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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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werden. Hiervon hängt sicher nicht nur der wünschenswerthe Einfluß dieser
neuen Section auf die öffentliche Meinung, aus Behörden und Vertretungen
ab, sondern sogar ihre Existenz. Denn können die Aerzte bei dieser Section
nicht aus der bisherigen Routine der deutschen Naturforscherversammlung her¬
austreten und der hohen practischen Bedeutung der Sache entsprechend practisch
vorgehen, so werden sich sicherlich diejenigen, welchen es mit der öffentlichen
Gesundheitspflege Ernst ist und welche in derselben gearbeitet haben, von der
Versammlung loslösen; es wird dies nicht zum Vortheil der Naturforscherver¬
sammlung gereichen.

Dr. Varrentrapp und mit ihm als zweiter Geschäftsführer Dr. Spieß er¬
ließen im August ein Rundschreiben, in welchem sie zur Bildung einer Section
für Gesundheitspflege aufforderten, im wesentlichen mit folgender MotiVirung:

"Die Erkenntniß seitens der Aerzte, daß ihre Ausgabe eben so gut ist, die
äußeren Ursachen der Krankheiten zu ergründen und diese selbst zu verhüten, als
ihr Wesen zu erkennen und sie zu heilen, bricht sich immer mehr Bahn. Der
Practischen Thätigkeit nach dieser Seite, von erleuchteten Staatsmännern unter¬
stützt und gefördert und bereits von nicht unbedeutenden Erfolgen gekrönt, hat
sich eine ernste rein wissenschaftliche Bearbeitung der mannigfachsten Vorfragen
angeschlossen. Es scheint daher geboten, daß eine Versammlung von Aerzten
und Naturforschern diesen Fragen nicht ferner fremd bleibe. Manche Gründe
scheinen allerdings dafür zu sprechen, für die öffentliche Gesundheitspflege lieber
ganz getrennte Versammlungen zu veranlassen. Zur Bearbeitung der hier in
betracht kommenden Fragen sind nämlich die geeigneten Kräfte aus einem wei¬
tern Kreise von Männern herbeizuziehen, als wir gewöhnlich bei den deutschen
Naturforscherversammlungen zusammentreten sehen. Nicht nur Aerzte, Chemiker,
Meteorologen, auch Ingenieure, Verwaltungsbeamte, Staatsrechtslehrer sind bei
verschiedenen Fragen dieses Feldes betheiligt. Diese Fragen verlangen ferner
weistentheils eine andere Art der Behandlung. Die Forschung des Einzelnen
tritt hier sehr in den Hintergrund; selbst wo dieser auf diesem Felde analytisch
°der synthetisch wirkend schafft, fußt er größtentheils auf Grundlagen, welche
ihm nicht von einzelnen, sondern von vielen, namentlich von amtlichen Orga¬
nen, deren Mitwirkung nicht zu entbehren ist, gesammelt und übermittelt wor¬
den sind. Wir meinen hier zunächst und im weitesten Umfange die medicinische
Statistik."

Es wird sodann weiter ausgeführt, daß das vorhandene statistische Mate¬
rial nicht nur vervollständigt werden, sondern daß die Section auch angeben
Müsse, in welcher Richtung für ihre Zwecke die Aufnahmen vorzunehmen seien.
"Die Erforschung des Bodens, des Grundwassers u. s. w. eines einzelnen Or¬
tes durch einen Einzelnen fördert uns noch wenig; nach gleichen Normen an
vielen Orten von vielen thut sie uns noth. Handelt es sich um Entwässerung,


werden. Hiervon hängt sicher nicht nur der wünschenswerthe Einfluß dieser
neuen Section auf die öffentliche Meinung, aus Behörden und Vertretungen
ab, sondern sogar ihre Existenz. Denn können die Aerzte bei dieser Section
nicht aus der bisherigen Routine der deutschen Naturforscherversammlung her¬
austreten und der hohen practischen Bedeutung der Sache entsprechend practisch
vorgehen, so werden sich sicherlich diejenigen, welchen es mit der öffentlichen
Gesundheitspflege Ernst ist und welche in derselben gearbeitet haben, von der
Versammlung loslösen; es wird dies nicht zum Vortheil der Naturforscherver¬
sammlung gereichen.

Dr. Varrentrapp und mit ihm als zweiter Geschäftsführer Dr. Spieß er¬
ließen im August ein Rundschreiben, in welchem sie zur Bildung einer Section
für Gesundheitspflege aufforderten, im wesentlichen mit folgender MotiVirung:

