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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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seines hohen Werthes in jeder Hinsicht würdigen Dame, die deshalb wohl hier
eine Erwähnung verdient, da sie dereinst in Frankfurt a. M. die Dcchlmann
und Albrecht und Riesser an ihrem und ihres Gatten Theetisch vereinte und
mit geistvoller Liebenswürdigkeit ihnen Erholung bot nach ernsten Stunden
Parlamentarischer Kämpfe. Nicht lange ist Simson "endemischer Lehrer geblieben.
Schon seit 1834 gleichzeitig mit seiner academischen Wirksamkeit zum Mitglied
des königsberger "Tribunals" (ostpreuß. Appellationsgericht), ernannt, widmete
er sich bald ganz dem richterlichen Berufe, ward 1846 Rath des königsberger
Tribunals und ist bis jetzt zum Vicepräsidenten des Appellationsgerichts in
Frankfurt a. O. gestiegen, allgemein geschätzt wegen der Tiefe seines Wissens
und der Klarheit seiner Auffassung. An sein Wirken in Frankfurt knüpft sich
die Erinnerung weltgeschichtlicher Ereignisse. Er übernimmt das Präsidium des
Parlamentes, als Gagern nach dem Rücktritt Schmerlings Ministerpräsident
ward, und nun nach Klarlegung der Nothwendigkeit vom Ausschluß Oestreichs
endlich das deutsche Einigungswerk auf das allein richtige Ziel, die preußische
Kaiserkrone hingeführt ward. Er steht dann an der Spitze der Deputation, die
hoffnungsreichen Herzens dem vierten Friedrich Wilhelm die Kaiserkrone ent-
gegentrug, und nach Frankfurt zurückkehrte mit dem großen Schmerz, daß die
Hoffnungen der deutschen Revolution zu Grabe zu tragen seien. Dann legte
er wenige Tage später zugleich mit Dahlmann, Arndt, Bernhardt sein Mandat
nieder, und verließ die Paulskirche. Nachdem er in Erfurt noch einmal mit
den Genossen von Gotha und noch einmal vergeblich für die Gründung des
deutschen Staates unter Preußen gekämpft hatte, zog er sich bis 1858 zurück vom
großen politischen Leben, trat aber in diesem Jahr ins preußische Abgeordneten¬
haus ein, und gehörte hier auch dann, wenn seine ruhige kraftvolle Stimme
warnend der übermächtigen Fortschrittspartei Einhalt gebot auf der abschüssigen
Bahn des Conflicts zu den geachtetsten stets mit reichem Beifall gelohnten
Rednern des Hauses.

Als Redner verdient aber Simson auch wärmstes Lob. Der vollendetste
sprachliche Ausdruck, ein Periodenbau der in kunstvollem Umfang bald an die
reichsten Gedankenwerke unserer Classiker erinnert, bald in taciteischer Gedrungen¬
heit und plastischer Kürze die Resultate seines Denkens zeichnet, ist ihm gleich
sehr eigen. Und wenn die würdevolle Ruhe des großen Redners jedes seiner
Worte weiht, so ist auch jedes beseelt von dem wohlthuenden Hauch innerster
Bewegung und Ueberzeugung. Als angeborne höchste Gabe des seltsamen
Mannes aber muß bezeichnet werden der wunderbare Tact und die meisterhafte
Geschicklichkeit große parlamentarische Debatten zu leiten, die verwickeltste Sach¬
lage mit klarem Blick zu beherrschen, durch einfache Fragstellung zur Befriedi-
gung aller Parteien zu Ende zu führen und die heftigsten Leidenschaften zu
ebnen durch ein Wort seines Mundes. Wehe dem Mann, dem abschweifenden,


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seines hohen Werthes in jeder Hinsicht würdigen Dame, die deshalb wohl hier
eine Erwähnung verdient, da sie dereinst in Frankfurt a. M. die Dcchlmann
und Albrecht und Riesser an ihrem und ihres Gatten Theetisch vereinte und
mit geistvoller Liebenswürdigkeit ihnen Erholung bot nach ernsten Stunden
Parlamentarischer Kämpfe. Nicht lange ist Simson «endemischer Lehrer geblieben.
Schon seit 1834 gleichzeitig mit seiner academischen Wirksamkeit zum Mitglied
des königsberger „Tribunals" (ostpreuß. Appellationsgericht), ernannt, widmete
er sich bald ganz dem richterlichen Berufe, ward 1846 Rath des königsberger
Tribunals und ist bis jetzt zum Vicepräsidenten des Appellationsgerichts in
Frankfurt a. O. gestiegen, allgemein geschätzt wegen der Tiefe seines Wissens
und der Klarheit seiner Auffassung. An sein Wirken in Frankfurt knüpft sich
die Erinnerung weltgeschichtlicher Ereignisse. Er übernimmt das Präsidium des
Parlamentes, als Gagern nach dem Rücktritt Schmerlings Ministerpräsident
ward, und nun nach Klarlegung der Nothwendigkeit vom Ausschluß Oestreichs
endlich das deutsche Einigungswerk auf das allein richtige Ziel, die preußische
Kaiserkrone hingeführt ward. Er steht dann an der Spitze der Deputation, die
hoffnungsreichen Herzens dem vierten Friedrich Wilhelm die Kaiserkrone ent-
gegentrug, und nach Frankfurt zurückkehrte mit dem großen Schmerz, daß die
Hoffnungen der deutschen Revolution zu Grabe zu tragen seien. Dann legte
er wenige Tage später zugleich mit Dahlmann, Arndt, Bernhardt sein Mandat
nieder, und verließ die Paulskirche. Nachdem er in Erfurt noch einmal mit
den Genossen von Gotha und noch einmal vergeblich für die Gründung des
deutschen Staates unter Preußen gekämpft hatte, zog er sich bis 1858 zurück vom
großen politischen Leben, trat aber in diesem Jahr ins preußische Abgeordneten¬
haus ein, und gehörte hier auch dann, wenn seine ruhige kraftvolle Stimme
warnend der übermächtigen Fortschrittspartei Einhalt gebot auf der abschüssigen
Bahn des Conflicts zu den geachtetsten stets mit reichem Beifall gelohnten
Rednern des Hauses.

Als Redner verdient aber Simson auch wärmstes Lob. Der vollendetste
sprachliche Ausdruck, ein Periodenbau der in kunstvollem Umfang bald an die
reichsten Gedankenwerke unserer Classiker erinnert, bald in taciteischer Gedrungen¬
heit und plastischer Kürze die Resultate seines Denkens zeichnet, ist ihm gleich
sehr eigen. Und wenn die würdevolle Ruhe des großen Redners jedes seiner
Worte weiht, so ist auch jedes beseelt von dem wohlthuenden Hauch innerster
Bewegung und Ueberzeugung. Als angeborne höchste Gabe des seltsamen
Mannes aber muß bezeichnet werden der wunderbare Tact und die meisterhafte
Geschicklichkeit große parlamentarische Debatten zu leiten, die verwickeltste Sach¬
lage mit klarem Blick zu beherrschen, durch einfache Fragstellung zur Befriedi-
gung aller Parteien zu Ende zu führen und die heftigsten Leidenschaften zu
ebnen durch ein Wort seines Mundes. Wehe dem Mann, dem abschweifenden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/243>, abgerufen am 19.10.2024.