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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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den man in London gesehen, aber ist doch nur einer von den vielen des Jahres,
und da die Erscheinung vornehmlich den Innungen (Iraäös-Vnions) zuzu¬
schreiben ist, so hat das Parlament eine königliche Commission eingesetzt, welche
die Wirksamkeit dieser Genossenschaften prüfen soll. Die Zeugenaussagen vor
dieser Commission werfen ein so überraschendes Licht auf die Grundsatze und
ven mächtigen Einfluß der Innungen, daß es sich der Mühe verlohnt, dieselben
etwas näher zu betrachten.

Bis 1825 waren die Vereinigungen von Arbeitern, um höhern Lohn zu
erzielen, gänzlich verboten, wodurch dieselben natürlich nicht verhindert, fondern
nur heimlich betrieben wurden und oft zu gewaltsamen Ausbrüchen führten.
Damals wurden diese repressiven Gesetze (eowbirnrtioll Ik^s) aufgehoben und
den Arbeitern Freiheit gegeben, sich zu vereinigen und eine Verständigung zu
erzielen, um den Lohn und die Stunden festzusetzen, wofür sie ihre Arbeit anbieten
wollen, ("to weet, arrd meer int" enWMmeirts lor etre xurposs ol trxing tre
>VÄges s.na Irourg lor üblen den^ statt olor tneir lirdour" 4 (ZeorM IV. o. 34
Leer,. 4.) Diese Befreiung mußie einen großen und wohlthätigen Einfluß aus¬
üben, das Schicksal des Arbeiters hängt von den Bedingungen ab, unter denen
er über seine Arbeit verfügt, er findet, daß er als Einzelner, ohne Reserve¬
fonds, von der Hand in den Mund lebend, durch seine Mittellosigkeit fest an die
Scholle gebunden, nur einen schlechten Handel machen kann, er muß annehmen,
was ihm geboten wird und leidet von niedrigem Lohn, langer Arbeitszeit und
schlechtem Arbeitsraum. Anders aber wird es, wenn er sich mit seines Gleichen
verbrüdert und über die Bedingungen vereinigt, welche sie von den Arbeits¬
gebern fordern wollen, diese Vereinigung hilft den Arbeiter auf gleichen
Fuß mit dem Kapitalisten zu stellen, indem er nun Bedingungen machen und
Zumuthungen verweigern kann. Dies Princip wurde die Grundlage der freien
Handwerkerinnungen (Iracles-Mions); die Mitglieder verbanden sich, wenn nach
der Discussion abgestimmt wird, sich den Beschlüssen der Union zu unterwerfen,
und bilden, um diese Beschlüsse durchführen zu können, einen Fonds durch
regelmäßige Beiträge aus ihrem Lohn. Können sie sich mit den Arbeitgebern
nicht einigen, so remonstrirt die Union durch einen oder mehre Delegirte und
hilft das nicht, so kündigen sie alle und werden aus dem Fonds unterstützt,
bis die Meister oder sie selbst nachgeben müssen. Die Möglichkeit einer solchen
Kündigung in corpore (LtriKe) ist natürlich die Voraussetzung jeder Wirksamkeit
der Union, bindet aber nur die Mitglieder der Union und der Einfluß auf andere
nicht zu ihr gehörige Arbeiter hängt von dem Maßstab ab, in welchem die Mitglieder
die Geschicklichkeit in dem speciellen Handwerk repräsentiren. Ist ihre Kunst
nicht groß, so werden andre sich wenig um ihre Forderungen kümmern und
die Meister leicht außerhalb der Union Arbeiter finden, umfaßt dieselbe aber
alle Handwerker erster Classe, so werden ihre Forderungen auch für die Nicht"


den man in London gesehen, aber ist doch nur einer von den vielen des Jahres,
und da die Erscheinung vornehmlich den Innungen (Iraäös-Vnions) zuzu¬
schreiben ist, so hat das Parlament eine königliche Commission eingesetzt, welche
die Wirksamkeit dieser Genossenschaften prüfen soll. Die Zeugenaussagen vor
dieser Commission werfen ein so überraschendes Licht auf die Grundsatze und
ven mächtigen Einfluß der Innungen, daß es sich der Mühe verlohnt, dieselben
etwas näher zu betrachten.