»Die Erkenntniß seitens der Aerzte, daß ihre Ausgabe eben so gut ist, die
äußeren Ursachen der Krankheiten zu ergründen und diese selbst zu verhüten, als
ihr Wesen zu erkennen und sie zu heilen, bricht sich immer mehr Bahn. Der
Practischen Thätigkeit nach dieser Seite, von erleuchteten Staatsmännern unter¬
stützt und gefördert und bereits von nicht unbedeutenden Erfolgen gekrönt, hat
sich eine ernste rein wissenschaftliche Bearbeitung der mannigfachsten Vorfragen
angeschlossen. Es scheint daher geboten, daß eine Versammlung von Aerzten
und Naturforschern diesen Fragen nicht ferner fremd bleibe. Manche Gründe
scheinen allerdings dafür zu sprechen, für die öffentliche Gesundheitspflege lieber
ganz getrennte Versammlungen zu veranlassen. Zur Bearbeitung der hier in
betracht kommenden Fragen sind nämlich die geeigneten Kräfte aus einem wei¬
tern Kreise von Männern herbeizuziehen, als wir gewöhnlich bei den deutschen
Naturforscherversammlungen zusammentreten sehen. Nicht nur Aerzte, Chemiker,
Meteorologen, auch Ingenieure, Verwaltungsbeamte, Staatsrechtslehrer sind bei
verschiedenen Fragen dieses Feldes betheiligt. Diese Fragen verlangen ferner
weistentheils eine andere Art der Behandlung. Die Forschung des Einzelnen
tritt hier sehr in den Hintergrund; selbst wo dieser auf diesem Felde analytisch
°der synthetisch wirkend schafft, fußt er größtentheils auf Grundlagen, welche
ihm nicht von einzelnen, sondern von vielen, namentlich von amtlichen Orga¬
nen, deren Mitwirkung nicht zu entbehren ist, gesammelt und übermittelt wor¬
den sind. Wir meinen hier zunächst und im weitesten Umfange die medicinische
Statistik."

Es wird sodann weiter ausgeführt, daß das vorhandene statistische Mate¬
rial nicht nur vervollständigt werden, sondern daß die Section auch angeben
Müsse, in welcher Richtung für ihre Zwecke die Aufnahmen vorzunehmen seien.
»Die Erforschung des Bodens, des Grundwassers u. s. w. eines einzelnen Or¬
tes durch einen Einzelnen fördert uns noch wenig; nach gleichen Normen an
vielen Orten von vielen thut sie uns noth. Handelt es sich um Entwässerung,


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[0191] werden. Hiervon hängt sicher nicht nur der wünschenswerthe Einfluß dieser neuen Section auf die öffentliche Meinung, aus Behörden und Vertretungen ab, sondern sogar ihre Existenz. Denn können die Aerzte bei dieser Section nicht aus der bisherigen Routine der deutschen Naturforscherversammlung her¬ austreten und der hohen practischen Bedeutung der Sache entsprechend practisch vorgehen, so werden sich sicherlich diejenigen, welchen es mit der öffentlichen Gesundheitspflege Ernst ist und welche in derselben gearbeitet haben, von der Versammlung loslösen; es wird dies nicht zum Vortheil der Naturforscherver¬ sammlung gereichen. Dr. Varrentrapp und mit ihm als zweiter Geschäftsführer Dr. Spieß er¬ ließen im August ein Rundschreiben, in welchem sie zur Bildung einer Section für Gesundheitspflege aufforderten, im wesentlichen mit folgender MotiVirung: »Die Erkenntniß seitens der Aerzte, daß ihre Ausgabe eben so gut ist, die äußeren Ursachen der Krankheiten zu ergründen und diese selbst zu verhüten, als ihr Wesen zu erkennen und sie zu heilen, bricht sich immer mehr Bahn. Der Practischen Thätigkeit nach dieser Seite, von erleuchteten Staatsmännern unter¬ stützt und gefördert und bereits von nicht unbedeutenden Erfolgen gekrönt, hat sich eine ernste rein wissenschaftliche Bearbeitung der mannigfachsten Vorfragen angeschlossen. Es scheint daher geboten, daß eine Versammlung von Aerzten und Naturforschern diesen Fragen nicht ferner fremd bleibe. Manche Gründe scheinen allerdings dafür zu sprechen, für die öffentliche Gesundheitspflege lieber ganz getrennte Versammlungen zu veranlassen. Zur Bearbeitung der hier in betracht kommenden Fragen sind nämlich die geeigneten Kräfte aus einem wei¬ tern Kreise von Männern herbeizuziehen, als wir gewöhnlich bei den deutschen Naturforscherversammlungen zusammentreten sehen. Nicht nur Aerzte, Chemiker, Meteorologen, auch Ingenieure, Verwaltungsbeamte, Staatsrechtslehrer sind bei verschiedenen Fragen dieses Feldes betheiligt. Diese Fragen verlangen ferner weistentheils eine andere Art der Behandlung. Die Forschung des Einzelnen tritt hier sehr in den Hintergrund; selbst wo dieser auf diesem Felde analytisch °der synthetisch wirkend schafft, fußt er größtentheils auf Grundlagen, welche ihm nicht von einzelnen, sondern von vielen, namentlich von amtlichen Orga¬ nen, deren Mitwirkung nicht zu entbehren ist, gesammelt und übermittelt wor¬ den sind. Wir meinen hier zunächst und im weitesten Umfange die medicinische Statistik." Es wird sodann weiter ausgeführt, daß das vorhandene statistische Mate¬ rial nicht nur vervollständigt werden, sondern daß die Section auch angeben Müsse, in welcher Richtung für ihre Zwecke die Aufnahmen vorzunehmen seien. »Die Erforschung des Bodens, des Grundwassers u. s. w. eines einzelnen Or¬ tes durch einen Einzelnen fördert uns noch wenig; nach gleichen Normen an vielen Orten von vielen thut sie uns noth. Handelt es sich um Entwässerung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/191>, abgerufen am 19.10.2024.