Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

um die Ausstellung auszunutzen; aber auch dort meint man, daß daS Kriegs-
trommeln und die ernsthaften Vorbereitungen zu einem großen Kampfe ein sehr
ungenügendes Resultat ergeben haben, wenn der gehoffte Erwerb wie unter der
Hand escamotirt wird. Der Kaiser kann diesen Ausgang als eine Satis-
faction für die im vorigen Jahre durch Preußen verletzte Eitelkeit im Ernst
nicht betrachten.

Zuverlässig will er auch mehr und Anderes, und aus diesem Grunde ver¬
mögen wir die Aussicht auf Bewahrung des Friedens trotz aller Bemühungen
der Diplomatie nicht für sicher zu halten. Wir werden auch mißtrauisch sein
gegen die beflissene Botschaft von Einstellung seiner Rüstungen. Nicht um der
luxcmburger Frage willen sind große Truppenmassen im Lager von Chalons
gesammelt, die Festungen gegen Deutschland armirt, ungeheure Massen von
Kriegsmaterial unweit der Grenze aufgehäuft. Ja. wir wissen, daß der Kaiser
eine Zeit lang den Krieg mit uns gewollt hat. Die Aenderung seines Plans,
welche ihm wahrscheinlich durch die Lauheit der beiden Mächte, die er zu
Bundesgenossen gewinnen wollte, aufgenöthigt worden ist, darf uns nicht
darüber täuschen, daß er, wie vielleicht andere auch, in günstigerer Zeit bei
weiter fortgeschrittenen militärischen Rüstungen wieder aus die alten Gedanken
zurückkommen kann.

Für. Deutschland hat der Alarm der letzten Wochen eine segensreiche Folge
gehabt: er hat die Völker und Regierungen des deutschen Südens dem Bunde
genähert. Unsere Freunde in Süddeutschland hören nicht gern, wenn vom
Norden her auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht wird, welche dem
Behagen des kleinstaatlichtn Lebens durch die allgemeine Dienstpflicht, stärkere
Herresmacht und die größere Steuerlast in den Weg gelegt werden. Tief
wurzelnde Schäden vermag man aber nicht zu beseitigen, wenn man sie schweigend
übergeht oder mit halber Hand anfaßt. Wir Deutschen haben die innige
Ueberzeugung, daß in der Gegenwart nicht die idealen Bande gleicher Natio¬
nalität und ähnlicher Geistesbildung, auch nicht die realen Interessen des
Friedens, Zollverein und gewerblicher Verkehr so schnell und fest die Südstaaten
mit dem Nordbund vereinigen werden, als eine gemeinsame Organisation des
Heerwesens.

Deshalb begrüßen wir mit großer Freude die wackere Erklärung, welche
von badischen Mitgliedern des ständischen Ausschusses und der Generalsynode
erlassen, den Eintritt der süddeutschen Staaten, zunächst des Großherzogthums
Baden, in den norddeutschen Bund als nothwendig bezeichnet. Das waren
wackere und zeitgemäße Worte. Wir Deutsche haben nicht zum Kriege gegen
Frankreich gerufen; wir wollen jetzt auch nicht den Fehler begehen, in Friedcns-
seligkeit zu verfallen. Die luxemburger Frage war nur fast zufällig die Stelle,
wo Mißgunst und abgeneigte Politik unserer Nachbarn zu Tage kamen, wir


um die Ausstellung auszunutzen; aber auch dort meint man, daß daS Kriegs-
trommeln und die ernsthaften Vorbereitungen zu einem großen Kampfe ein sehr
ungenügendes Resultat ergeben haben, wenn der gehoffte Erwerb wie unter der
Hand escamotirt wird. Der Kaiser kann diesen Ausgang als eine Satis-
faction für die im vorigen Jahre durch Preußen verletzte Eitelkeit im Ernst
nicht betrachten.

Zuverlässig will er auch mehr und Anderes, und aus diesem Grunde ver¬
mögen wir die Aussicht auf Bewahrung des Friedens trotz aller Bemühungen
der Diplomatie nicht für sicher zu halten. Wir werden auch mißtrauisch sein
gegen die beflissene Botschaft von Einstellung seiner Rüstungen. Nicht um der
luxcmburger Frage willen sind große Truppenmassen im Lager von Chalons
gesammelt, die Festungen gegen Deutschland armirt, ungeheure Massen von
Kriegsmaterial unweit der Grenze aufgehäuft. Ja. wir wissen, daß der Kaiser
eine Zeit lang den Krieg mit uns gewollt hat. Die Aenderung seines Plans,
welche ihm wahrscheinlich durch die Lauheit der beiden Mächte, die er zu
Bundesgenossen gewinnen wollte, aufgenöthigt worden ist, darf uns nicht
darüber täuschen, daß er, wie vielleicht andere auch, in günstigerer Zeit bei
weiter fortgeschrittenen militärischen Rüstungen wieder aus die alten Gedanken
zurückkommen kann.

