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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Die hygienische Section hat sich sonach mit sehr wichtigen Fragen beschäf¬
tigt, keine aber zu einem Abschluß oder demselben nur viel näher gebracht. Die
Mittheilungen in Betreff des Typhus beruhten meist auf Beobachtungen, welche
über das Gewöhnliche (Jahreszeit, Temperatur u. tgi.) nicht hinausgingen.
Die Verhandlung über Entwässerung ließ diese specielle Frage ganz außer. Acht,
stellte aber wenigstens das Ergebniß fest, daß sich alle Aerzte und Ingenieure,
welche sick theoretisch und practisch mit der Canalisationsfrage beschäftigt hatten,
ohne Ausnahme und unbedingt für Wasserclosctte und Schwemmcanäle aus-
sprachen. Will die Section eine wahrhaft segensreiche Wirkung ausüben (und
diese ist ihr sehr nahe gelegt), so muß sie sich aus allen den oben angegebenen
Gründen entschließen, zu Beschlüssen, zu Aussprüchen ihrer Ansicht gelangen.
Diese müssen aber eingehender sein, als die dieses Jahr von Dr. Varrentrapp
vorgelegten. Die Wicbeschen über Canalisation waren richtiger geordnet, aber
nicht so klug und vorsichtig in der Beschränkung. Man studire doch gefälligst
die Thesen des Brüsseler Congresses für Gesundheitspflege (1832) und nehme
sie zum Muster. Vor allem aber muß der Vorsitzende fest daran halten, daß
die Fragen möglichst scharf begrenzt und einzeln zur Verhandlung und Abstim¬
mung gelangen. Wir beglückwünschen die frankfurter Versammlung zu der
Bildung dieser sicherlich vom größten Einfluß auf tre Gesundheitszustande in
Deutschland begleiteten Section; mögen die Versammlungen der nächsten Jahre
ihre Schuldigkeit in richtiger Ausbildung dieser Section thun.

Eine sehr große Verbesserung lag ferner in der Hebung der allgemeinen
Versammlungen zu der Höhe, die sie nur in den ersten Jahren gehabt
hatte". In den zwei letzten Jahrzehnten lag alles Interesse nur in den Sec-
tionssitzungen, zu Vorträgen in den allgemeinen Sitzungen drängten sich meist
Redelustige ohne Bedeutung. Vor zwei Jahren in Hannover beschloß die Ver¬
sammlung aus Virchows Antrag, daß in den allgemeinen Sitzungen Bericht
über die Fortschritte in den einzelnen Zweigen der Naturwissenschaften in einer
für jeden Naturforscher geeigneten und lehrreichen Weise erstattet würde. Die
frankfurter Geschäftsführer haben diesem Auftrage bestens entsprochen und eine
ausgezeichnete Wahl getroffen. Nicht minder glücklich lösten die 9 gewählten
Redner ihre Aufgabe. Gleich der alte Staatsrath Mädler, der den Reigen
eröffnete, lieferte einen auch in der Form meisterhaften Ueberblick der Leistungen
der Astronomie während der letzten 8 Jahre. Pettenkofer legte die Bedeu¬
tung der öffentlichen Gesundheitspflege dar und betonte die Nothwendigkeit
selbständiger Lehrstühle an allen Universitäten für dieses Fach, bis jetzt besäßen
nur die drei bayrischen Universitäten solche Professuren. Wundt sprach über
die Physik der Zelle in ihrer Beziehung zu den allgemeinen Principien der
Naturforschung, Ball über Mykologie, Virchow über die Fortschritte der Pa-
thologie, Clausius über den zweiten Lehrsatz der mechanischen Wärmetheorie,


Die hygienische Section hat sich sonach mit sehr wichtigen Fragen beschäf¬
tigt, keine aber zu einem Abschluß oder demselben nur viel näher gebracht. Die
Mittheilungen in Betreff des Typhus beruhten meist auf Beobachtungen, welche
über das Gewöhnliche (Jahreszeit, Temperatur u. tgi.) nicht hinausgingen.
Die Verhandlung über Entwässerung ließ diese specielle Frage ganz außer. Acht,
stellte aber wenigstens das Ergebniß fest, daß sich alle Aerzte und Ingenieure,
welche sick theoretisch und practisch mit der Canalisationsfrage beschäftigt hatten,
ohne Ausnahme und unbedingt für Wasserclosctte und Schwemmcanäle aus-
sprachen. Will die Section eine wahrhaft segensreiche Wirkung ausüben (und
diese ist ihr sehr nahe gelegt), so muß sie sich aus allen den oben angegebenen
Gründen entschließen, zu Beschlüssen, zu Aussprüchen ihrer Ansicht gelangen.
Diese müssen aber eingehender sein, als die dieses Jahr von Dr. Varrentrapp
vorgelegten. Die Wicbeschen über Canalisation waren richtiger geordnet, aber
nicht so klug und vorsichtig in der Beschränkung. Man studire doch gefälligst
die Thesen des Brüsseler Congresses für Gesundheitspflege (1832) und nehme
sie zum Muster. Vor allem aber muß der Vorsitzende fest daran halten, daß
die Fragen möglichst scharf begrenzt und einzeln zur Verhandlung und Abstim¬
mung gelangen. Wir beglückwünschen die frankfurter Versammlung zu der
Bildung dieser sicherlich vom größten Einfluß auf tre Gesundheitszustande in
Deutschland begleiteten Section; mögen die Versammlungen der nächsten Jahre
ihre Schuldigkeit in richtiger Ausbildung dieser Section thun.

Eine sehr große Verbesserung lag ferner in der Hebung der allgemeinen
Versammlungen zu der Höhe, die sie nur in den ersten Jahren gehabt
hatte». In den zwei letzten Jahrzehnten lag alles Interesse nur in den Sec-
tionssitzungen, zu Vorträgen in den allgemeinen Sitzungen drängten sich meist
Redelustige ohne Bedeutung. Vor zwei Jahren in Hannover beschloß die Ver¬
sammlung aus Virchows Antrag, daß in den allgemeinen Sitzungen Bericht
über die Fortschritte in den einzelnen Zweigen der Naturwissenschaften in einer
für jeden Naturforscher geeigneten und lehrreichen Weise erstattet würde. Die
frankfurter Geschäftsführer haben diesem Auftrage bestens entsprochen und eine
ausgezeichnete Wahl getroffen. Nicht minder glücklich lösten die 9 gewählten
Redner ihre Aufgabe. Gleich der alte Staatsrath Mädler, der den Reigen
eröffnete, lieferte einen auch in der Form meisterhaften Ueberblick der Leistungen
der Astronomie während der letzten 8 Jahre. Pettenkofer legte die Bedeu¬
tung der öffentlichen Gesundheitspflege dar und betonte die Nothwendigkeit
selbständiger Lehrstühle an allen Universitäten für dieses Fach, bis jetzt besäßen
nur die drei bayrischen Universitäten solche Professuren. Wundt sprach über
die Physik der Zelle in ihrer Beziehung zu den allgemeinen Principien der
Naturforschung, Ball über Mykologie, Virchow über die Fortschritte der Pa-
thologie, Clausius über den zweiten Lehrsatz der mechanischen Wärmetheorie,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/200>, abgerufen am 20.10.2024.