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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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seine Papiere noch, es kann nicht auslaufen, bevor sie unterzeichnet sind". --
Wir gingen gerades Wegs zum Castell und forderten den Commandanten zu
sprechen. Der war nicht wenig erstaunt, den Capitein des Kriegsschiffes mit
dem Consul zu so früher Stunde bei sich zu sehen. Er war augenscheinlich
eben erst aus seinem Uorgan aufgetaucht und sein Narguilch war kaum erst
angezündet. Wir redeten ihn mit der ganzen unziemlichen Hast an, mit welcher
die verrückten Engländer, wenn es sich einmal wirklich um etwas Ernsthaftes
handelt, in das Kieff eines Orientalen einzubrechen Pflegen, ohne erst den
Pflichtschuldigen Austausch gegenseitiger Komplimente abzuwarten. Nachdem ich
ihm kurzweg einen guten Morgen gewünscht, überreichte ich ihm den Firman
mit der befriedigten Miene kaltlächelnder Siegesgewißheit, mit der ein Whist¬
spieler beim ersten Stich Trumpf-As ausspielt. Die Türken gerathen selten in
Erstaunen, aber mein Freund der Commandant wurde sichtlich unruhig. Er
las den Firman mehrmals durch, das Document war in gültigster Form unter¬
zeichnet und gesiegelt, der Wortlaut dieser Hads-rs.eorxus Acte war so präcis,
daß an keine Ausflüchte zu denken war; die Löwen sollten mir ausgeliefert
werden, gleichviel ob sie noch an der Mauer oder schon eingeschifft waren.
Plötzlich blitzte dem Commandanten ein lichter Gedanke auf. "Der Firman".
sprach er. "redet von Löwen -- asi-me-u- -- aber die Thiere an den Mauern
des Castells sind Leoparden -- eaxlavtar". "Halt äostoum mein Freund",
sprach ich, "aslimtlu' oder eg.Mirtu,r, Ihr wißt ganz gut, welche Bestien in
dem Firman gemeint und wo sie zu finden sind. Diese Bestien fordere ich und
keine anderen". "Aber", erwiderte der Commandant indem er mit plötzlicher
Schwenkung andere Gründe zum Widerstand hervorsuchte, "wer seil mir meine
Auslagen bezahlen? Die Summe, welche mir die Pforte dazu angewiesen
hat, ist so klein, daß ich die Kosten fürs Herunternehmen der Löwen größten-
theils aus meiner eigenen Tasche habe decken müssen". "Beruhigen Sie sich
über diesen Punkt vollständig, ich habe Auftrag, alle entstandenen Unkosten
zu berichtigen". "So wurden mir endlich die Löwen überantwortet." --
So erfreulich auch die gemachten Funde waren, welche besonders über die
Architectur viel Aufschluß brachten, so war doch der Gewinn an Sculpturen
nur mäßig, bis im Anfang des Sommers ein neuer Fund gemacht wurde,
der alle bisherigen weitaus an Wichtigkeit übertraf, ja das Bedeutendste ist,
^as seit langer Zeit überhaupt an Entdeckungen alter Kunstwerke vorgekom¬
men. An der Nordseite des Gebäudes nämlich war die Linie des Unterbaues
"icht gerade fortlaufend, sondern machte in der Nähe der Nordwestecke eine
starke Ausbiegung, welche die Fortsetzung der Ausgrabungen nach dieser Seite
hin veranlaßte. Newton berichtet in seinen Briefen über diese Arbeiten Folgendes:

"Als ich hier grub, wurde ich von einer Mauer aufgehalten, die in neuerer
Zeit aus Geröll aufgeführt war und das Besitzthum eines Türken nebst einem


^renzboten IV. 1867. ^

seine Papiere noch, es kann nicht auslaufen, bevor sie unterzeichnet sind". —
Wir gingen gerades Wegs zum Castell und forderten den Commandanten zu
sprechen. Der war nicht wenig erstaunt, den Capitein des Kriegsschiffes mit
dem Consul zu so früher Stunde bei sich zu sehen. Er war augenscheinlich
eben erst aus seinem Uorgan aufgetaucht und sein Narguilch war kaum erst
angezündet. Wir redeten ihn mit der ganzen unziemlichen Hast an, mit welcher
die verrückten Engländer, wenn es sich einmal wirklich um etwas Ernsthaftes
handelt, in das Kieff eines Orientalen einzubrechen Pflegen, ohne erst den
Pflichtschuldigen Austausch gegenseitiger Komplimente abzuwarten. Nachdem ich
ihm kurzweg einen guten Morgen gewünscht, überreichte ich ihm den Firman
mit der befriedigten Miene kaltlächelnder Siegesgewißheit, mit der ein Whist¬
spieler beim ersten Stich Trumpf-As ausspielt. Die Türken gerathen selten in
Erstaunen, aber mein Freund der Commandant wurde sichtlich unruhig. Er
las den Firman mehrmals durch, das Document war in gültigster Form unter¬
zeichnet und gesiegelt, der Wortlaut dieser Hads-rs.eorxus Acte war so präcis,
daß an keine Ausflüchte zu denken war; die Löwen sollten mir ausgeliefert
werden, gleichviel ob sie noch an der Mauer oder schon eingeschifft waren.
Plötzlich blitzte dem Commandanten ein lichter Gedanke auf. „Der Firman".
sprach er. „redet von Löwen — asi-me-u- — aber die Thiere an den Mauern
des Castells sind Leoparden — eaxlavtar". „Halt äostoum mein Freund",
sprach ich, „aslimtlu' oder eg.Mirtu,r, Ihr wißt ganz gut, welche Bestien in
dem Firman gemeint und wo sie zu finden sind. Diese Bestien fordere ich und
keine anderen". „Aber", erwiderte der Commandant indem er mit plötzlicher
Schwenkung andere Gründe zum Widerstand hervorsuchte, „wer seil mir meine
Auslagen bezahlen? Die Summe, welche mir die Pforte dazu angewiesen
hat, ist so klein, daß ich die Kosten fürs Herunternehmen der Löwen größten-
theils aus meiner eigenen Tasche habe decken müssen". „Beruhigen Sie sich
über diesen Punkt vollständig, ich habe Auftrag, alle entstandenen Unkosten
zu berichtigen". „So wurden mir endlich die Löwen überantwortet." —
So erfreulich auch die gemachten Funde waren, welche besonders über die
Architectur viel Aufschluß brachten, so war doch der Gewinn an Sculpturen
nur mäßig, bis im Anfang des Sommers ein neuer Fund gemacht wurde,
der alle bisherigen weitaus an Wichtigkeit übertraf, ja das Bedeutendste ist,
^as seit langer Zeit überhaupt an Entdeckungen alter Kunstwerke vorgekom¬
men. An der Nordseite des Gebäudes nämlich war die Linie des Unterbaues
"icht gerade fortlaufend, sondern machte in der Nähe der Nordwestecke eine
starke Ausbiegung, welche die Fortsetzung der Ausgrabungen nach dieser Seite
hin veranlaßte. Newton berichtet in seinen Briefen über diese Arbeiten Folgendes:

