Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.Zeit Männer wie Herder und Hamann wirkten, wo einer der größten Wohlthäter Aber auch den Irrthümern des philosophischen Jahrhunderts mußte das Am Eingang des 19. Jahrhunderts finden wir die drei Provinzen, welche Von dieser soll das nächste Mal berichtet werden. Die Aufgabe welche Zeit Männer wie Herder und Hamann wirkten, wo einer der größten Wohlthäter Aber auch den Irrthümern des philosophischen Jahrhunderts mußte das Am Eingang des 19. Jahrhunderts finden wir die drei Provinzen, welche Von dieser soll das nächste Mal berichtet werden. Die Aufgabe welche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191947"/> <p xml:id="ID_499" prev="#ID_498"> Zeit Männer wie Herder und Hamann wirkten, wo einer der größten Wohlthäter<lb/> des Landes, der Buchhändler und Buchdrucker Hartknoch für die Sache der Auf¬<lb/> klärung thätig war, das neugegründete Theater einen Kreis strebsamer Schrift¬<lb/> steller um höhere Interessen sammelte, die Anfänge einer provinziellen Presse<lb/> unter dem Schutz edler Patricier (Schwach, Behrens) und aufgeklärter Geist¬<lb/> licher (Sonntag, Hupel) aufschössen, fanden-die freisinnigen und humanen Ideen<lb/> der Zeit begeisterte Aufnahme und fruchtbaren Boden; in Riga hatte Gartieb<lb/> Merkel, der 17S6 mit seiner leidenschaftlichen Anklageschrift „die Letten" gegen<lb/> die Zwingherrschaft des Adels auftrat, die erste Anregung zu dem Gedanken<lb/> der Rettung des Lettenvolks empfangen. Die Geistlichkeit des flachen Landes,<lb/> bis dazu in starrer Orthodoxie verknöchert und ohne Verständniß für ihre civi-<lb/> lisatonsche Aufgabe, wurde um dieselbe Zeit durch die Einflüsse des halleschen<lb/> Pietismus, später des Rationalismus in neue Bahnen gedrängt und nahm sich<lb/> der Sache der Volksbildung mit Aufopferung und Thatkraft an — überall<lb/> regten sich Bildung und Streben, und die Ueberzeugung, daß es anders und<lb/> besser werden müsse, bemächtigte sich bald aller Gebildeten des Landes.</p><lb/> <p xml:id="ID_500"> Aber auch den Irrthümern des philosophischen Jahrhunderts mußte das<lb/> Ostseeland seinen Tribut zahlen; 1783 hob Catharina II. die alte Verfassung<lb/> auf, um sie durch neue bureaucratische Ordnungen zu ersetzen, die unter dem<lb/> Namen der „Statthalterschaftsverfassung" den Gang der historischen Entwicke¬<lb/> lung zu durchbrechen und fremden Elementen, die kein Verständniß für die be¬<lb/> sonderen Bedürfnisse des Landes hatten, Thor und Thür zu öffnen drohten —<lb/> wiederum war der Fortbestand des deutschen Colonialstaats gefährdet und in Frage<lb/> gestellt. Der Gerechtigkeitssinn Kaiser Pauls, gab den getreuen Liv- und Est-<lb/> tändcrn indessen ^rav 1796 wieder, „was ihnen mit Unrecht genommen war."</p><lb/> <p xml:id="ID_501"> Am Eingang des 19. Jahrhunderts finden wir die drei Provinzen, welche<lb/> 1S61 auseinandergerissen worden waren, unter dem russischen Scepter vereinigt<lb/> wieder; nach der letzten Theilung Polens war die Aufrechterhaltung der Selb¬<lb/> ständigkeit Kurlands unmöglich geworden und hatte dieses polnische Lchns-<lb/> herzogthum sich Catharinen II. unterworfen (1795). Sieben Jahre später<lb/> erfüllte sich einer der heißesten Wünsche, mit denen die Bewohner der drei<lb/> Lande sich seit neunzig Jahren getragen hatten; im December 1802 stellte<lb/> Alexander I., getreu der Verheißung die sein großer Ahnherr Peter in den<lb/> „Accordpunktcn" von 1710 niedergelegt hatte, die Universität Dorpat wieder<lb/> her und mit der Eröffnung dieser segensreichen Pflanzstätte deutscher Wissen¬<lb/> schaft beginnt die neueste Epoche der baltischen Provinzialgcschichte.</p><lb/> <p xml:id="ID_502" next="#ID_503"> Von dieser soll das nächste Mal berichtet werden. Die Aufgabe welche<lb/> wir dem „Prolog" zu künftigen Schilderungen des Ostseelandes stellten, beschränkte<lb/> sich darauf, die Erinnerung an den einstigen Zusammenhang Deutschlands mit<lb/> dem baltischen Norden wach zu rufen und ein Bild der Leidensgeschichte zu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
