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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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entgegenkommende Nachgiebigkeit Preußens geradezu ein Unrecht gewesen. Sie
hätte die principielle Entscheidung darüber, was aus dem Süden werden soll
doch nur hinausgeschoben, die anspruchsvolle Hoffarth der Particularisten ma߬
los gesteigert, die Begriffe über das künftige Verhältniß des Südens zum Norden
ein für allemal verwirrt. Aus diesen Gründen müssen wir die entschiedene
Hoffnung aussprechen, Preußen werde das Ansinnen der bayrischen Pairskam-
mer kurzweg ablehnen und dadurch eine Krisis in München herbeiführen, wie
sie seit lange an der Zeit ist.

Unsere bereits angedeutete Meinung, eine Ablehnung der Zoll- und Alli-
ance-Verträge, werde aus der süddeutschen eine bloße "bayrisch-würtenbergische"
Frage machen, möchte der Ausführung nicht weiter bedürfen, denn es kann für
selbstverständlich gelten, daß Baden vor den Folgen der Verblendung seiner
Nachbarn sicher gestellt werden muß. Als einziges außerhalb des norddeutschen
Staats stehendes Glied des Zollbundes (die übrig gebliebene Hälfte Darm-
stadts käme nicht in Betracht), von Staaten umgeben, die ihre Feindschaft
gegen Preußen offen documentirt haben, würde dieser Staat aber in eine un¬
haltbare Stellung gerathen. Die vollständige Aufnahme in den norddeutschen
Bund zu fordern, ist er solchen Falls berechtigt und verpflichtet, und daß Preu¬
ßen diese Forderung nicht zurückweisen würde, kann nach dem letzten Circulair
des Grasen Bismarck für ausgemacht gelten. Wie Frankreich einen solchen Schritt
auffassen würde, bleibt allerdings eine offene Frage; seine Stellung zu diesem
Staat hat Preußen aber durch die vorletzte Alinea der Thronrede, welche den
Reichstag beschloß, so deutlich bezeichnet, daß wir Rücksichten aus die Regierung,
welche in Italien intervenirte, nicht zu fürchten brauchen. Dank dem glück¬
lichen Verlauf der letzten Versammlung der norddeutschen Volksvertreter
steht der preußisch-deutsche Staat so mächtig und schlagfertig da, daß Frank¬
reich sich zur Einmischung in seine Angelegenheiten schwerlich so leicht ent¬
schließen wird, wie zu einer italienischen Expedition. Wäre der Reichstag
ein nach dem Herzen unserer Radicalen zusammengesetzter gewesen, es stände
wesentlich anders. Auf die lange Reihe der wirthschaftlichen Reformen, welche
zum Austrag kamen, werden wir noch ausführlich zurückzukommen Gelegenheit
haben -- wie die Dinge im Augenblick liegen und angesichts der Ereignisse
in Italien, haben wir allen Grund, das glückliche Zustandekommen des Gesetzes
über die Verpflichtung zum Kriegsdienst als das Hauptresultat der letzten Ver-
sammlung des Reichstags zu bezeichnen.

Auch in seiner Mitte haben die Gegner der nationalen Sache ein Erklecb
liebes für die Förderung derselben gethan. Der Widerstand, welcher den Be¬
mühungen zur Herstellung eines vom Auslande geachteten und gefürchteten deutschen
Staats und der Entwickelung der wirthschaftlichen Freiheit geleistet wurde, ging
dieses mal nicht sowohl von den Veteranen der altpreußischen Opposition als von


entgegenkommende Nachgiebigkeit Preußens geradezu ein Unrecht gewesen. Sie
hätte die principielle Entscheidung darüber, was aus dem Süden werden soll
doch nur hinausgeschoben, die anspruchsvolle Hoffarth der Particularisten ma߬
los gesteigert, die Begriffe über das künftige Verhältniß des Südens zum Norden
ein für allemal verwirrt. Aus diesen Gründen müssen wir die entschiedene
Hoffnung aussprechen, Preußen werde das Ansinnen der bayrischen Pairskam-
mer kurzweg ablehnen und dadurch eine Krisis in München herbeiführen, wie
sie seit lange an der Zeit ist.

Unsere bereits angedeutete Meinung, eine Ablehnung der Zoll- und Alli-
ance-Verträge, werde aus der süddeutschen eine bloße „bayrisch-würtenbergische"
Frage machen, möchte der Ausführung nicht weiter bedürfen, denn es kann für
selbstverständlich gelten, daß Baden vor den Folgen der Verblendung seiner
Nachbarn sicher gestellt werden muß. Als einziges außerhalb des norddeutschen
Staats stehendes Glied des Zollbundes (die übrig gebliebene Hälfte Darm-
stadts käme nicht in Betracht), von Staaten umgeben, die ihre Feindschaft
gegen Preußen offen documentirt haben, würde dieser Staat aber in eine un¬
haltbare Stellung gerathen. Die vollständige Aufnahme in den norddeutschen
Bund zu fordern, ist er solchen Falls berechtigt und verpflichtet, und daß Preu¬
ßen diese Forderung nicht zurückweisen würde, kann nach dem letzten Circulair
des Grasen Bismarck für ausgemacht gelten. Wie Frankreich einen solchen Schritt
auffassen würde, bleibt allerdings eine offene Frage; seine Stellung zu diesem
Staat hat Preußen aber durch die vorletzte Alinea der Thronrede, welche den
Reichstag beschloß, so deutlich bezeichnet, daß wir Rücksichten aus die Regierung,
welche in Italien intervenirte, nicht zu fürchten brauchen. Dank dem glück¬
lichen Verlauf der letzten Versammlung der norddeutschen Volksvertreter
steht der preußisch-deutsche Staat so mächtig und schlagfertig da, daß Frank¬
reich sich zur Einmischung in seine Angelegenheiten schwerlich so leicht ent¬
schließen wird, wie zu einer italienischen Expedition. Wäre der Reichstag
ein nach dem Herzen unserer Radicalen zusammengesetzter gewesen, es stände
wesentlich anders. Auf die lange Reihe der wirthschaftlichen Reformen, welche
zum Austrag kamen, werden wir noch ausführlich zurückzukommen Gelegenheit
haben — wie die Dinge im Augenblick liegen und angesichts der Ereignisse
in Italien, haben wir allen Grund, das glückliche Zustandekommen des Gesetzes
über die Verpflichtung zum Kriegsdienst als das Hauptresultat der letzten Ver-
sammlung des Reichstags zu bezeichnen.

Auch in seiner Mitte haben die Gegner der nationalen Sache ein Erklecb
liebes für die Förderung derselben gethan. Der Widerstand, welcher den Be¬
mühungen zur Herstellung eines vom Auslande geachteten und gefürchteten deutschen
Staats und der Entwickelung der wirthschaftlichen Freiheit geleistet wurde, ging
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/240>, abgerufen am 20.10.2024.