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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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hauptsächlich seefahrenden Nationen durch besondere Verträge eine mildere Be¬
handlung ihrer gegenseitigen Angehörigen ausbedungen, was auch auf das ganze
Strandwcsen einen günstigen Einfluß übte endlich waren überall die Sitten we¬
niger roh geworden. Es hatte die Gesetzgebung, es hatte die öffentliche Mei¬
nung sich ausgesprochen gegen die übermäßige Ausübung des Strandrechts;
der ungleich stärker gewordene Verkehr der verschiedenen Völker unter einander
ermöglichte eine größere Controle über, dasselbe; die Küstenstriche, an denen
zu streng auf dem alten Recht bestanden wurde, kamen in Verruf und litten
dadurch Schaden; kurz, ohne daß sich ein bestimmter Zeitpunkt dafür angeben
läßt, und ohne daß bestimmte gleichmäßige Vorschriften das Strandrecht neu
regelten, ist vom Beginn des 18. Jahrhunderts eine mildere Praxis fast überall
wahrnehmbar.

Das früher namentlich von der Stadt Bremen vergeblich versochtene
Princip, daß das Eigenthum an Schiff und Ladung dem Rheder verbleiben
müsse und dem Strandbewohner nur ein gewisser Bergelohn gebühre, hatte sich
allniälig Achtung errungen, und die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts ist reich
an Strandungsordnungen, die dies Princip als solches anerkannten und an¬
scheinend auch practisch bei der Küstenbevölkerung zur Geltung brachten. Im Jahre
1711 wurden Strandungsrollen für die Nordseeinseln Norderney und Juist,
1735--1737 sür Baltrum, Spiiekeroog und Langeroog, und etwas später auch
für Borkum erlassen, 1724 und 1744 Strandungsorbnungen für die Herzog-
thümer Bremen und Verden, 1728 eine solche für Ostpreußen, 1743 für Pom¬
mern, 1724 für die Herrschaft Jever. um dieselbe Zeit eine 1818 etwas ab¬
geänderte für die Holländischen Küsten, denen dann 1776 auch eine Stran¬
dungsordnung für Oldenburg, 1800 eine solche für das Land Hadeln, 1801
für Westpreußen, 1803 für Schleswig-Holstein folgte, während außerdem das
Allgemeine preußische Landrecht und das 180S publicirte schwedisch-Pommer-
sche Seerecht ebenfalls hierauf bezügliche Bestimmungen enthielten.

Sehen wir einstweilen von dem Allg. Pr. Landrecht ab, so charaktensiren sich
die übrigen Gesetze mehr ais Codisicirungen des bestehenden, denn als Schöpfungen
neuen Rechts. Es umfaßten diese, allerdings immer nur sür einzelne Territo¬
rien erlassenen Verordnungen so ziemlich das gesammte deutsche Fürstengebiet,
und aus der Gesammtheit derselben ergibt sich ein ziemlich klares Bild der in
ganz Deutschland in dieser Hinsicht geltenden Rechtsanschauungen. Bei weitem
in den meisten Punkten findet sich principielle Uebereinstimmung; ist selbst¬
redend auch die eine detaillirter als die andere, weichen sie in Bezug auf Ein-
zelnheiten, auf Strafbestimmungen :c. vielfach von einander ab, nehmen sie in
vieler Beziehung Rücksicht auf die besondern örtlichen Verhältnisse und die an
einzelner Orten herrschenden Gewohnheiten, im Ganzen ruhen sie doch auf so
gleichartiger Grundlage, daß man von einem nur in den Einzelheiten mehr oder


hauptsächlich seefahrenden Nationen durch besondere Verträge eine mildere Be¬
handlung ihrer gegenseitigen Angehörigen ausbedungen, was auch auf das ganze
Strandwcsen einen günstigen Einfluß übte endlich waren überall die Sitten we¬
niger roh geworden. Es hatte die Gesetzgebung, es hatte die öffentliche Mei¬
nung sich ausgesprochen gegen die übermäßige Ausübung des Strandrechts;
der ungleich stärker gewordene Verkehr der verschiedenen Völker unter einander
ermöglichte eine größere Controle über, dasselbe; die Küstenstriche, an denen
zu streng auf dem alten Recht bestanden wurde, kamen in Verruf und litten
dadurch Schaden; kurz, ohne daß sich ein bestimmter Zeitpunkt dafür angeben
läßt, und ohne daß bestimmte gleichmäßige Vorschriften das Strandrecht neu
regelten, ist vom Beginn des 18. Jahrhunderts eine mildere Praxis fast überall
wahrnehmbar.

Das früher namentlich von der Stadt Bremen vergeblich versochtene
Princip, daß das Eigenthum an Schiff und Ladung dem Rheder verbleiben
müsse und dem Strandbewohner nur ein gewisser Bergelohn gebühre, hatte sich
allniälig Achtung errungen, und die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts ist reich
an Strandungsordnungen, die dies Princip als solches anerkannten und an¬
scheinend auch practisch bei der Küstenbevölkerung zur Geltung brachten. Im Jahre
1711 wurden Strandungsrollen für die Nordseeinseln Norderney und Juist,
1735—1737 sür Baltrum, Spiiekeroog und Langeroog, und etwas später auch
für Borkum erlassen, 1724 und 1744 Strandungsorbnungen für die Herzog-
thümer Bremen und Verden, 1728 eine solche für Ostpreußen, 1743 für Pom¬
mern, 1724 für die Herrschaft Jever. um dieselbe Zeit eine 1818 etwas ab¬
geänderte für die Holländischen Küsten, denen dann 1776 auch eine Stran¬
dungsordnung für Oldenburg, 1800 eine solche für das Land Hadeln, 1801
für Westpreußen, 1803 für Schleswig-Holstein folgte, während außerdem das
Allgemeine preußische Landrecht und das 180S publicirte schwedisch-Pommer-
sche Seerecht ebenfalls hierauf bezügliche Bestimmungen enthielten.