Für. Deutschland hat der Alarm der letzten Wochen eine segensreiche Folge
gehabt: er hat die Völker und Regierungen des deutschen Südens dem Bunde
genähert. Unsere Freunde in Süddeutschland hören nicht gern, wenn vom
Norden her auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht wird, welche dem
Behagen des kleinstaatlichtn Lebens durch die allgemeine Dienstpflicht, stärkere
Herresmacht und die größere Steuerlast in den Weg gelegt werden. Tief
wurzelnde Schäden vermag man aber nicht zu beseitigen, wenn man sie schweigend
übergeht oder mit halber Hand anfaßt. Wir Deutschen haben die innige
Ueberzeugung, daß in der Gegenwart nicht die idealen Bande gleicher Natio¬
nalität und ähnlicher Geistesbildung, auch nicht die realen Interessen des
Friedens, Zollverein und gewerblicher Verkehr so schnell und fest die Südstaaten
mit dem Nordbund vereinigen werden, als eine gemeinsame Organisation des
Heerwesens.

Deshalb begrüßen wir mit großer Freude die wackere Erklärung, welche
von badischen Mitgliedern des ständischen Ausschusses und der Generalsynode
erlassen, den Eintritt der süddeutschen Staaten, zunächst des Großherzogthums
Baden, in den norddeutschen Bund als nothwendig bezeichnet. Das waren
wackere und zeitgemäße Worte. Wir Deutsche haben nicht zum Kriege gegen
Frankreich gerufen; wir wollen jetzt auch nicht den Fehler begehen, in Friedcns-
seligkeit zu verfallen. Die luxemburger Frage war nur fast zufällig die Stelle,
wo Mißgunst und abgeneigte Politik unserer Nachbarn zu Tage kamen, wir


