Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.nach Rom wallfahrten; derartige Motive sind nicht sehr patriotisch aber darum Das officielle Italien, die Regierung hat sich ihrer Aufgabe gleichfalls nach Rom wallfahrten; derartige Motive sind nicht sehr patriotisch aber darum Das officielle Italien, die Regierung hat sich ihrer Aufgabe gleichfalls <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192120"/> <p xml:id="ID_972" prev="#ID_971"> nach Rom wallfahrten; derartige Motive sind nicht sehr patriotisch aber darum<lb/> nicht weniger gewichtig. Was die Mehrzahl der Römer wünscht, ist unzweifel-<lb/> haft eine Versöhnung zwischen dem König von Italien und dem Papst, wonach<lb/> der eine im Lateran, der andere im Vatikan wohnen und Rom Hauptstadt des<lb/> Katholicismus bliebe und zugleich Hauptstadt Italiens würde. Eine solche Aus¬<lb/> gleichung aber liegt vorläufig noch weit ab und inzwischen wird Italien wenig<lb/> von den Römern zu hoffen haben, die ihrerseits vor der Aktionspartei aus<lb/> lange Zeit sicher sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_973" next="#ID_974"> Das officielle Italien, die Regierung hat sich ihrer Aufgabe gleichfalls<lb/> wenig gewachsen gezeigt. Bei dem Unternehmen Garibaldis gab es von vornher¬<lb/> ein nur eine Alternative, entweder dasselbe rücksichtslos niederzuschlagen, oder<lb/> Frankreich zum Trotz gewähren zu lassen und dessen eventueller Intervention zu¬<lb/> vorzukommen. Das Florentiner Cabinet hat sich zu keinem der beiden Wege ent¬<lb/> schließen können. Ratazzi ließ zuerst Garibaldi festnehme», dann als die Agi¬<lb/> tation ihn unpopulär zu machen drohte und zugleich seine Nachrichten aus<lb/> Paris ermuthigend klangen, gab er den Freischaaren Spielraum und setzte, als<lb/> Napoleon dies nicht dulden wollte, Drohung gegen Drohung. Jetzt intcrve-<lb/> nirte Viktor Emanuel und desavouiite ihn. Als dann nach dem Cialdimschcn<lb/> Interregnum Menobrea die Zügel ergriff, nachdem inzwischen Garibaldi wieder<lb/> auf dem Schauplatz erschienen und die Franzosen in Civitavecchia gelandet,<lb/> war sein erster Akt zu erklären, daß die Scptemberconvention beide Theile<lb/> gleich binde, daß. um diese Gleichheit zu wahren, die italienischen Truppen in<lb/> das päpstliche Gebiet eingerückt seien und daß Italien hoffe, Frankreich werde<lb/> diesen All als einen durch Ehre und Pflicht gebotenen anerkennen. Diese<lb/> Politik war verständlich, wenn sie energisch durchgeführt ward, aber als Gene¬<lb/> ral Lamarmora sich vergeblich in Paris bemüht, sie annehmbar zu machen, der<lb/> Marquis de Moustier vielmehr in herben Ausdrücken seine Mißbilligung<lb/> nach Florenz telegraphirte und ein Ultimatum im Prinzip beschlossen war,<lb/> ward auch diese Stellung wieder aufgegeben. Nachdem die königlichen Truppen<lb/> hatten zusehen müssen, wie die Garibaldianer von den Chassepots niederge¬<lb/> schmettert wurden um dann Schergendienste zu thun, indem sie die Flüchtigen<lb/> entwaffneten, erklärte General Menabrea ihre Aufgabe für erfüllt uns zog sie<lb/> zurück. So machte er den Passus seiner Depesche wahr, daß die königliche<lb/> Regierung sich aus gleichen Fuß mit den andern Coutrihenten stellen müsse,<lb/> um zu neuen Unterhandlungen schreiten zu können. Der Minister mochte es<lb/> hernach als Demüthigung empfinden, wenn ihm nunmehr der Moniteur ein<lb/> gutes Führungszeugniß ausstellte und in Anbetracht dessen den Rückzug der-<lb/> kaiserlichen Truppen aus Civitavecchia versprach, „sobald die Ruhe im römischen<lb/> Gebiet gesichert sei"; er forderte deßhalb i» einer neuen Depesche vom 9. die<lb/> vollkommne Räumung des päpstlichen Gebietes und das Aufhören einer Inder-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0359]
nach Rom wallfahrten; derartige Motive sind nicht sehr patriotisch aber darum
nicht weniger gewichtig. Was die Mehrzahl der Römer wünscht, ist unzweifel-
haft eine Versöhnung zwischen dem König von Italien und dem Papst, wonach
der eine im Lateran, der andere im Vatikan wohnen und Rom Hauptstadt des
Katholicismus bliebe und zugleich Hauptstadt Italiens würde. Eine solche Aus¬
gleichung aber liegt vorläufig noch weit ab und inzwischen wird Italien wenig
von den Römern zu hoffen haben, die ihrerseits vor der Aktionspartei aus
lange Zeit sicher sind.