Zeit Männer wie Herder und Hamann wirkten, wo einer der größten Wohlthäter
des Landes, der Buchhändler und Buchdrucker Hartknoch für die Sache der Auf¬
klärung thätig war, das neugegründete Theater einen Kreis strebsamer Schrift¬
steller um höhere Interessen sammelte, die Anfänge einer provinziellen Presse
unter dem Schutz edler Patricier (Schwach, Behrens) und aufgeklärter Geist¬
licher (Sonntag, Hupel) aufschössen, fanden-die freisinnigen und humanen Ideen
der Zeit begeisterte Aufnahme und fruchtbaren Boden; in Riga hatte Gartieb
Merkel, der 17S6 mit seiner leidenschaftlichen Anklageschrift „die Letten" gegen
die Zwingherrschaft des Adels auftrat, die erste Anregung zu dem Gedanken
der Rettung des Lettenvolks empfangen. Die Geistlichkeit des flachen Landes,
bis dazu in starrer Orthodoxie verknöchert und ohne Verständniß für ihre civi-
lisatonsche Aufgabe, wurde um dieselbe Zeit durch die Einflüsse des halleschen
Pietismus, später des Rationalismus in neue Bahnen gedrängt und nahm sich
der Sache der Volksbildung mit Aufopferung und Thatkraft an — überall
regten sich Bildung und Streben, und die Ueberzeugung, daß es anders und
besser werden müsse, bemächtigte sich bald aller Gebildeten des Landes.
Aber auch den Irrthümern des philosophischen Jahrhunderts mußte das
Ostseeland seinen Tribut zahlen; 1783 hob Catharina II. die alte Verfassung
auf, um sie durch neue bureaucratische Ordnungen zu ersetzen, die unter dem
Namen der „Statthalterschaftsverfassung" den Gang der historischen Entwicke¬
lung zu durchbrechen und fremden Elementen, die kein Verständniß für die be¬
sonderen Bedürfnisse des Landes hatten, Thor und Thür zu öffnen drohten —
wiederum war der Fortbestand des deutschen Colonialstaats gefährdet und in Frage
gestellt. Der Gerechtigkeitssinn Kaiser Pauls, gab den getreuen Liv- und Est-
tändcrn indessen ^rav 1796 wieder, „was ihnen mit Unrecht genommen war."
Am Eingang des 19. Jahrhunderts finden wir die drei Provinzen, welche
1S61 auseinandergerissen worden waren, unter dem russischen Scepter vereinigt
wieder; nach der letzten Theilung Polens war die Aufrechterhaltung der Selb¬
ständigkeit Kurlands unmöglich geworden und hatte dieses polnische Lchns-
herzogthum sich Catharinen II. unterworfen (1795). Sieben Jahre später
erfüllte sich einer der heißesten Wünsche, mit denen die Bewohner der drei
Lande sich seit neunzig Jahren getragen hatten; im December 1802 stellte
Alexander I., getreu der Verheißung die sein großer Ahnherr Peter in den
„Accordpunktcn" von 1710 niedergelegt hatte, die Universität Dorpat wieder
her und mit der Eröffnung dieser segensreichen Pflanzstätte deutscher Wissen¬
schaft beginnt die neueste Epoche der baltischen Provinzialgcschichte.
Von dieser soll das nächste Mal berichtet werden. Die Aufgabe welche
wir dem „Prolog" zu künftigen Schilderungen des Ostseelandes stellten, beschränkte
sich darauf, die Erinnerung an den einstigen Zusammenhang Deutschlands mit
dem baltischen Norden wach zu rufen und ein Bild der Leidensgeschichte zu
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