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190982"/>
          <p xml:id="ID_910" prev="#ID_909"> um die Ausstellung auszunutzen; aber auch dort meint man, daß daS Kriegs-<lb/>
trommeln und die ernsthaften Vorbereitungen zu einem großen Kampfe ein sehr<lb/>
ungenügendes Resultat ergeben haben, wenn der gehoffte Erwerb wie unter der<lb/>
Hand escamotirt wird. Der Kaiser kann diesen Ausgang als eine Satis-<lb/>
faction für die im vorigen Jahre durch Preußen verletzte Eitelkeit im Ernst<lb/>
nicht betrachten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_911"> Zuverlässig will er auch mehr und Anderes, und aus diesem Grunde ver¬<lb/>
mögen wir die Aussicht auf Bewahrung des Friedens trotz aller Bemühungen<lb/>
der Diplomatie nicht für sicher zu halten. Wir werden auch mißtrauisch sein<lb/>
gegen die beflissene Botschaft von Einstellung seiner Rüstungen. Nicht um der<lb/>
luxcmburger Frage willen sind große Truppenmassen im Lager von Chalons<lb/>
gesammelt, die Festungen gegen Deutschland armirt, ungeheure Massen von<lb/>
Kriegsmaterial unweit der Grenze aufgehäuft. Ja. wir wissen, daß der Kaiser<lb/>
eine Zeit lang den Krieg mit uns gewollt hat. Die Aenderung seines Plans,<lb/>
welche ihm wahrscheinlich durch die Lauheit der beiden Mächte, die er zu<lb/>
Bundesgenossen gewinnen wollte, aufgenöthigt worden ist, darf uns nicht<lb/>
darüber täuschen, daß er, wie vielleicht andere auch, in günstigerer Zeit bei<lb/>
weiter fortgeschrittenen militärischen Rüstungen wieder aus die alten Gedanken<lb/>
zurückkommen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_912"> Für. Deutschland hat der Alarm der letzten Wochen eine segensreiche Folge<lb/>
gehabt: er hat die Völker und Regierungen des deutschen Südens dem Bunde<lb/>
genähert. Unsere Freunde in Süddeutschland hören nicht gern, wenn vom<lb/>
Norden her auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht wird, welche dem<lb/>
Behagen des kleinstaatlichtn Lebens durch die allgemeine Dienstpflicht, stärkere<lb/>
Herresmacht und die größere Steuerlast in den Weg gelegt werden. Tief<lb/>
wurzelnde Schäden vermag man aber nicht zu beseitigen, wenn man sie schweigend<lb/>
übergeht oder mit halber Hand anfaßt. Wir Deutschen haben die innige<lb/>
Ueberzeugung, daß in der Gegenwart nicht die idealen Bande gleicher Natio¬<lb/>
nalität und ähnlicher Geistesbildung, auch nicht die realen Interessen des<lb/>
Friedens, Zollverein und gewerblicher Verkehr so schnell und fest die Südstaaten<lb/>
mit dem Nordbund vereinigen werden, als eine gemeinsame Organisation des<lb/>
Heerwesens.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_913" next="#ID_914"> Deshalb begrüßen wir mit großer Freude die wackere Erklärung, welche<lb/>
von badischen Mitgliedern des ständischen Ausschusses und der Generalsynode<lb/>
erlassen, den Eintritt der süddeutschen Staaten, zunächst des Großherzogthums<lb/>
Baden, in den norddeutschen Bund als nothwendig bezeichnet. Das waren<lb/>
wackere und zeitgemäße Worte. Wir Deutsche haben nicht zum Kriege gegen<lb/>
Frankreich gerufen; wir wollen jetzt auch nicht den Fehler begehen, in Friedcns-<lb/>
seligkeit zu verfallen. Die luxemburger Frage war nur fast zufällig die Stelle,<lb/>
wo Mißgunst und abgeneigte Politik unserer Nachbarn zu Tage kamen, wir</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0288] um die Ausstellung auszunutzen; aber auch dort meint man, daß daS Kriegs- trommeln und die ernsthaften Vorbereitungen zu einem großen Kampfe ein sehr ungenügendes Resultat ergeben haben, wenn der gehoffte Erwerb wie unter der Hand escamotirt wird. Der Kaiser kann diesen Ausgang als eine Satis- faction für die im vorigen Jahre durch Preußen verletzte Eitelkeit im Ernst nicht betrachten. Zuverlässig will er auch mehr und Anderes, und aus diesem Grunde ver¬ mögen wir die Aussicht auf Bewahrung des Friedens trotz aller Bemühungen der Diplomatie nicht für sicher zu halten. Wir werden auch mißtrauisch sein gegen die beflissene Botschaft von Einstellung seiner Rüstungen. Nicht um der luxcmburger Frage willen sind große Truppenmassen im Lager von Chalons gesammelt, die Festungen gegen Deutschland armirt, ungeheure Massen von Kriegsmaterial unweit der Grenze aufgehäuft. Ja. wir wissen, daß der Kaiser eine Zeit lang den Krieg mit uns gewollt hat. Die Aenderung seines Plans, welche ihm wahrscheinlich durch die Lauheit der beiden Mächte, die er zu Bundesgenossen gewinnen wollte, aufgenöthigt worden ist, darf uns nicht darüber täuschen, daß er, wie vielleicht andere auch, in günstigerer Zeit bei weiter fortgeschrittenen militärischen Rüstungen wieder aus die alten Gedanken zurückkommen kann. Für. Deutschland hat der Alarm der letzten Wochen eine segensreiche Folge gehabt: er hat die Völker und Regierungen des deutschen Südens dem Bunde genähert. Unsere Freunde in Süddeutschland hören nicht gern, wenn vom Norden her auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht wird, welche dem Behagen des kleinstaatlichtn Lebens durch die allgemeine Dienstpflicht, stärkere Herresmacht und die größere Steuerlast in den Weg gelegt werden. Tief wurzelnde Schäden vermag man aber nicht zu beseitigen, wenn man sie schweigend übergeht oder mit halber Hand anfaßt. Wir Deutschen haben die innige Ueberzeugung, daß in der Gegenwart nicht die idealen Bande gleicher Natio¬ nalität und ähnlicher Geistesbildung, auch nicht die realen Interessen des Friedens, Zollverein und gewerblicher Verkehr so schnell und fest die Südstaaten mit dem Nordbund vereinigen werden, als eine gemeinsame Organisation des Heerwesens. Deshalb begrüßen wir mit großer Freude die wackere Erklärung, welche von badischen Mitgliedern des ständischen Ausschusses und der Generalsynode erlassen, den Eintritt der süddeutschen Staaten, zunächst des Großherzogthums Baden, in den norddeutschen Bund als nothwendig bezeichnet. Das waren wackere und zeitgemäße Worte. Wir Deutsche haben nicht zum Kriege gegen Frankreich gerufen; wir wollen jetzt auch nicht den Fehler begehen, in Friedcns- seligkeit zu verfallen. Die luxemburger Frage war nur fast zufällig die Stelle, wo Mißgunst und abgeneigte Politik unserer Nachbarn zu Tage kamen, wir

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/288
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/288>, abgerufen am 22.07.2024.