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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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spciben zu müssen, ob ein dem ausgezehrten Bolksleibe sich nicht noch ein Fleck¬
chen finde, wo die Saugpumpe mit Erfolg anzusetzen wäre! Wer die Verwal¬
tung der waldeckscben Finanzen übernimmt.' der verzichte darauf, die Principien
einer gesunden Staatswirthschaft jemals zur Anwendung zu bringen; über der
Eingangspforte dieses Amtes stehen des Dichters Worte: "I^seiate ogni
"l)c?l-g,n2g, voi et' kmtlÄtö!" Selbst in der Domanialverwaltung müssen die
wichtigsten wirthschaftlichen Forderungen außer Acht gelassen werden. Ihre
Einnahmen und Ausgaben sind Positionen des allgemeinen Etats; von dem
Ertrage bilden 70,000 Thaler die feste Civilliste des Fürsten, ein etwaiger
Ueberschuß wird zwischen Fürst und Lind getheilt, ein etwaiges Deficit aber
aus der Landesfasse bestritten. Natürlich also, daß Regent wie Landtag das
größte Interesse haben, die Einnahmen des Domaniums so hoch wie möglich
zu spannen. Man wird entschlossen sein, die zu verpachtenden Güter nur an
deu Meistbietenden zu vergeben, ein Princip, welches den jedesmaligen Pächter
zum Ranbb.ni drängt, zum mindesten von dauernden Meliorationen abhält, die
Domänen also nur zurückbringen kann, ganz abgesehen davon, daß schon die
Wirthschaft mit eisernem Inventar, zu welcher unsere meist capitalsannen
Pächter gewöhnlich gezwungen sein werden, wirkliche Fortschritte sehr erschweren
muß. Auch in der Forstwirthschaft wird man sich leicht verleiten lassen, die
Bedingungen dauernder Ertragsfähigkeit und berechtigte Interessen des armen
Volkes (wie in der Angelegenheit, welche zu dem oben erwähnten Streite mit
den Ständen Anlaß gab) zu Gunsten des augenblicklichen Nutzens zu übersehn.
Das einzige Mittel aber, den Werth des Bodens wie der Producte wirklich
zu steigern, dies ewige eewi-um censso, die Eisenbahn durch die Mitte des
Landes, ist nicht in unsere Hand gelegt. Dafür aber hat unser Landtag bereit¬
willig seine Zustimmung zur Wiedereröffnung der 1848 geschlossenen Spielhöllen
ni Pyrmont und Wildungen gegeben, -- weil er fürchtete, ohne diese Einnahme
die Landeskasse von der Civilliste in Anspruch genommen zu sehn. Was Schädels
dem Gelde, woher es rührt!

Umgekehrt wie mit den Einnahmen verfährt man mit den Ausgaben; jene
ausgedehnt auf alle möglichen und unmöglichen Dinge, diese beschränkt auf die
allerdringcndsten Bedürfnisse. Wie laut auch aus allen Theilen des Landes,
aus allen Schichten der Bevölkerung die gegründetsten Klagen, die berechtigtsten
Forderungen hervordringen. -- der Staat kann nicht helfen; Wünsche, die ihm
das Messer nicht gradezu an die Kehle setzen, kann er nicht erhören. Und doch
ist man noch froh. wenn das Budget mit einem Deficit abschließt, welches die
übergroße Schuldenlast des Landes nicht allzu sehr zu vermehren droht. Sagt
doch der Evmmissionsbericbt des Landtags über das Deficit der laufenden
Finanzperiode wörtlich: "Dies günstige Resultat (2.0S6 Thaler gegenüber einem
Einnahmcetat von höchstens 520,000 Thalern doch nicht so ganz unscheinbar)


spciben zu müssen, ob ein dem ausgezehrten Bolksleibe sich nicht noch ein Fleck¬
chen finde, wo die Saugpumpe mit Erfolg anzusetzen wäre! Wer die Verwal¬
tung der waldeckscben Finanzen übernimmt.' der verzichte darauf, die Principien
einer gesunden Staatswirthschaft jemals zur Anwendung zu bringen; über der
Eingangspforte dieses Amtes stehen des Dichters Worte: „I^seiate ogni
»l)c?l-g,n2g, voi et' kmtlÄtö!" Selbst in der Domanialverwaltung müssen die
wichtigsten wirthschaftlichen Forderungen außer Acht gelassen werden. Ihre
Einnahmen und Ausgaben sind Positionen des allgemeinen Etats; von dem
Ertrage bilden 70,000 Thaler die feste Civilliste des Fürsten, ein etwaiger
Ueberschuß wird zwischen Fürst und Lind getheilt, ein etwaiges Deficit aber
aus der Landesfasse bestritten. Natürlich also, daß Regent wie Landtag das
größte Interesse haben, die Einnahmen des Domaniums so hoch wie möglich
zu spannen. Man wird entschlossen sein, die zu verpachtenden Güter nur an
deu Meistbietenden zu vergeben, ein Princip, welches den jedesmaligen Pächter
zum Ranbb.ni drängt, zum mindesten von dauernden Meliorationen abhält, die
Domänen also nur zurückbringen kann, ganz abgesehen davon, daß schon die
Wirthschaft mit eisernem Inventar, zu welcher unsere meist capitalsannen
Pächter gewöhnlich gezwungen sein werden, wirkliche Fortschritte sehr erschweren
muß. Auch in der Forstwirthschaft wird man sich leicht verleiten lassen, die
Bedingungen dauernder Ertragsfähigkeit und berechtigte Interessen des armen
Volkes (wie in der Angelegenheit, welche zu dem oben erwähnten Streite mit
den Ständen Anlaß gab) zu Gunsten des augenblicklichen Nutzens zu übersehn.
Das einzige Mittel aber, den Werth des Bodens wie der Producte wirklich
zu steigern, dies ewige eewi-um censso, die Eisenbahn durch die Mitte des
Landes, ist nicht in unsere Hand gelegt. Dafür aber hat unser Landtag bereit¬
willig seine Zustimmung zur Wiedereröffnung der 1848 geschlossenen Spielhöllen
ni Pyrmont und Wildungen gegeben, -- weil er fürchtete, ohne diese Einnahme
die Landeskasse von der Civilliste in Anspruch genommen zu sehn. Was Schädels
dem Gelde, woher es rührt!

Umgekehrt wie mit den Einnahmen verfährt man mit den Ausgaben; jene
ausgedehnt auf alle möglichen und unmöglichen Dinge, diese beschränkt auf die
allerdringcndsten Bedürfnisse. Wie laut auch aus allen Theilen des Landes,
aus allen Schichten der Bevölkerung die gegründetsten Klagen, die berechtigtsten
Forderungen hervordringen. — der Staat kann nicht helfen; Wünsche, die ihm
das Messer nicht gradezu an die Kehle setzen, kann er nicht erhören. Und doch
ist man noch froh. wenn das Budget mit einem Deficit abschließt, welches die
übergroße Schuldenlast des Landes nicht allzu sehr zu vermehren droht. Sagt
doch der Evmmissionsbericbt des Landtags über das Deficit der laufenden
Finanzperiode wörtlich: „Dies günstige Resultat (2.0S6 Thaler gegenüber einem
Einnahmcetat von höchstens 520,000 Thalern doch nicht so ganz unscheinbar)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/98>, abgerufen am 22.07.2024.