Sehen wir einstweilen von dem Allg. Pr. Landrecht ab, so charaktensiren sich
die übrigen Gesetze mehr ais Codisicirungen des bestehenden, denn als Schöpfungen
neuen Rechts. Es umfaßten diese, allerdings immer nur sür einzelne Territo¬
rien erlassenen Verordnungen so ziemlich das gesammte deutsche Fürstengebiet,
und aus der Gesammtheit derselben ergibt sich ein ziemlich klares Bild der in
ganz Deutschland in dieser Hinsicht geltenden Rechtsanschauungen. Bei weitem
in den meisten Punkten findet sich principielle Uebereinstimmung; ist selbst¬
redend auch die eine detaillirter als die andere, weichen sie in Bezug auf Ein-
zelnheiten, auf Strafbestimmungen :c. vielfach von einander ab, nehmen sie in
vieler Beziehung Rücksicht auf die besondern örtlichen Verhältnisse und die an
einzelner Orten herrschenden Gewohnheiten, im Ganzen ruhen sie doch auf so
gleichartiger Grundlage, daß man von einem nur in den Einzelheiten mehr oder


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[0416] hauptsächlich seefahrenden Nationen durch besondere Verträge eine mildere Be¬ handlung ihrer gegenseitigen Angehörigen ausbedungen, was auch auf das ganze Strandwcsen einen günstigen Einfluß übte endlich waren überall die Sitten we¬ niger roh geworden. Es hatte die Gesetzgebung, es hatte die öffentliche Mei¬ nung sich ausgesprochen gegen die übermäßige Ausübung des Strandrechts; der ungleich stärker gewordene Verkehr der verschiedenen Völker unter einander ermöglichte eine größere Controle über, dasselbe; die Küstenstriche, an denen zu streng auf dem alten Recht bestanden wurde, kamen in Verruf und litten dadurch Schaden; kurz, ohne daß sich ein bestimmter Zeitpunkt dafür angeben läßt, und ohne daß bestimmte gleichmäßige Vorschriften das Strandrecht neu regelten, ist vom Beginn des 18. Jahrhunderts eine mildere Praxis fast überall wahrnehmbar. Das früher namentlich von der Stadt Bremen vergeblich versochtene Princip, daß das Eigenthum an Schiff und Ladung dem Rheder verbleiben müsse und dem Strandbewohner nur ein gewisser Bergelohn gebühre, hatte sich allniälig Achtung errungen, und die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts ist reich an Strandungsordnungen, die dies Princip als solches anerkannten und an¬ scheinend auch practisch bei der Küstenbevölkerung zur Geltung brachten. Im Jahre 1711 wurden Strandungsrollen für die Nordseeinseln Norderney und Juist, 1735—1737 sür Baltrum, Spiiekeroog und Langeroog, und etwas später auch für Borkum erlassen, 1724 und 1744 Strandungsorbnungen für die Herzog- thümer Bremen und Verden, 1728 eine solche für Ostpreußen, 1743 für Pom¬ mern, 1724 für die Herrschaft Jever. um dieselbe Zeit eine 1818 etwas ab¬ geänderte für die Holländischen Küsten, denen dann 1776 auch eine Stran¬ dungsordnung für Oldenburg, 1800 eine solche für das Land Hadeln, 1801 für Westpreußen, 1803 für Schleswig-Holstein folgte, während außerdem das Allgemeine preußische Landrecht und das 180S publicirte schwedisch-Pommer- sche Seerecht ebenfalls hierauf bezügliche Bestimmungen enthielten. Sehen wir einstweilen von dem Allg. Pr. Landrecht ab, so charaktensiren sich die übrigen Gesetze mehr ais Codisicirungen des bestehenden, denn als Schöpfungen neuen Rechts. Es umfaßten diese, allerdings immer nur sür einzelne Territo¬ rien erlassenen Verordnungen so ziemlich das gesammte deutsche Fürstengebiet, und aus der Gesammtheit derselben ergibt sich ein ziemlich klares Bild der in ganz Deutschland in dieser Hinsicht geltenden Rechtsanschauungen. Bei weitem in den meisten Punkten findet sich principielle Uebereinstimmung; ist selbst¬ redend auch die eine detaillirter als die andere, weichen sie in Bezug auf Ein- zelnheiten, auf Strafbestimmungen :c. vielfach von einander ab, nehmen sie in vieler Beziehung Rücksicht auf die besondern örtlichen Verhältnisse und die an einzelner Orten herrschenden Gewohnheiten, im Ganzen ruhen sie doch auf so gleichartiger Grundlage, daß man von einem nur in den Einzelheiten mehr oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/416>, abgerufen am 21.10.2024.