Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.das.gab dieser Partei bedeutenden Vorsprung. Aber das entschied nicht allein Das Streben des "Allgemeinen deutschen Arbeitervereins" beruft sich auf Wenn die herrschende Politik das allgemeine Stimmrecht, das ja Und haben nicht die Wahlen zum deutschen constituirenden Parlamente das.gab dieser Partei bedeutenden Vorsprung. Aber das entschied nicht allein Das Streben des „Allgemeinen deutschen Arbeitervereins" beruft sich auf Wenn die herrschende Politik das allgemeine Stimmrecht, das ja Und haben nicht die Wahlen zum deutschen constituirenden Parlamente <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191903"/> <p xml:id="ID_398" prev="#ID_397"> das.gab dieser Partei bedeutenden Vorsprung. Aber das entschied nicht allein<lb/> Die Anhänger des Herrn v. Schweißer gingen mit ganz anderm Pathos ins<lb/> Feuer als die Liberalen; handelte sechs für sie lediglich darum, einen Abge¬<lb/> ordneten ins Parlament zu senden, von dem sie die Ueberzeugung besaßen,<lb/> daß er mit allen Kräften dahin wirken werde, die Rechte und Freiheiten des<lb/> Volkes zu wahren und zu befestigen, so versprachen sich die Arbeiter ova der<lb/> Wahl ihres Kandidaten ganz andere directe und greifbare Förderung ihrer In¬<lb/> teressen, und das sind Zugmittel, die ungleich wirksamer sind, als alle politi¬<lb/> sche Ideale. Sie sahen in dieser Wahl die Möglichkeit und den Anfang der<lb/> practischen Besserung ihrer socialen Lage, und der mächtige Agitator „Magen<lb/> frage" genannt, trieb sie schaarenweise an die Urnen. „Gerechtigkeit für die<lb/> große enterbte Masse des Volkes" schloß ein früher zu Gunsten des Herrn<lb/> v. Schweißer verbreitetes Flugblatt, — „aller Reichthum, welcher sich in den<lb/> Händen der Kapitalisten anhäuft, gehört vom Standpunkt des natürlichen Rech¬<lb/> tes den Arbeitern" — schloß eine den Arbeitern des Wahlkreises Elberfeld-<lb/> Barmen gewidmete Broschüre, die jenes nunmehrige Mitglied des Reichstags<lb/> selbst zum Verfasser hat, — was vermögen die aufrichtigsten Bestrebungen, was<lb/> vermögen die herrlichsten Reden für Volksfreiheit dagegen auszurichten?</p><lb/> <p xml:id="ID_399"> Das Streben des „Allgemeinen deutschen Arbeitervereins" beruft sich auf<lb/> die bekannten Lasalleschen Theorien.</p><lb/> <p xml:id="ID_400"> Wenn die herrschende Politik das allgemeine Stimmrecht, das ja<lb/> neben den Productiv-Associationen und der Staatshilfe auch unter den Theo¬<lb/> rien Lasalles mit fignnrt, als einen gefährlichen Gegner ansah, so mochte sie ihre<lb/> guten Gründe dazu haben. Zu diesen guten Gründen aber gehörtnichtdiegewöhnlich<lb/> vorangestellte Behauptung: daß das allgemeine Stimmrecht mit der monar¬<lb/> chischen Ordnung unvereinbar sei. Das allgemeine Stimmrecht verträgt<lb/> sich in der That mit jeder Regierungsform, sogar mit dem baaren Despo¬<lb/> tismus, wie das Beispiel des heutigen Frankreich zeigt. Der Aberglaube,<lb/> welcher aus dem allgemeinen Stimmrecht einen unantastbaren Götzen macht,<lb/> verfällt von Rechtswegen der blutigen Geißel, welche schon der radicale<lb/> Proudhon über denselben mit den Worten schwingt: „den König entthront,<lb/> haben wir den Plebs auf den Thron gesetzt. Kaum von einem Götzen be¬<lb/> freit, trachten wir nur darnach, uns einen andern zu bilden. Wir sind den<lb/> Soldaten des Titus ähnlich, welche nach der Einnahme des Tempels nicht von<lb/> ihrem Erstaunen zurückkommen konnten, da sie in dem Heiligthum der Juden<lb/> weder Statuen noch Ochsen, weder Esel noch Phallus noch Courtisanen fanden!"</p><lb/> <p xml:id="ID_401" next="#ID_402"> Und haben nicht die Wahlen zum deutschen constituirenden Parlamente<lb/> gezeigt, wie wenig ohne weiteres im socialistischen Sinne mit dem allgemeinen<lb/> directen Wahlrecht durchzusetzen ist? Wie viele deutsche Arbeiter werden denn<lb/> aus den Reichstagen und im Zollparlamente sein? In Preußen fällt beim</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
