Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.Agitationen zur Folge haben konnte. Preußen wünschte den Frieden, weil Allein welche Gründe auch für die Entschließung Preußens zusammen¬ Der kritische Moment, oder vielmehr der Nachdruck preußischer Mahnungen Agitationen zur Folge haben konnte. Preußen wünschte den Frieden, weil Allein welche Gründe auch für die Entschließung Preußens zusammen¬ Der kritische Moment, oder vielmehr der Nachdruck preußischer Mahnungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0401" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191095"/> <p xml:id="ID_1344" prev="#ID_1343"> Agitationen zur Folge haben konnte. Preußen wünschte den Frieden, weil<lb/> es zur Consolidirung seiner Neuschöpfung des Friedens bedarf. Es wünschte<lb/> ihn, weil es zugleich Ursache hatte, Europa, das seit Königsgrätz über den<lb/> „maßlosen Ehrgeiz" des preußischen Aars beunruhigt ist. zu beschwichtigen.<lb/> Man sagt, Bismarck habe an Friedrich den Großen erinnert, der durch die<lb/> Naschheit, mit der er dem ersten schlesischen Krieg den zweiten folgen ließ, in<lb/> Europa die Besorgniß erweckte, daß er eine beständige Friedcnsgefahr und jeden<lb/> Augenblick bereit sei, eine Schwäche seiner Nachbarn zum Losschlagen zu be¬<lb/> nutzen, und der dadurch die europäische Koalition im siebenjährigen Krieg gegen<lb/> sich heraufbeschwor. Niemand zweifelte an dem glücklichen Ausgang des Kriegs,<lb/> aber die Niederwerfung Frankreichs wäre nur eine neue Verlegenheit gewesen,<lb/> sie hätte weitere Kriege zur Folge gehabt, sie hätte eine unabsehbare kriegerische<lb/> Aera inaugurirt. Nicht dies war die Absicht Preußens: es sollte vor Europa<lb/> ein unzweideutiger Beweis von der Friedensliebe des neuen Deutschlands ab¬<lb/> gelegt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1345"> Allein welche Gründe auch für die Entschließung Preußens zusammen¬<lb/> wirkten, wir im Süden hatten nun einmal nicht das beste Gewissen. Die<lb/> Schutz- und Trutzbündnisse waren abgeschlossen, aber theils natürliche Trägheit<lb/> und Mangel an gutem Willen, theils die Hetzereien der antinationalen Par¬<lb/> teien hatten verhindert, die praktischen Konsequenzen aus ihnen zu ziehen.<lb/> Anstatt rasch ans Wer? zu gehen, um unsere Wehrversassung der norddeutschen<lb/> anzunähern, hatte man mit müßigen Spielereien und Experimenten die Zeit<lb/> Vergeudet. So traf uns die Gefahr eines rasch ousbrechcnden Kriegs. Wir<lb/> mußten uns sagen, daß Frankreich vielleicht gar nicht mit jenen Forderungen<lb/> hervorgetreten wäre, wenn es nicht auf die militärische Schwäche Süddeutsch¬<lb/> lands speculiren konnte. Wir mußten uns weiter sagen, daß, wenn der Krieg<lb/> ausbrach, unser Beitrag zu den militärischen Leistungen vermuthlich der allcr-<lb/> bescheidenste war, und wenn vielleicht lang und mit schweren Opfern gekämpst<lb/> wurde, einen Theil der Schuld sicher unsere Pflichtvcrsäumnisse trugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1346" next="#ID_1347"> Der kritische Moment, oder vielmehr der Nachdruck preußischer Mahnungen<lb/> machte nun freilich der bisherigen Unthätigkeit ein Ende. Man raffte sich mit<lb/> einem Mal zu den besten Vorsätzen auf. Hr. v. Varnbüler, in richtiger Wit¬<lb/> terung, welche Entscheidung der würtembergischen Souveränetät die günstigeren<lb/> Aussichten Versprach, entschied sich für das Festhalten am preußischen Bündniß.<lb/> Der schroffste Gegner des letzteren, Hr. v. Neurath, trat zurück, und wurde als<lb/> Justizminister durch einen Ergebenen des Hrn. v. Varnbüler ersetzt, den Hrn.<lb/> v. Mittnacht, der freilich noch länger als dieser die antipreußische Fahne ge¬<lb/> schwungen hatte, ja recht eigentlich der Führer der Kammermehrhcit bei den<lb/> berüchtigten Octoberbeschlüssen gewesen war, aber längst vor den Pforten des<lb/> Ministeriums harrend bei jeder Gelegenheit, mochte diese nun auch ein Cabi-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0401]
Agitationen zur Folge haben konnte. Preußen wünschte den Frieden, weil
es zur Consolidirung seiner Neuschöpfung des Friedens bedarf. Es wünschte
ihn, weil es zugleich Ursache hatte, Europa, das seit Königsgrätz über den
„maßlosen Ehrgeiz" des preußischen Aars beunruhigt ist. zu beschwichtigen.
