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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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zusammenwirken; es darf weder ein wirkliches oder vermeintliches binnenländi-
schts Interesse im Wege sein, noch eine Tradition der preußischen Bureaucratie n.;
-- endlich muß die Begründung des einzelne,, Wunsches gewichtig genug sein,
um im Nothfall eines hinzukommenden guten Willens entbehren zu können.
Und wie in der Verwaltung, ist es in der Gesetzgebung. Es ist eine beson-
dere Gunst des Schicksals, daß der Sieg Preußens über Oestreich in dem lan¬
gen Kampfe um die Führung Deutschlands mit dem Triumph der Freihcmdels-
Jvec in der öffentlichen Meinung zusammengefallen ist, sonst hätten die Hanse¬
städte den Uebergang der volkswirtschaftlichen Gesetzgebung auf den Bund
bitter genug zu beklagen gehabt. Eine exceptionelle Rücksicht, auf ihre örtlichen
Bedürfnisse tonnen sie natürlich ebensowenig in Anspruch nehmen als Irgend ein
anderer kleiner Theil des Ganzen. In dem Maße aber, als die Volkswirth-
schaftliche Gesetzgebung auf ihren gesteigerten und vervielfältigten Verkehr ein¬
schneidender wirkt als auf die größtentheils minder entwickelten Verkehrszustände
des Binnenlandes, müssen sie auch diesen Wechsel stärker empfinden --- wohl¬
thätig auf der ^me" Seite, nicht ohne vorübergehenden Nachtheil auf der
andern.

Indessen, das ist nun einmal die unwiderruflich gegebene Lage. Mehr als
das; es ist die nothwendige Konsequenz einer Reform unserer nationalen Ver¬
fassung, deren großen, überwältigenden Segen die Bürger der Hansestädte am
wenigsten gemeint sein können, abzuleugnen, weil sie durch ihre laufenden Be¬
ziehungen zum Auelande ihn am handgreiflichsten erfahren müssen. Es fällt
ihnen denn auch längst nicht mehr ein, sich grundsätzlich gegen die neue Ord¬
nung der Dinge zu sträuben. Bremen und Lübeck haben das überhaupt nicht
gethan; in Hamburg schrumpfen die conservativen und radicalen Extreme, die
mit den particularistischen Bestrebungen übereinstimmen, zusehends mehr aus
einige abgelebte Greise hier, einige unreife junge Demagogen dort, zusammen.
Im allgemeinen läßt sich behaupten, daß die Hansestädte sich in ihre veränderte
Stellung gefunden haben, einschließlich des Verlusts ihrer so kostbaren handels¬
politischen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Ja, dieser ist seltsamer Weise
von der Masse ihrer Bewohner weniger schmerzlich vermerkt worden, als der
Verlust der gleichgiltigen und übelangebrachten Militärhohcit. Allein was sich
darum noch nicht behaupten läßt, ist, daß man sich allerseits rüstig anschicke,
der veränderten Lage gemäß neue angemessene Einrichtungen zu treffen. Man
lebt vor der Hand noch fort in einer gewissen Lethargie, als wäre man zu be¬
täubt durch den Kanonendonner des vorigen Jahres oder durch die folgenrei¬
chen Reden im norddeutschen Reichstag, um sich sobald völlig fassen, an seine
Geschäfte und namentlich an bedeutungsvolle Neuerungen gehen zu können.
Die Seele des hanseatischen Politikers ist offenbar für seine eigentliche gegen¬
wärtige Aufgabe noch nicht frei genug. Hanseatische Patrioten im Sinne


zusammenwirken; es darf weder ein wirkliches oder vermeintliches binnenländi-
schts Interesse im Wege sein, noch eine Tradition der preußischen Bureaucratie n.;
— endlich muß die Begründung des einzelne,, Wunsches gewichtig genug sein,
um im Nothfall eines hinzukommenden guten Willens entbehren zu können.
Und wie in der Verwaltung, ist es in der Gesetzgebung. Es ist eine beson-
dere Gunst des Schicksals, daß der Sieg Preußens über Oestreich in dem lan¬
gen Kampfe um die Führung Deutschlands mit dem Triumph der Freihcmdels-
Jvec in der öffentlichen Meinung zusammengefallen ist, sonst hätten die Hanse¬
städte den Uebergang der volkswirtschaftlichen Gesetzgebung auf den Bund
bitter genug zu beklagen gehabt. Eine exceptionelle Rücksicht, auf ihre örtlichen
Bedürfnisse tonnen sie natürlich ebensowenig in Anspruch nehmen als Irgend ein
anderer kleiner Theil des Ganzen. In dem Maße aber, als die Volkswirth-
schaftliche Gesetzgebung auf ihren gesteigerten und vervielfältigten Verkehr ein¬
schneidender wirkt als auf die größtentheils minder entwickelten Verkehrszustände
des Binnenlandes, müssen sie auch diesen Wechsel stärker empfinden —- wohl¬
thätig auf der ^me» Seite, nicht ohne vorübergehenden Nachtheil auf der
andern.

Indessen, das ist nun einmal die unwiderruflich gegebene Lage. Mehr als
das; es ist die nothwendige Konsequenz einer Reform unserer nationalen Ver¬
fassung, deren großen, überwältigenden Segen die Bürger der Hansestädte am
wenigsten gemeint sein können, abzuleugnen, weil sie durch ihre laufenden Be¬
ziehungen zum Auelande ihn am handgreiflichsten erfahren müssen. Es fällt
ihnen denn auch längst nicht mehr ein, sich grundsätzlich gegen die neue Ord¬
nung der Dinge zu sträuben. Bremen und Lübeck haben das überhaupt nicht
gethan; in Hamburg schrumpfen die conservativen und radicalen Extreme, die
mit den particularistischen Bestrebungen übereinstimmen, zusehends mehr aus
einige abgelebte Greise hier, einige unreife junge Demagogen dort, zusammen.
Im allgemeinen läßt sich behaupten, daß die Hansestädte sich in ihre veränderte
Stellung gefunden haben, einschließlich des Verlusts ihrer so kostbaren handels¬
politischen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Ja, dieser ist seltsamer Weise
von der Masse ihrer Bewohner weniger schmerzlich vermerkt worden, als der
Verlust der gleichgiltigen und übelangebrachten Militärhohcit. Allein was sich
darum noch nicht behaupten läßt, ist, daß man sich allerseits rüstig anschicke,
der veränderten Lage gemäß neue angemessene Einrichtungen zu treffen. Man
lebt vor der Hand noch fort in einer gewissen Lethargie, als wäre man zu be¬
täubt durch den Kanonendonner des vorigen Jahres oder durch die folgenrei¬
chen Reden im norddeutschen Reichstag, um sich sobald völlig fassen, an seine
Geschäfte und namentlich an bedeutungsvolle Neuerungen gehen zu können.
Die Seele des hanseatischen Politikers ist offenbar für seine eigentliche gegen¬
wärtige Aufgabe noch nicht frei genug. Hanseatische Patrioten im Sinne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/228>, abgerufen am 20.10.2024.