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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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der päpstlichen Regierung zu gefährde" (Protokoll vom 8. April 18S6). ES
ist kaum zweifelhaft, daß. falls es vor 1859 zu dieser Räumung gekommen
wäre, in Folge des Krieges das päpstliche Regiment in Rom so gut gefallen
wäre, wie in den Legationen und Marken; aber einmal dort noch anwesend,
konnte die französische Garnison den Papst nicht der Revolution überlassen.
Später nahm Pio Nouv in seiner heftigen Gereiztheit gegen Napoleon die
Initiative zu Verhandlungen über den Abzug der Besatzung, aber dieselben
zerschlugen sich und andrerseits setzte der Kaiser den Forderungen des Duran-
doschen Ministeriums, welches laut Rom als nothwendige Hauptstadt Italiens
verlangte, eine bestimmte Weigerung entgegen.

Am 12. Juli 186l schrieb er dem König von Italien: "Ich werde meine
Truppen in Rom lasse", solange Ew. Majestät sich nicht mit dem Papst aus¬
gesöhnt hat oder der heilige Vater die Staaten, welche ihm noch bleiben, durch
die Invasion einer regulären oder irregulären M.reht bedroht sieht", und fast
e>n Jahr später erklärte der Italien so günstige Minister Thouvenel in einer
Depesche an den Marquis de Lavalette. Botschafter in Rom: Niemals hat die
kaiserliche Negierung ein Wort ausgesprochen, welches das Cabinet von Turin
hätte hoffen lassen, daß die Hauptstadt des Katholicismus gleichzeitig mit Zu-
stimmung Frankreichs die Hauptstadt des großen Königreichs werden könne,
das sich jenseits der Alpen gebildet hat. Alle unsre Handlungen, alle unsre
Erklärungen, stimmen im Gegentheil in der Kundgebung unsres festen und be¬
harrlichen Willens überein, den Papst im Besitz des Theiles seiner Staaten
zu erhalten, welche ihm die Gegenwart unsrer Fahnen bewahrt hat". Jedes
Arrangement, sagte der Minister, müsse auf der Basis des Status quo ruhen,
dn Papst könne seine Rechte über seine früheren Provinzen reserviren, aber
müsse darauf verzichten, in denselben noch zu regieren. Italien andrerseits müsse
sein Begehren nach Rom aufgeben und den größten Theil der päpstlichen
Schuld übernehmen. -- Die Curie aber beharrte auf ihrem non xossmrms
und der faktische Besitzstand dauerte fort, bis die Welt im September 1864
durch den Abschluß einer Convention zwischen Frankreich und Italien über-
r.ischt ward, welche einen bedeutenden Schritt zur Lösung der römischen Frage
zu thun bestimmt war. Italien verpflichtete sich dadurch, das gegenwärtige
päpstliche Gebiet nicht anzugreifen und jeden Angriff von außen auf dasselbe
zu hindern, es verzichtete ferner im Voraus auf jeden Einwand gegen die Bil¬
dung einer päpstlichen Armee, sofern dieselbe nicht zum Angriffsmittel gegen die
italienische Negierung werden könne, es erklärte sich bereit, einen Verhältniß-
mäßigen Theil der päpstlichen Schuld zu übernehmen und versprach in einem
gleichzeitig unterzeichneten Protokoll die Verlegung seiner Hauptstadt; dagegen
machte Frankreich sich verbindlich, seine Truppen binnen zwei Jahren aus Rom
zurückzuziehen. Die Lücken dieser Stipulationen sprangen in die Augen, Italien


der päpstlichen Regierung zu gefährde» (Protokoll vom 8. April 18S6). ES
ist kaum zweifelhaft, daß. falls es vor 1859 zu dieser Räumung gekommen
wäre, in Folge des Krieges das päpstliche Regiment in Rom so gut gefallen
wäre, wie in den Legationen und Marken; aber einmal dort noch anwesend,
konnte die französische Garnison den Papst nicht der Revolution überlassen.
Später nahm Pio Nouv in seiner heftigen Gereiztheit gegen Napoleon die
Initiative zu Verhandlungen über den Abzug der Besatzung, aber dieselben
zerschlugen sich und andrerseits setzte der Kaiser den Forderungen des Duran-
doschen Ministeriums, welches laut Rom als nothwendige Hauptstadt Italiens
verlangte, eine bestimmte Weigerung entgegen.

