgung
des Verkaufs :c. einen H.iuplantheil an den sog. Communkostcn selbst liqui-
dirtcn, daß also ihr Interesse mit dem der Berger zusammenfiel, ließen die in
den Strandordnungen liegenden guten Keime nicht zur Entwicklung kommen,
unterdrückten diese vielmehr völlig und setzten das alte Unwesen in der Haupt¬
sache fort.

Namentlich auf den weniger der Controle zugänglichen Inseln wurde in
schmählichster Weise jedem Rechtsgefühl Hohn gesprochen. Auf den Nordsee¬
inseln war es sogar hergebracht, daß sämmtliche vorhandene Haushaltungen sich
in den Strandcrwerb theilten, ohne Rücksicht darauf, ob und wie viele Perso¬
nen daraus an der Bergung Theil genommen hatten; daneben bezogen der
Geistliche, die Kirche, die Armencasse, der Vogt doppelte und dreifache und der
Beamte sogar eine neunfache Portion. Verschlimmert wurde dies Raubsystem
noch durch die meist trotz aller Verbote zur Anwendung gebrachte Theilung
lung der geretteten Gegenstände irr rmwrg, statt des Verkaufs und der Thei-
des Erlosch.

Wirkliches Verständniß des besseren verräth das A. Pr. Landrecht, insofern
es die wichtige Bestimmung enthält:

„Der Staat begibt sich des sog. Strandrcchts zum besten der zur See
Verunglückten". Th. II, Tit. 13 § 81.

Aber leider sagt der K 86 cock. sofort wieder:

„Die Eigenthümer der gestrandeten Sachen sind schuldig, außer den
aufgelaufenen Kosten ein billiges in den Strandungsordnungcn jeder
Provinz näher bestimmtes Bcrgclohn zu entrichten."

Also doch wieder nicht allein eine reichliche Vergütung der für die Ber¬
gung aufgewandten Zeit und Mühe, die in den Kosten der Bergung steckt,
sondern außerdem noch einen Bergelohn!

Man fragt vergeblich nach einem inneren Grunde dieser auf Anderer Kosten
für nichts zugebilligten Belohnung; es war eben ein Nest des alten Raubrechts,
mit dem vollständig zu brechen die Gesetzgebung sich nicht entschließen konnte.

Wichtig war trotzdem der Verzicht des Staats aus seine Strandportion


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[0419] Haben wir auch hier zwei besonders schreiende Fälle angeführt, so ist doch, wenn auch in etwas geringerem Grade, das Resultat, daß die Berger den Löwenantheil an der Beute beziehen, stets dasselbe. Uns ist unter einer sehr großen Anzahl von Abrechnungen über Strandungssälle aus dem vorigen Jahr¬ hundert kein Fall ausgestoßen, in welchem der Rheder die Hälfte des Geretteten erhalten hätte; in den meisten Fällen ist der Antheil, den er wirklich ausge- zahlt erhält, weniger als ein Viertel. Diese üble althergebrachte Praxis und vor allem der Umstand, daß durch¬ weg die zur Aufsicht über das Strandwesen bestellten Beamten eine Tantieme des Bcrgelohns erhielten, häufig auch für Stellung von Gespannen, Besorgung des Verkaufs :c. einen H.iuplantheil an den sog. Communkostcn selbst liqui- dirtcn, daß also ihr Interesse mit dem der Berger zusammenfiel, ließen die in den Strandordnungen liegenden guten Keime nicht zur Entwicklung kommen, unterdrückten diese vielmehr völlig und setzten das alte Unwesen in der Haupt¬ sache fort. Namentlich auf den weniger der Controle zugänglichen Inseln wurde in schmählichster Weise jedem Rechtsgefühl Hohn gesprochen. Auf den Nordsee¬ inseln war es sogar hergebracht, daß sämmtliche vorhandene Haushaltungen sich in den Strandcrwerb theilten, ohne Rücksicht darauf, ob und wie viele Perso¬ nen daraus an der Bergung Theil genommen hatten; daneben bezogen der Geistliche, die Kirche, die Armencasse, der Vogt doppelte und dreifache und der Beamte sogar eine neunfache Portion. Verschlimmert wurde dies Raubsystem noch durch die meist trotz aller Verbote zur Anwendung gebrachte Theilung lung der geretteten Gegenstände irr rmwrg, statt des Verkaufs und der Thei- des Erlosch. Wirkliches Verständniß des besseren verräth das A. Pr. Landrecht, insofern es die wichtige Bestimmung enthält: „Der Staat begibt sich des sog. Strandrcchts zum besten der zur See Verunglückten". Th. II, Tit. 13 § 81. Aber leider sagt der K 86 cock. sofort wieder: „Die Eigenthümer der gestrandeten Sachen sind schuldig, außer den aufgelaufenen Kosten ein billiges in den Strandungsordnungcn jeder Provinz näher bestimmtes Bcrgclohn zu entrichten." Also doch wieder nicht allein eine reichliche Vergütung der für die Ber¬ gung aufgewandten Zeit und Mühe, die in den Kosten der Bergung steckt, sondern außerdem noch einen Bergelohn! Man fragt vergeblich nach einem inneren Grunde dieser auf Anderer Kosten für nichts zugebilligten Belohnung; es war eben ein Nest des alten Raubrechts, mit dem vollständig zu brechen die Gesetzgebung sich nicht entschließen konnte. Wichtig war trotzdem der Verzicht des Staats aus seine Strandportion 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/419>, abgerufen am 21.10.2024.