Bis 1825 waren die Vereinigungen von Arbeitern, um höhern Lohn zu
erzielen, gänzlich verboten, wodurch dieselben natürlich nicht verhindert, fondern
nur heimlich betrieben wurden und oft zu gewaltsamen Ausbrüchen führten.
Damals wurden diese repressiven Gesetze (eowbirnrtioll Ik^s) aufgehoben und
den Arbeitern Freiheit gegeben, sich zu vereinigen und eine Verständigung zu
erzielen, um den Lohn und die Stunden festzusetzen, wofür sie ihre Arbeit anbieten
wollen, („to weet, arrd meer int» enWMmeirts lor etre xurposs ol trxing tre
>VÄges s.na Irourg lor üblen den^ statt olor tneir lirdour" 4 (ZeorM IV. o. 34
Leer,. 4.) Diese Befreiung mußie einen großen und wohlthätigen Einfluß aus¬
üben, das Schicksal des Arbeiters hängt von den Bedingungen ab, unter denen
er über seine Arbeit verfügt, er findet, daß er als Einzelner, ohne Reserve¬
fonds, von der Hand in den Mund lebend, durch seine Mittellosigkeit fest an die
Scholle gebunden, nur einen schlechten Handel machen kann, er muß annehmen,
was ihm geboten wird und leidet von niedrigem Lohn, langer Arbeitszeit und
schlechtem Arbeitsraum. Anders aber wird es, wenn er sich mit seines Gleichen
verbrüdert und über die Bedingungen vereinigt, welche sie von den Arbeits¬
gebern fordern wollen, diese Vereinigung hilft den Arbeiter auf gleichen
Fuß mit dem Kapitalisten zu stellen, indem er nun Bedingungen machen und
Zumuthungen verweigern kann. Dies Princip wurde die Grundlage der freien
Handwerkerinnungen (Iracles-Mions); die Mitglieder verbanden sich, wenn nach
der Discussion abgestimmt wird, sich den Beschlüssen der Union zu unterwerfen,
und bilden, um diese Beschlüsse durchführen zu können, einen Fonds durch
regelmäßige Beiträge aus ihrem Lohn. Können sie sich mit den Arbeitgebern
nicht einigen, so remonstrirt die Union durch einen oder mehre Delegirte und
hilft das nicht, so kündigen sie alle und werden aus dem Fonds unterstützt,
bis die Meister oder sie selbst nachgeben müssen. Die Möglichkeit einer solchen
Kündigung in corpore (LtriKe) ist natürlich die Voraussetzung jeder Wirksamkeit
der Union, bindet aber nur die Mitglieder der Union und der Einfluß auf andere
nicht zu ihr gehörige Arbeiter hängt von dem Maßstab ab, in welchem die Mitglieder
die Geschicklichkeit in dem speciellen Handwerk repräsentiren. Ist ihre Kunst
nicht groß, so werden andre sich wenig um ihre Forderungen kümmern und
die Meister leicht außerhalb der Union Arbeiter finden, umfaßt dieselbe aber
alle Handwerker erster Classe, so werden ihre Forderungen auch für die Nicht«


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[0426] den man in London gesehen, aber ist doch nur einer von den vielen des Jahres, und da die Erscheinung vornehmlich den Innungen (Iraäös-Vnions) zuzu¬ schreiben ist, so hat das Parlament eine königliche Commission eingesetzt, welche die Wirksamkeit dieser Genossenschaften prüfen soll. Die Zeugenaussagen vor dieser Commission werfen ein so überraschendes Licht auf die Grundsatze und ven mächtigen Einfluß der Innungen, daß es sich der Mühe verlohnt, dieselben etwas näher zu betrachten. Bis 1825 waren die Vereinigungen von Arbeitern, um höhern Lohn zu erzielen, gänzlich verboten, wodurch dieselben natürlich nicht verhindert, fondern nur heimlich betrieben wurden und oft zu gewaltsamen Ausbrüchen führten. Damals wurden diese repressiven Gesetze (eowbirnrtioll Ik^s) aufgehoben und den Arbeitern Freiheit gegeben, sich zu vereinigen und eine Verständigung zu erzielen, um den Lohn und die Stunden festzusetzen, wofür sie ihre Arbeit anbieten wollen, („to weet, arrd meer int» enWMmeirts lor etre xurposs ol trxing tre >VÄges s.na Irourg lor üblen den^ statt olor tneir lirdour" 4 (ZeorM IV. o. 34 Leer,. 4.) Diese Befreiung mußie einen großen und wohlthätigen Einfluß aus¬ üben, das Schicksal des Arbeiters hängt von den Bedingungen ab, unter denen er über seine Arbeit verfügt, er findet, daß er als Einzelner, ohne Reserve¬ fonds, von der Hand in den Mund lebend, durch seine Mittellosigkeit fest an die Scholle gebunden, nur einen schlechten Handel machen kann, er muß annehmen, was ihm geboten wird und leidet von niedrigem Lohn, langer Arbeitszeit und schlechtem Arbeitsraum. Anders aber wird es, wenn er sich mit seines Gleichen verbrüdert und über die Bedingungen vereinigt, welche sie von den Arbeits¬ gebern fordern wollen, diese Vereinigung hilft den Arbeiter auf gleichen Fuß mit dem Kapitalisten zu stellen, indem er nun Bedingungen machen und Zumuthungen verweigern kann. Dies Princip wurde die Grundlage der freien Handwerkerinnungen (Iracles-Mions); die Mitglieder verbanden sich, wenn nach der Discussion abgestimmt wird, sich den Beschlüssen der Union zu unterwerfen, und bilden, um diese Beschlüsse durchführen zu können, einen Fonds durch regelmäßige Beiträge aus ihrem Lohn. Können sie sich mit den Arbeitgebern nicht einigen, so remonstrirt die Union durch einen oder mehre Delegirte und hilft das nicht, so kündigen sie alle und werden aus dem Fonds unterstützt, bis die Meister oder sie selbst nachgeben müssen. Die Möglichkeit einer solchen Kündigung in corpore (LtriKe) ist natürlich die Voraussetzung jeder Wirksamkeit der Union, bindet aber nur die Mitglieder der Union und der Einfluß auf andere nicht zu ihr gehörige Arbeiter hängt von dem Maßstab ab, in welchem die Mitglieder die Geschicklichkeit in dem speciellen Handwerk repräsentiren. Ist ihre Kunst nicht groß, so werden andre sich wenig um ihre Forderungen kümmern und die Meister leicht außerhalb der Union Arbeiter finden, umfaßt dieselbe aber alle Handwerker erster Classe, so werden ihre Forderungen auch für die Nicht«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/426>, abgerufen am 01.07.2024.