Am 12. Juli 186l schrieb er dem König von Italien: „Ich werde meine
Truppen in Rom lasse», solange Ew. Majestät sich nicht mit dem Papst aus¬
gesöhnt hat oder der heilige Vater die Staaten, welche ihm noch bleiben, durch
die Invasion einer regulären oder irregulären M.reht bedroht sieht", und fast
e>n Jahr später erklärte der Italien so günstige Minister Thouvenel in einer
Depesche an den Marquis de Lavalette. Botschafter in Rom: Niemals hat die
kaiserliche Negierung ein Wort ausgesprochen, welches das Cabinet von Turin
hätte hoffen lassen, daß die Hauptstadt des Katholicismus gleichzeitig mit Zu-
stimmung Frankreichs die Hauptstadt des großen Königreichs werden könne,
das sich jenseits der Alpen gebildet hat. Alle unsre Handlungen, alle unsre
Erklärungen, stimmen im Gegentheil in der Kundgebung unsres festen und be¬
harrlichen Willens überein, den Papst im Besitz des Theiles seiner Staaten
zu erhalten, welche ihm die Gegenwart unsrer Fahnen bewahrt hat". Jedes
Arrangement, sagte der Minister, müsse auf der Basis des Status quo ruhen,
dn Papst könne seine Rechte über seine früheren Provinzen reserviren, aber
müsse darauf verzichten, in denselben noch zu regieren. Italien andrerseits müsse
sein Begehren nach Rom aufgeben und den größten Theil der päpstlichen
Schuld übernehmen. — Die Curie aber beharrte auf ihrem non xossmrms
und der faktische Besitzstand dauerte fort, bis die Welt im September 1864
durch den Abschluß einer Convention zwischen Frankreich und Italien über-
r.ischt ward, welche einen bedeutenden Schritt zur Lösung der römischen Frage
zu thun bestimmt war. Italien verpflichtete sich dadurch, das gegenwärtige
päpstliche Gebiet nicht anzugreifen und jeden Angriff von außen auf dasselbe
zu hindern, es verzichtete ferner im Voraus auf jeden Einwand gegen die Bil¬
dung einer päpstlichen Armee, sofern dieselbe nicht zum Angriffsmittel gegen die
italienische Negierung werden könne, es erklärte sich bereit, einen Verhältniß-
mäßigen Theil der päpstlichen Schuld zu übernehmen und versprach in einem
gleichzeitig unterzeichneten Protokoll die Verlegung seiner Hauptstadt; dagegen
machte Frankreich sich verbindlich, seine Truppen binnen zwei Jahren aus Rom
zurückzuziehen. Die Lücken dieser Stipulationen sprangen in die Augen, Italien


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[0356] der päpstlichen Regierung zu gefährde» (Protokoll vom 8. April 18S6). ES ist kaum zweifelhaft, daß. falls es vor 1859 zu dieser Räumung gekommen wäre, in Folge des Krieges das päpstliche Regiment in Rom so gut gefallen wäre, wie in den Legationen und Marken; aber einmal dort noch anwesend, konnte die französische Garnison den Papst nicht der Revolution überlassen. Später nahm Pio Nouv in seiner heftigen Gereiztheit gegen Napoleon die Initiative zu Verhandlungen über den Abzug der Besatzung, aber dieselben zerschlugen sich und andrerseits setzte der Kaiser den Forderungen des Duran- doschen Ministeriums, welches laut Rom als nothwendige Hauptstadt Italiens verlangte, eine bestimmte Weigerung entgegen. Am 12. Juli 186l schrieb er dem König von Italien: „Ich werde meine Truppen in Rom lasse», solange Ew. Majestät sich nicht mit dem Papst aus¬ gesöhnt hat oder der heilige Vater die Staaten, welche ihm noch bleiben, durch die Invasion einer regulären oder irregulären M.reht bedroht sieht", und fast e>n Jahr später erklärte der Italien so günstige Minister Thouvenel in einer Depesche an den Marquis de Lavalette. Botschafter in Rom: Niemals hat die kaiserliche Negierung ein Wort ausgesprochen, welches das Cabinet von Turin hätte hoffen lassen, daß die Hauptstadt des Katholicismus gleichzeitig mit Zu- stimmung Frankreichs die Hauptstadt des großen Königreichs werden könne, das sich jenseits der Alpen gebildet hat. Alle unsre Handlungen, alle unsre Erklärungen, stimmen im Gegentheil in der Kundgebung unsres festen und be¬ harrlichen Willens überein, den Papst im Besitz des Theiles seiner Staaten zu erhalten, welche ihm die Gegenwart unsrer Fahnen bewahrt hat". Jedes Arrangement, sagte der Minister, müsse auf der Basis des Status quo ruhen, dn Papst könne seine Rechte über seine früheren Provinzen reserviren, aber müsse darauf verzichten, in denselben noch zu regieren. Italien andrerseits müsse sein Begehren nach Rom aufgeben und den größten Theil der päpstlichen Schuld übernehmen. — Die Curie aber beharrte auf ihrem non xossmrms und der faktische Besitzstand dauerte fort, bis die Welt im September 1864 durch den Abschluß einer Convention zwischen Frankreich und Italien über- r.ischt ward, welche einen bedeutenden Schritt zur Lösung der römischen Frage zu thun bestimmt war. Italien verpflichtete sich dadurch, das gegenwärtige päpstliche Gebiet nicht anzugreifen und jeden Angriff von außen auf dasselbe zu hindern, es verzichtete ferner im Voraus auf jeden Einwand gegen die Bil¬ dung einer päpstlichen Armee, sofern dieselbe nicht zum Angriffsmittel gegen die italienische Negierung werden könne, es erklärte sich bereit, einen Verhältniß- mäßigen Theil der päpstlichen Schuld zu übernehmen und versprach in einem gleichzeitig unterzeichneten Protokoll die Verlegung seiner Hauptstadt; dagegen machte Frankreich sich verbindlich, seine Truppen binnen zwei Jahren aus Rom zurückzuziehen. Die Lücken dieser Stipulationen sprangen in die Augen, Italien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/356>, abgerufen am 19.10.2024.