Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Occupationsheer in Rom ist aber mit der Konsolidation der italienischen Monarchie
unverträglich und macht diese Monarchie zum Opfer mazzinistischer Umtriebe,
das hat eine vieljährige Erfahrung bewiesen. Die italienische Revolution
in Permanenz zu erklären, ist für Frankreich mehr wie unrathscim.
Im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehre dieses Staates hat die französische
Gesellschaft oder doch ein bedeutender Bruchtheil derselben die Expedition Civita-
Vecchias allerdings gebilligt, diese Billigung ist aber wesentlich verschieden
Von einer Zufriedenheit mit den Folgen dieses Unternehmens. Verharrt das
italienische Cabinet in seinem Gehorsam gegen den Kaiser, so steht das Schreck¬
bild der Anarchie Italiens und endloser mazzinistis.l er Verschwörungen vor ihm
und den pariser Bourgois. Rafft Italien sich auf. stellt Victor Emanuel sich
an die Seite Garibcildi's. so ist ein Krieg unvermeidlich. Ein Feldzug für die
weltliche Macht Pius IX. und gegen das Nationaliiätsprincip, für welches
das zweite Kaisertum seit acht Jahren Blut und Ehre einsetzt, aber wird sicher
noch weniger Anhänger finden, als ein Krieg gegen Deutschland. Die Einberufung
der französischen Kammern bekundet deutlich genug, daß die Regierung das Be-
dürfniß einer moralischen Unterstützung ihrer Politik durch die Volksvertretung
empfindet. Bis diese zusammengetreten ist, können sich die Dinge und die fran¬
zösischen Anschauungen über dieselben leicht geändert haben.

Indessen Frankreich mit der Frage beschäftigt war, bis zu welcher Grenze
eS der Erhaltung des Papstthums Opfer zu bringen habe, hat Oestreichs
Kaiser zum erstenmale deutlich ausgesprochen, daß sein Eifer für die
Herrschaft der katholischen Kirche an dem Interesse des Staats eine
natürliche Schranke habe. Die Wirkung dieses kaiserlichen Worts ist nicht nur
in Oestreich selbst eine außerordentlich nachhaltige gewesen, sie hat dazu beige¬
tragen, Franz Josef in Paris einen freundlichen Empfang zu bereiten und den
Glauben der Franzosen an die Zukunft der Habsburgischen Monarchie zu ihrem
Beruf für ein freisinniges Regiment zu stärken. Wider Erwarten ist das Echo
der den östreichischen Bischöfen ertheilten Antwort in Süddeutschland ziemlich
rasch verhallt, rascher als ihrer Zeit die Reden, in denen Herr v. Beust dem
wiener Reichsrath sein liberales Programm vorlegte oder der Jubel über das
noch liberalere Ministerverantwortlichkeits-Gesetz. welches derselbe Staatsmann dem
jungen östreichischen Parlamentarismus zum Hochzeitsgeschenk machte. Die süd¬
deutschen Kammern und die Organe der süddeutschen Presse sind ausschließlich
Mit der Entscheidung über die Alliance-Verträge beschäftigt, deren Annahme
Preußen zur Bedingung des Fortbestandes des Zollvereins gemacht hat. Noch
ist das entscheidende Wort weder in Bayern noch in Würtemberg gesprochen
Worden; in dem Staat der Wittelsbacher hat die Herrenkammer ihre Zustim-
wung indessen an Bedingungen geknüpft, auf die man sich in Berlin schwerlich
einlassen wird, in Stuttgart macht das Abgeordnetenhaus ernstliche Miene mit


Occupationsheer in Rom ist aber mit der Konsolidation der italienischen Monarchie
unverträglich und macht diese Monarchie zum Opfer mazzinistischer Umtriebe,
das hat eine vieljährige Erfahrung bewiesen. Die italienische Revolution
in Permanenz zu erklären, ist für Frankreich mehr wie unrathscim.
Im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehre dieses Staates hat die französische
Gesellschaft oder doch ein bedeutender Bruchtheil derselben die Expedition Civita-
Vecchias allerdings gebilligt, diese Billigung ist aber wesentlich verschieden
Von einer Zufriedenheit mit den Folgen dieses Unternehmens. Verharrt das
italienische Cabinet in seinem Gehorsam gegen den Kaiser, so steht das Schreck¬
bild der Anarchie Italiens und endloser mazzinistis.l er Verschwörungen vor ihm
und den pariser Bourgois. Rafft Italien sich auf. stellt Victor Emanuel sich
an die Seite Garibcildi's. so ist ein Krieg unvermeidlich. Ein Feldzug für die
weltliche Macht Pius IX. und gegen das Nationaliiätsprincip, für welches
das zweite Kaisertum seit acht Jahren Blut und Ehre einsetzt, aber wird sicher
noch weniger Anhänger finden, als ein Krieg gegen Deutschland. Die Einberufung
der französischen Kammern bekundet deutlich genug, daß die Regierung das Be-
dürfniß einer moralischen Unterstützung ihrer Politik durch die Volksvertretung
empfindet. Bis diese zusammengetreten ist, können sich die Dinge und die fran¬
zösischen Anschauungen über dieselben leicht geändert haben.