das.gab dieser Partei bedeutenden Vorsprung. Aber das entschied nicht allein
Die Anhänger des Herrn v. Schweißer gingen mit ganz anderm Pathos ins
Feuer als die Liberalen; handelte sechs für sie lediglich darum, einen Abge¬
ordneten ins Parlament zu senden, von dem sie die Ueberzeugung besaßen,
daß er mit allen Kräften dahin wirken werde, die Rechte und Freiheiten des
Volkes zu wahren und zu befestigen, so versprachen sich die Arbeiter ova der
Wahl ihres Kandidaten ganz andere directe und greifbare Förderung ihrer In¬
teressen, und das sind Zugmittel, die ungleich wirksamer sind, als alle politi¬
sche Ideale. Sie sahen in dieser Wahl die Möglichkeit und den Anfang der
practischen Besserung ihrer socialen Lage, und der mächtige Agitator „Magen
frage" genannt, trieb sie schaarenweise an die Urnen. „Gerechtigkeit für die
große enterbte Masse des Volkes" schloß ein früher zu Gunsten des Herrn
v. Schweißer verbreitetes Flugblatt, — „aller Reichthum, welcher sich in den
Händen der Kapitalisten anhäuft, gehört vom Standpunkt des natürlichen Rech¬
tes den Arbeitern" — schloß eine den Arbeitern des Wahlkreises Elberfeld-
Barmen gewidmete Broschüre, die jenes nunmehrige Mitglied des Reichstags
selbst zum Verfasser hat, — was vermögen die aufrichtigsten Bestrebungen, was
vermögen die herrlichsten Reden für Volksfreiheit dagegen auszurichten?
Das Streben des „Allgemeinen deutschen Arbeitervereins" beruft sich auf
die bekannten Lasalleschen Theorien.
Wenn die herrschende Politik das allgemeine Stimmrecht, das ja
neben den Productiv-Associationen und der Staatshilfe auch unter den Theo¬
rien Lasalles mit fignnrt, als einen gefährlichen Gegner ansah, so mochte sie ihre
guten Gründe dazu haben. Zu diesen guten Gründen aber gehörtnichtdiegewöhnlich
vorangestellte Behauptung: daß das allgemeine Stimmrecht mit der monar¬
chischen Ordnung unvereinbar sei. Das allgemeine Stimmrecht verträgt
sich in der That mit jeder Regierungsform, sogar mit dem baaren Despo¬
tismus, wie das Beispiel des heutigen Frankreich zeigt. Der Aberglaube,
welcher aus dem allgemeinen Stimmrecht einen unantastbaren Götzen macht,
verfällt von Rechtswegen der blutigen Geißel, welche schon der radicale
Proudhon über denselben mit den Worten schwingt: „den König entthront,
haben wir den Plebs auf den Thron gesetzt. Kaum von einem Götzen be¬
freit, trachten wir nur darnach, uns einen andern zu bilden. Wir sind den
Soldaten des Titus ähnlich, welche nach der Einnahme des Tempels nicht von
ihrem Erstaunen zurückkommen konnten, da sie in dem Heiligthum der Juden
weder Statuen noch Ochsen, weder Esel noch Phallus noch Courtisanen fanden!"
Und haben nicht die Wahlen zum deutschen constituirenden Parlamente
gezeigt, wie wenig ohne weiteres im socialistischen Sinne mit dem allgemeinen
directen Wahlrecht durchzusetzen ist? Wie viele deutsche Arbeiter werden denn
aus den Reichstagen und im Zollparlamente sein? In Preußen fällt beim
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