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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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für ihn verbot es sich daher von selbst, bei dem Marsche ins preußische Lager
voranzugehen. Alle diese persönlichen Schwierigkeiten vermochten nickt, einen
dieser Männer von dem innern und äußern Anschluß an Preußens nun ent¬
hüllte nationale Politik abzuhalten; sie traten weder zu den süddeutschen Radi-
> eater noch zu dem Rumpfe der preußischen Fortschrittspartei. Allein sie fühl¬
ten sich doch auch sehr begreiflicher Weise außer Stande, im rechten Augenblick,
d. h. unmittelbar nach dem prager Friedensschluß, im Namen des National"
Vereins von neuem Anspruch auf die Führung der Nation zu erheben, und
diesen Anspruch damit zu legitimiren, daß sie sich alsbald frischweg eines mit¬
bestimmenden Einflusses auf die Formen und Methoden der Neugestaltung be¬
mächtigten.

Inzwischen war es im preußischen Abgeordnetenhause zur äußerlichen Schei¬
dung der practischen Politiker von den absoluten Oppositionellen gekommen,
der Nationalliberalen von dem Neste der Fortschrittspartei. Da jene im Natio¬
nalvereins-Ausschuß unzweifelhaft die Stärkeren waren, so schieden Schulze-De>
litzsch, v. Hoverbeck und Duncker aus diesem aus. Ihr Anhang folgte natür¬
lich, so weit es bei der längst eingerissenen Erschlaffung der Organisation und
dadurch bedingten unregelmäßigen Einziehung der Mitgliederbeilräge durch viele
Agenten dessen noch formell bedürfte. Nur Moritz Wiggers. der in Berlin ge¬
wählte und der R"ichstags-Linken beigctretene Mecklenburger, blieb thätiges
Mitglied. Die Uebrigen hatten sich danach im Grunde nur noch die Frage
vorzulegen, ob sie den Verein einfach auflösen oder als Organ der neuen natio¬
nalliberalen Partei reconstruiren wollten. Sie haben sich im augenscheinlichen
Interesse der Klarheit und Ehrlichkeit für erstere Alternative entschieden. Es
ist nicht gut. daß die nationalliberale Partei Mittel irgendwelcher Art erde,
welche außer ihren Anhängern auch viele der heutigen Radicalen zusammenge¬
bracht haben. Und es ist auch nicht gut. daß der Nationalverein seine einmal
feststehende politische und historische Signatur durch die Aufnahme eines wesent¬
lich neuen Inhalts verwische. Ja könnte er jetzt wenigstens ungehindert nach
Süddeutschland hinüberwirke"! Aber das ist heute so hoffnungslos wie früher;
die Süddeutschen müssen sich selbst helfen, wenn ihnen geholfen werden soll;
und es ist obendrein gegen die gute Politik, sich in dieser Weise auch nur über¬
haupt zu bemühen. Die Aufgabe des Nationalvereins ist zu Ende, mag sein
Programm bereits vollständig erfüllt sein oder nicht.

So wird er sich denn also auflösen. Indem dies geschieht, mag ihm im¬
merhin von denen, welche den Herzschlag ihrer Nation mitempfinden, ein
öffentlicher Dank bezeugt werden. Wenn er in seiner einmal gegebenen Kom¬
position nicht vermochte, sich gegen die starken Reagentien der neusten großen
Vorgänge in Deutschland frisch, kräftig und schöpferisch aufrechtzuerhalten, so


für ihn verbot es sich daher von selbst, bei dem Marsche ins preußische Lager
voranzugehen. Alle diese persönlichen Schwierigkeiten vermochten nickt, einen
dieser Männer von dem innern und äußern Anschluß an Preußens nun ent¬
hüllte nationale Politik abzuhalten; sie traten weder zu den süddeutschen Radi-
> eater noch zu dem Rumpfe der preußischen Fortschrittspartei. Allein sie fühl¬
ten sich doch auch sehr begreiflicher Weise außer Stande, im rechten Augenblick,
d. h. unmittelbar nach dem prager Friedensschluß, im Namen des National»
Vereins von neuem Anspruch auf die Führung der Nation zu erheben, und
diesen Anspruch damit zu legitimiren, daß sie sich alsbald frischweg eines mit¬
bestimmenden Einflusses auf die Formen und Methoden der Neugestaltung be¬
mächtigten.

Inzwischen war es im preußischen Abgeordnetenhause zur äußerlichen Schei¬
dung der practischen Politiker von den absoluten Oppositionellen gekommen,
der Nationalliberalen von dem Neste der Fortschrittspartei. Da jene im Natio¬
nalvereins-Ausschuß unzweifelhaft die Stärkeren waren, so schieden Schulze-De>
litzsch, v. Hoverbeck und Duncker aus diesem aus. Ihr Anhang folgte natür¬
lich, so weit es bei der längst eingerissenen Erschlaffung der Organisation und
dadurch bedingten unregelmäßigen Einziehung der Mitgliederbeilräge durch viele
Agenten dessen noch formell bedürfte. Nur Moritz Wiggers. der in Berlin ge¬
wählte und der R«ichstags-Linken beigctretene Mecklenburger, blieb thätiges
Mitglied. Die Uebrigen hatten sich danach im Grunde nur noch die Frage
vorzulegen, ob sie den Verein einfach auflösen oder als Organ der neuen natio¬
nalliberalen Partei reconstruiren wollten. Sie haben sich im augenscheinlichen
Interesse der Klarheit und Ehrlichkeit für erstere Alternative entschieden. Es
ist nicht gut. daß die nationalliberale Partei Mittel irgendwelcher Art erde,
welche außer ihren Anhängern auch viele der heutigen Radicalen zusammenge¬
bracht haben. Und es ist auch nicht gut. daß der Nationalverein seine einmal
feststehende politische und historische Signatur durch die Aufnahme eines wesent¬
lich neuen Inhalts verwische. Ja könnte er jetzt wenigstens ungehindert nach
Süddeutschland hinüberwirke»! Aber das ist heute so hoffnungslos wie früher;
die Süddeutschen müssen sich selbst helfen, wenn ihnen geholfen werden soll;
und es ist obendrein gegen die gute Politik, sich in dieser Weise auch nur über¬
haupt zu bemühen. Die Aufgabe des Nationalvereins ist zu Ende, mag sein
Programm bereits vollständig erfüllt sein oder nicht.

So wird er sich denn also auflösen. Indem dies geschieht, mag ihm im¬
merhin von denen, welche den Herzschlag ihrer Nation mitempfinden, ein
öffentlicher Dank bezeugt werden. Wenn er in seiner einmal gegebenen Kom¬
position nicht vermochte, sich gegen die starken Reagentien der neusten großen
Vorgänge in Deutschland frisch, kräftig und schöpferisch aufrechtzuerhalten, so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/114>, abgerufen am 19.10.2024.