Man sagt, Bismarck habe an Friedrich den Großen erinnert, der durch die
Naschheit, mit der er dem ersten schlesischen Krieg den zweiten folgen ließ, in
Europa die Besorgniß erweckte, daß er eine beständige Friedcnsgefahr und jeden
Augenblick bereit sei, eine Schwäche seiner Nachbarn zum Losschlagen zu be¬
nutzen, und der dadurch die europäische Koalition im siebenjährigen Krieg gegen
sich heraufbeschwor. Niemand zweifelte an dem glücklichen Ausgang des Kriegs,
aber die Niederwerfung Frankreichs wäre nur eine neue Verlegenheit gewesen,
sie hätte weitere Kriege zur Folge gehabt, sie hätte eine unabsehbare kriegerische
Aera inaugurirt. Nicht dies war die Absicht Preußens: es sollte vor Europa
ein unzweideutiger Beweis von der Friedensliebe des neuen Deutschlands ab¬
gelegt werden.
Allein welche Gründe auch für die Entschließung Preußens zusammen¬
wirkten, wir im Süden hatten nun einmal nicht das beste Gewissen. Die
Schutz- und Trutzbündnisse waren abgeschlossen, aber theils natürliche Trägheit
und Mangel an gutem Willen, theils die Hetzereien der antinationalen Par¬
teien hatten verhindert, die praktischen Konsequenzen aus ihnen zu ziehen.
Anstatt rasch ans Wer? zu gehen, um unsere Wehrversassung der norddeutschen
anzunähern, hatte man mit müßigen Spielereien und Experimenten die Zeit
Vergeudet. So traf uns die Gefahr eines rasch ousbrechcnden Kriegs. Wir
mußten uns sagen, daß Frankreich vielleicht gar nicht mit jenen Forderungen
hervorgetreten wäre, wenn es nicht auf die militärische Schwäche Süddeutsch¬
lands speculiren konnte. Wir mußten uns weiter sagen, daß, wenn der Krieg
ausbrach, unser Beitrag zu den militärischen Leistungen vermuthlich der allcr-
bescheidenste war, und wenn vielleicht lang und mit schweren Opfern gekämpst
wurde, einen Theil der Schuld sicher unsere Pflichtvcrsäumnisse trugen.
Der kritische Moment, oder vielmehr der Nachdruck preußischer Mahnungen
machte nun freilich der bisherigen Unthätigkeit ein Ende. Man raffte sich mit
einem Mal zu den besten Vorsätzen auf. Hr. v. Varnbüler, in richtiger Wit¬
terung, welche Entscheidung der würtembergischen Souveränetät die günstigeren
Aussichten Versprach, entschied sich für das Festhalten am preußischen Bündniß.
Der schroffste Gegner des letzteren, Hr. v. Neurath, trat zurück, und wurde als
Justizminister durch einen Ergebenen des Hrn. v. Varnbüler ersetzt, den Hrn.
v. Mittnacht, der freilich noch länger als dieser die antipreußische Fahne ge¬
schwungen hatte, ja recht eigentlich der Führer der Kammermehrhcit bei den
berüchtigten Octoberbeschlüssen gewesen war, aber längst vor den Pforten des
Ministeriums harrend bei jeder Gelegenheit, mochte diese nun auch ein Cabi-
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