Indessen Frankreich mit der Frage beschäftigt war, bis zu welcher Grenze
eS der Erhaltung des Papstthums Opfer zu bringen habe, hat Oestreichs
Kaiser zum erstenmale deutlich ausgesprochen, daß sein Eifer für die
Herrschaft der katholischen Kirche an dem Interesse des Staats eine
natürliche Schranke habe. Die Wirkung dieses kaiserlichen Worts ist nicht nur
in Oestreich selbst eine außerordentlich nachhaltige gewesen, sie hat dazu beige¬
tragen, Franz Josef in Paris einen freundlichen Empfang zu bereiten und den
Glauben der Franzosen an die Zukunft der Habsburgischen Monarchie zu ihrem
Beruf für ein freisinniges Regiment zu stärken. Wider Erwarten ist das Echo
der den östreichischen Bischöfen ertheilten Antwort in Süddeutschland ziemlich
rasch verhallt, rascher als ihrer Zeit die Reden, in denen Herr v. Beust dem
wiener Reichsrath sein liberales Programm vorlegte oder der Jubel über das
noch liberalere Ministerverantwortlichkeits-Gesetz. welches derselbe Staatsmann dem
jungen östreichischen Parlamentarismus zum Hochzeitsgeschenk machte. Die süd¬
deutschen Kammern und die Organe der süddeutschen Presse sind ausschließlich
Mit der Entscheidung über die Alliance-Verträge beschäftigt, deren Annahme
Preußen zur Bedingung des Fortbestandes des Zollvereins gemacht hat. Noch
ist das entscheidende Wort weder in Bayern noch in Würtemberg gesprochen
Worden; in dem Staat der Wittelsbacher hat die Herrenkammer ihre Zustim-
wung indessen an Bedingungen geknüpft, auf die man sich in Berlin schwerlich
einlassen wird, in Stuttgart macht das Abgeordnetenhaus ernstliche Miene mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191998"/>
          <p xml:id="ID_659" prev="#ID_658"> Occupationsheer in Rom ist aber mit der Konsolidation der italienischen Monarchie<lb/>
unverträglich und macht diese Monarchie zum Opfer mazzinistischer Umtriebe,<lb/>
das hat eine vieljährige Erfahrung bewiesen. Die italienische Revolution<lb/>
in Permanenz zu erklären, ist für Frankreich mehr wie unrathscim.<lb/>
Im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehre dieses Staates hat die französische<lb/>
Gesellschaft oder doch ein bedeutender Bruchtheil derselben die Expedition Civita-<lb/>
Vecchias allerdings gebilligt, diese Billigung ist aber wesentlich verschieden<lb/>
Von einer Zufriedenheit mit den Folgen dieses Unternehmens. Verharrt das<lb/>
italienische Cabinet in seinem Gehorsam gegen den Kaiser, so steht das Schreck¬<lb/>
bild der Anarchie Italiens und endloser mazzinistis.l er Verschwörungen vor ihm<lb/>
und den pariser Bourgois. Rafft Italien sich auf. stellt Victor Emanuel sich<lb/>
an die Seite Garibcildi's. so ist ein Krieg unvermeidlich. Ein Feldzug für die<lb/>
weltliche Macht Pius IX. und gegen das Nationaliiätsprincip, für welches<lb/>
das zweite Kaisertum seit acht Jahren Blut und Ehre einsetzt, aber wird sicher<lb/>
noch weniger Anhänger finden, als ein Krieg gegen Deutschland. Die Einberufung<lb/>
der französischen Kammern bekundet deutlich genug, daß die Regierung das Be-<lb/>
dürfniß einer moralischen Unterstützung ihrer Politik durch die Volksvertretung<lb/>
empfindet. Bis diese zusammengetreten ist, können sich die Dinge und die fran¬<lb/>
zösischen Anschauungen über dieselben leicht geändert haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_660" next="#ID_661"> Indessen Frankreich mit der Frage beschäftigt war, bis zu welcher Grenze<lb/>
eS der Erhaltung des Papstthums Opfer zu bringen habe, hat Oestreichs<lb/>
Kaiser zum erstenmale deutlich ausgesprochen, daß sein Eifer für die<lb/>
Herrschaft der katholischen Kirche an dem Interesse des Staats eine<lb/>
natürliche Schranke habe. Die Wirkung dieses kaiserlichen Worts ist nicht nur<lb/>
in Oestreich selbst eine außerordentlich nachhaltige gewesen, sie hat dazu beige¬<lb/>
tragen, Franz Josef in Paris einen freundlichen Empfang zu bereiten und den<lb/>
Glauben der Franzosen an die Zukunft der Habsburgischen Monarchie zu ihrem<lb/>
Beruf für ein freisinniges Regiment zu stärken. Wider Erwarten ist das Echo<lb/>
der den östreichischen Bischöfen ertheilten Antwort in Süddeutschland ziemlich<lb/>