Das officielle Italien, die Regierung hat sich ihrer Aufgabe gleichfalls
wenig gewachsen gezeigt. Bei dem Unternehmen Garibaldis gab es von vornher¬
ein nur eine Alternative, entweder dasselbe rücksichtslos niederzuschlagen, oder
Frankreich zum Trotz gewähren zu lassen und dessen eventueller Intervention zu¬
vorzukommen. Das Florentiner Cabinet hat sich zu keinem der beiden Wege ent¬
schließen können. Ratazzi ließ zuerst Garibaldi festnehme», dann als die Agi¬
tation ihn unpopulär zu machen drohte und zugleich seine Nachrichten aus
Paris ermuthigend klangen, gab er den Freischaaren Spielraum und setzte, als
Napoleon dies nicht dulden wollte, Drohung gegen Drohung. Jetzt intcrve-
nirte Viktor Emanuel und desavouiite ihn. Als dann nach dem Cialdimschcn
Interregnum Menobrea die Zügel ergriff, nachdem inzwischen Garibaldi wieder
auf dem Schauplatz erschienen und die Franzosen in Civitavecchia gelandet,
war sein erster Akt zu erklären, daß die Scptemberconvention beide Theile
gleich binde, daß. um diese Gleichheit zu wahren, die italienischen Truppen in
das päpstliche Gebiet eingerückt seien und daß Italien hoffe, Frankreich werde
diesen All als einen durch Ehre und Pflicht gebotenen anerkennen. Diese
Politik war verständlich, wenn sie energisch durchgeführt ward, aber als Gene¬
ral Lamarmora sich vergeblich in Paris bemüht, sie annehmbar zu machen, der
Marquis de Moustier vielmehr in herben Ausdrücken seine Mißbilligung
nach Florenz telegraphirte und ein Ultimatum im Prinzip beschlossen war,
ward auch diese Stellung wieder aufgegeben. Nachdem die königlichen Truppen
hatten zusehen müssen, wie die Garibaldianer von den Chassepots niederge¬
schmettert wurden um dann Schergendienste zu thun, indem sie die Flüchtigen
entwaffneten, erklärte General Menabrea ihre Aufgabe für erfüllt uns zog sie
zurück. So machte er den Passus seiner Depesche wahr, daß die königliche
Regierung sich aus gleichen Fuß mit den andern Coutrihenten stellen müsse,
um zu neuen Unterhandlungen schreiten zu können. Der Minister mochte es
hernach als Demüthigung empfinden, wenn ihm nunmehr der Moniteur ein
gutes Führungszeugniß ausstellte und in Anbetracht dessen den Rückzug der-
kaiserlichen Truppen aus Civitavecchia versprach, „sobald die Ruhe im römischen
Gebiet gesichert sei"; er forderte deßhalb i» einer neuen Depesche vom 9. die
vollkommne Räumung des päpstlichen Gebietes und das Aufhören einer Inder-
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