„Als ich hier grub, wurde ich von einer Mauer aufgehalten, die in neuerer
Zeit aus Geröll aufgeführt war und das Besitzthum eines Türken nebst einem


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[0273] seine Papiere noch, es kann nicht auslaufen, bevor sie unterzeichnet sind". — Wir gingen gerades Wegs zum Castell und forderten den Commandanten zu sprechen. Der war nicht wenig erstaunt, den Capitein des Kriegsschiffes mit dem Consul zu so früher Stunde bei sich zu sehen. Er war augenscheinlich eben erst aus seinem Uorgan aufgetaucht und sein Narguilch war kaum erst angezündet. Wir redeten ihn mit der ganzen unziemlichen Hast an, mit welcher die verrückten Engländer, wenn es sich einmal wirklich um etwas Ernsthaftes handelt, in das Kieff eines Orientalen einzubrechen Pflegen, ohne erst den Pflichtschuldigen Austausch gegenseitiger Komplimente abzuwarten. Nachdem ich ihm kurzweg einen guten Morgen gewünscht, überreichte ich ihm den Firman mit der befriedigten Miene kaltlächelnder Siegesgewißheit, mit der ein Whist¬ spieler beim ersten Stich Trumpf-As ausspielt. Die Türken gerathen selten in Erstaunen, aber mein Freund der Commandant wurde sichtlich unruhig. Er las den Firman mehrmals durch, das Document war in gültigster Form unter¬ zeichnet und gesiegelt, der Wortlaut dieser Hads-rs.eorxus Acte war so präcis, daß an keine Ausflüchte zu denken war; die Löwen sollten mir ausgeliefert werden, gleichviel ob sie noch an der Mauer oder schon eingeschifft waren. Plötzlich blitzte dem Commandanten ein lichter Gedanke auf. „Der Firman". sprach er. „redet von Löwen — asi-me-u- — aber die Thiere an den Mauern des Castells sind Leoparden — eaxlavtar". „Halt äostoum mein Freund", sprach ich, „aslimtlu' oder eg.Mirtu,r, Ihr wißt ganz gut, welche Bestien in dem Firman gemeint und wo sie zu finden sind. Diese Bestien fordere ich und keine anderen". „Aber", erwiderte der Commandant indem er mit plötzlicher Schwenkung andere Gründe zum Widerstand hervorsuchte, „wer seil mir meine Auslagen bezahlen? Die Summe, welche mir die Pforte dazu angewiesen hat, ist so klein, daß ich die Kosten fürs Herunternehmen der Löwen größten- theils aus meiner eigenen Tasche habe decken müssen". „Beruhigen Sie sich über diesen Punkt vollständig, ich habe Auftrag, alle entstandenen Unkosten zu berichtigen". „So wurden mir endlich die Löwen überantwortet." — So erfreulich auch die gemachten Funde waren, welche besonders über die Architectur viel Aufschluß brachten, so war doch der Gewinn an Sculpturen nur mäßig, bis im Anfang des Sommers ein neuer Fund gemacht wurde, der alle bisherigen weitaus an Wichtigkeit übertraf, ja das Bedeutendste ist, ^as seit langer Zeit überhaupt an Entdeckungen alter Kunstwerke vorgekom¬ men. An der Nordseite des Gebäudes nämlich war die Linie des Unterbaues "icht gerade fortlaufend, sondern machte in der Nähe der Nordwestecke eine starke Ausbiegung, welche die Fortsetzung der Ausgrabungen nach dieser Seite hin veranlaßte. Newton berichtet in seinen Briefen über diese Arbeiten Folgendes: „Als ich hier grub, wurde ich von einer Mauer aufgehalten, die in neuerer Zeit aus Geröll aufgeführt war und das Besitzthum eines Türken nebst einem ^renzboten IV. 1867. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/273>, abgerufen am 20.10.2024.