rasch verhallt, rascher als ihrer Zeit die Reden, in denen Herr v. Beust dem<lb/>
wiener Reichsrath sein liberales Programm vorlegte oder der Jubel über das<lb/>
noch liberalere Ministerverantwortlichkeits-Gesetz. welches derselbe Staatsmann dem<lb/>
jungen östreichischen Parlamentarismus zum Hochzeitsgeschenk machte. Die süd¬<lb/>
deutschen Kammern und die Organe der süddeutschen Presse sind ausschließlich<lb/>
Mit der Entscheidung über die Alliance-Verträge beschäftigt, deren Annahme<lb/>
Preußen zur Bedingung des Fortbestandes des Zollvereins gemacht hat. Noch<lb/>
ist das entscheidende Wort weder in Bayern noch in Würtemberg gesprochen<lb/>
Worden; in dem Staat der Wittelsbacher hat die Herrenkammer ihre Zustim-<lb/>
wung indessen an Bedingungen geknüpft, auf die man sich in Berlin schwerlich<lb/>
einlassen wird, in Stuttgart macht das Abgeordnetenhaus ernstliche Miene mit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0237] Occupationsheer in Rom ist aber mit der Konsolidation der italienischen Monarchie unverträglich und macht diese Monarchie zum Opfer mazzinistischer Umtriebe, das hat eine vieljährige Erfahrung bewiesen. Die italienische Revolution in Permanenz zu erklären, ist für Frankreich mehr wie unrathscim. Im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehre dieses Staates hat die französische Gesellschaft oder doch ein bedeutender Bruchtheil derselben die Expedition Civita- Vecchias allerdings gebilligt, diese Billigung ist aber wesentlich verschieden Von einer Zufriedenheit mit den Folgen dieses Unternehmens. Verharrt das italienische Cabinet in seinem Gehorsam gegen den Kaiser, so steht das Schreck¬ bild der Anarchie Italiens und endloser mazzinistis.l er Verschwörungen vor ihm und den pariser Bourgois. Rafft Italien sich auf. stellt Victor Emanuel sich an die Seite Garibcildi's. so ist ein Krieg unvermeidlich. Ein Feldzug für die weltliche Macht Pius IX. und gegen das Nationaliiätsprincip, für welches das zweite Kaisertum seit acht Jahren Blut und Ehre einsetzt, aber wird sicher noch weniger Anhänger finden, als ein Krieg gegen Deutschland. Die Einberufung der französischen Kammern bekundet deutlich genug, daß die Regierung das Be- dürfniß einer moralischen Unterstützung ihrer Politik durch die Volksvertretung empfindet. Bis diese zusammengetreten ist, können sich die Dinge und die fran¬ zösischen Anschauungen über dieselben leicht geändert haben. Indessen Frankreich mit der Frage beschäftigt war, bis zu welcher Grenze eS der Erhaltung des Papstthums Opfer zu bringen habe, hat Oestreichs Kaiser zum erstenmale deutlich ausgesprochen, daß sein Eifer für die Herrschaft der katholischen Kirche an dem Interesse des Staats eine natürliche Schranke habe. Die Wirkung dieses kaiserlichen Worts ist nicht nur in Oestreich selbst eine außerordentlich nachhaltige gewesen, sie hat dazu beige¬ tragen, Franz Josef in Paris einen freundlichen Empfang zu bereiten und den Glauben der Franzosen an die Zukunft der Habsburgischen Monarchie zu ihrem Beruf für ein freisinniges Regiment zu stärken. Wider Erwarten ist das Echo der den östreichischen Bischöfen ertheilten Antwort in Süddeutschland ziemlich rasch verhallt, rascher als ihrer Zeit die Reden, in denen Herr v. Beust dem wiener Reichsrath sein liberales Programm vorlegte oder der Jubel über das noch liberalere Ministerverantwortlichkeits-Gesetz. welches derselbe Staatsmann dem jungen östreichischen Parlamentarismus zum Hochzeitsgeschenk machte. Die süd¬ deutschen Kammern und die Organe der süddeutschen Presse sind ausschließlich Mit der Entscheidung über die Alliance-Verträge beschäftigt, deren Annahme Preußen zur Bedingung des Fortbestandes des Zollvereins gemacht hat. Noch ist das entscheidende Wort weder in Bayern noch in Würtemberg gesprochen Worden; in dem Staat der Wittelsbacher hat die Herrenkammer ihre Zustim- wung indessen an Bedingungen geknüpft, auf die man sich in Berlin schwerlich einlassen wird, in Stuttgart macht das Abgeordnetenhaus ernstliche Miene mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/237
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/237>, abgerufen am 20.10.2024.