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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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das zäheste aller Gewerbe. Macht man es ihm in einer Art schwer, bahnt er
sich auf der anderen den Ausweg. Er ist beweglich und elastischen Apparates,
leicht beschuht fügt er sich veränderten Ordnungen eher, überwindet er schneller
ihre Schwierigkeiten. Die Industrie aber, fester an die Scholle und die be¬
stehenden Verhältnisse gefesselt, ist empfindlicher gegen den Wechsel; sie war
dauernd gegründet auf die herrschenden Zustände: ändert man die Umstände,
unter denen sie aufwuchs, so stört man sogleich die Berechnungen, welche sie
macht. Im Wesen des Handels liegt es hingegen, der Veränderung gewärtig
zu sein, ja durch ihre Benutzung zu Prosperiren. Man braucht keineswegs'An¬
hänger der careyschcn Perhorrcscirung des Handels zu sein, um das Wahre
der Lehre einzusehen, daß der Handel die Bedingungen seiner Blüthe im Flor
der übrigen Gewerbe besitzt. Wenn der Ackerbau lohnt, die Fabriken verdienen,
so folgt der Handel von selbst, mag seine Technik etwas mehr oder etwas
weniger Weitläufigkeit und Umstände mit sich führen.

Die Frage, ob Anschluß an den Zollverein oder ob Ausschluß, ist überall
nicht die einzige oder die wichtigste Frage. Die bedeutendste Veränderung,
welche die Hansestädte erfahren, ist ihre Aufnahme in einen großen, einen
mächtigen Bund; sie haben aufgehört kleine Krämerrepubliken zu sein, deren
ganze Dascinssicherheit zumeist in der Verläugnung des Selbstgefühles bestand,
die den Schutz bei den mächtigen Nationen durch Erweckung des Mitleides
suchte, und sind Häfen eines Reiches geworden, das den Stolz wiedergewonnen
hat, auf sich selber zu stehn. Sie haben nicht nur an den Segnungen des
Bundes Theil, sondern ebenso an den Lasten, aber wenn die Hamburger Kauf¬
leute bei ihrer Bundesstellung an nichts denken wollen als an Kaffee und
Zucker, so ist es ihre.Engherzigkeit, nicht aber das Wesen ihres Berufs, was
sie bange macht in der neuen Verbindung. Sie möchten schon -- aber nur in
den Tagen der Noth -- beschützt werden durch norddeutsche Kriegsschiffe 'und
norddeutsche Macht, einheitliche Flagge haben und einheitliche Vertreter und
Konsuln, aber doch wieder -- Hamburger bleiben, hübsch draußen stehen, un¬
beirrt durch des großen Staates Lasten und Pflichten. So ist ihnen, mit sammt
den übrigen "Republikanern" die allgemeine Wehrpflicht ein Gräuel. Die
jungen Comptoiristen sind die modernen Pioniere der Civilisation. Sie müssen
hinaus in die Welt; groß und wacker aufgefaßt kann ihr Beruf dort drüben
überaus segensreich sein, wie er zugleich gewinnbringend ist. Es sei ferne, zu
verkennen, von welchem Werthe es ist, daß Mittel gesucht werden, diese kosmo¬
politischen Pflichten mit den vaterländischen auseinanderzusetzen, so daß beiden
gedient wird; in diesem Blatte ist bereits davon die Rede gewesen. Aber den
Mißbrauch zu unterstützen, wäre gefährlich, und sicherlich werden nicht alle die
jungen Sendlinge. die kaum geschmückt mit Confirmationsfrack und Cylinder
jährlich in KinZ vottonL Dienst geschickt werden, Anrecht aus Ausnahmebchand-


das zäheste aller Gewerbe. Macht man es ihm in einer Art schwer, bahnt er
sich auf der anderen den Ausweg. Er ist beweglich und elastischen Apparates,
leicht beschuht fügt er sich veränderten Ordnungen eher, überwindet er schneller
ihre Schwierigkeiten. Die Industrie aber, fester an die Scholle und die be¬
stehenden Verhältnisse gefesselt, ist empfindlicher gegen den Wechsel; sie war
dauernd gegründet auf die herrschenden Zustände: ändert man die Umstände,
unter denen sie aufwuchs, so stört man sogleich die Berechnungen, welche sie
macht. Im Wesen des Handels liegt es hingegen, der Veränderung gewärtig
zu sein, ja durch ihre Benutzung zu Prosperiren. Man braucht keineswegs'An¬
hänger der careyschcn Perhorrcscirung des Handels zu sein, um das Wahre
der Lehre einzusehen, daß der Handel die Bedingungen seiner Blüthe im Flor
der übrigen Gewerbe besitzt. Wenn der Ackerbau lohnt, die Fabriken verdienen,
so folgt der Handel von selbst, mag seine Technik etwas mehr oder etwas
weniger Weitläufigkeit und Umstände mit sich führen.

Die Frage, ob Anschluß an den Zollverein oder ob Ausschluß, ist überall
nicht die einzige oder die wichtigste Frage. Die bedeutendste Veränderung,
welche die Hansestädte erfahren, ist ihre Aufnahme in einen großen, einen
mächtigen Bund; sie haben aufgehört kleine Krämerrepubliken zu sein, deren
ganze Dascinssicherheit zumeist in der Verläugnung des Selbstgefühles bestand,
die den Schutz bei den mächtigen Nationen durch Erweckung des Mitleides
suchte, und sind Häfen eines Reiches geworden, das den Stolz wiedergewonnen
hat, auf sich selber zu stehn. Sie haben nicht nur an den Segnungen des
Bundes Theil, sondern ebenso an den Lasten, aber wenn die Hamburger Kauf¬
leute bei ihrer Bundesstellung an nichts denken wollen als an Kaffee und
Zucker, so ist es ihre.Engherzigkeit, nicht aber das Wesen ihres Berufs, was
sie bange macht in der neuen Verbindung. Sie möchten schon — aber nur in
den Tagen der Noth — beschützt werden durch norddeutsche Kriegsschiffe 'und
norddeutsche Macht, einheitliche Flagge haben und einheitliche Vertreter und
Konsuln, aber doch wieder — Hamburger bleiben, hübsch draußen stehen, un¬
beirrt durch des großen Staates Lasten und Pflichten. So ist ihnen, mit sammt
den übrigen „Republikanern" die allgemeine Wehrpflicht ein Gräuel. Die
jungen Comptoiristen sind die modernen Pioniere der Civilisation. Sie müssen
hinaus in die Welt; groß und wacker aufgefaßt kann ihr Beruf dort drüben
überaus segensreich sein, wie er zugleich gewinnbringend ist. Es sei ferne, zu
verkennen, von welchem Werthe es ist, daß Mittel gesucht werden, diese kosmo¬
politischen Pflichten mit den vaterländischen auseinanderzusetzen, so daß beiden
gedient wird; in diesem Blatte ist bereits davon die Rede gewesen. Aber den
Mißbrauch zu unterstützen, wäre gefährlich, und sicherlich werden nicht alle die
jungen Sendlinge. die kaum geschmückt mit Confirmationsfrack und Cylinder
jährlich in KinZ vottonL Dienst geschickt werden, Anrecht aus Ausnahmebchand-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/88>, abgerufen am 26.06.2024.