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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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messe und Capitel folgte ein' großes Banket, wozu der würtenbergische Gesandte
gleichfalls geladen war. Dabei ereignete sich ein Zwischenfall in -- leider muß
man ihn so bezeichnen -- echt deutschem Stile deutscher Höfe und Festivitäten.
Natürlich war auch der Graf solus dazu geladen und der OberceremonieN'
Meister hatte ihm an einer von den vielen Tafeln, an denen nach der Sitte der
Zeit gespeist wurde, den Ehrenplatz eingeräumt und unsern Schwaben an die
Langseite placirt. Dieser gerieth darüber in die tiefste sittliche Entrüstung,
Schon vorher hatte ihm der Hesse weidlichen Kummer gemacht, weit er in den
Augen der Engländer für vornehmer galt als Brcuning, was er unzweifelhaft
war, aber daß deshalb auch sein Hof vornehmer sein sollte, wie die Engländer
in ihrer schon damals unverbesserlichen Unfähigkeit, continentale Begriffe von
dieser Art zu begreifen, weiter schlössen, konnte ein pflichteifriger Diener seines
Herrn nicht mit ansehen. Breuning hatte daher, weil er dafür gehalten, daß
in zweifelhaften Fällen, was die Reputation und Ehre der Fürsten belangt,
besser und verantwortlicher sei. den Sachen zu viel als zu wenig zu thun,
wenigstens in soweit das Recht seines Herrn zu wahren gesucht, daß er sich
dem Hessen im Stehen und Gehen jeder Zeit auf die rechte Hand gehalten, so
viel ihm, wie er offenherzig zusetzt, dasselbige möglich geworden, es habe denn
in dem Gedränge anders nicht sein können, und daß der Graf etliche Male zu
seinem Vortheil die Wand- oder Mauerseite eingenommen. Wie ersichtlich hatten
die Engländer diesen kleinen Krieg zwischen den deutschen Gesandten gar nicht
bemerkt und ihre Ansicht über beide dadurch nicht ändern lassen. Brcuning
glaubte daher jetzt an der königlichen Tafel den Moment gekommen, wo er auf
eclatante Weise das Recht seines Herrn vertheidigen und den Engländern den
Vorrang eines Herzogs vor einem Landgrafen anschaulich machen müßte. Es
bedünkte ihn, wie er seinem Herrn referirt, die rechte Zeit zu sein. Ew. fürst-
, liebe Gnaden Ehre und Reputation an diesem englischen Königshofe am wenig¬
sten schwächen zu lassen, weil, was einmal verschüttet in solchen Fällen, nicht
leicht wieder aufzuheben. Demzufolge weigerte er sich mit einer Energie, welche
des späteren regensburger Reichstages würdig gewesen wäre, an dem ihm an¬
gewiesenen Platze zu sitzen, so lange der Graf Solms den Ehrenplatz einnehme.
Widrigenfalls drohte er, wie herkömmlich, mit seiner Entfernung. Der Graf
Solms, der nach allem ein recht verständiger und humaner Mann gewesen zu
sein scheint, gerieth durch das Pathos des Schwaben in nicht geringe Ver¬
legenheit. Er gab zu bedenken, ^>aß es einen Scandal herbeiführe" müsse,
wenn er jetzt den bona nac eingenommenen Platz räumen solle, daß es über¬
haupt unpassend sei, an diesem Orte solche Eitelkcitsfragen aufzurühren; er
habe geglaubt, daß man dergleichen Dinge jenseits des Meeres, in dem lieben
Vaterlande aller solcher Kleinlichkeiten, habe zurücklassen können. Doch da
Breuning grade wegen dieser vernünftigen Antwort immer insolenter wurde,


messe und Capitel folgte ein' großes Banket, wozu der würtenbergische Gesandte
gleichfalls geladen war. Dabei ereignete sich ein Zwischenfall in — leider muß
man ihn so bezeichnen — echt deutschem Stile deutscher Höfe und Festivitäten.
Natürlich war auch der Graf solus dazu geladen und der OberceremonieN'
Meister hatte ihm an einer von den vielen Tafeln, an denen nach der Sitte der
Zeit gespeist wurde, den Ehrenplatz eingeräumt und unsern Schwaben an die
Langseite placirt. Dieser gerieth darüber in die tiefste sittliche Entrüstung,
Schon vorher hatte ihm der Hesse weidlichen Kummer gemacht, weit er in den
Augen der Engländer für vornehmer galt als Brcuning, was er unzweifelhaft
war, aber daß deshalb auch sein Hof vornehmer sein sollte, wie die Engländer
in ihrer schon damals unverbesserlichen Unfähigkeit, continentale Begriffe von
dieser Art zu begreifen, weiter schlössen, konnte ein pflichteifriger Diener seines
Herrn nicht mit ansehen. Breuning hatte daher, weil er dafür gehalten, daß
in zweifelhaften Fällen, was die Reputation und Ehre der Fürsten belangt,
besser und verantwortlicher sei. den Sachen zu viel als zu wenig zu thun,
wenigstens in soweit das Recht seines Herrn zu wahren gesucht, daß er sich
dem Hessen im Stehen und Gehen jeder Zeit auf die rechte Hand gehalten, so
viel ihm, wie er offenherzig zusetzt, dasselbige möglich geworden, es habe denn
in dem Gedränge anders nicht sein können, und daß der Graf etliche Male zu
seinem Vortheil die Wand- oder Mauerseite eingenommen. Wie ersichtlich hatten
die Engländer diesen kleinen Krieg zwischen den deutschen Gesandten gar nicht
bemerkt und ihre Ansicht über beide dadurch nicht ändern lassen. Brcuning
glaubte daher jetzt an der königlichen Tafel den Moment gekommen, wo er auf
eclatante Weise das Recht seines Herrn vertheidigen und den Engländern den
Vorrang eines Herzogs vor einem Landgrafen anschaulich machen müßte. Es
bedünkte ihn, wie er seinem Herrn referirt, die rechte Zeit zu sein. Ew. fürst-
, liebe Gnaden Ehre und Reputation an diesem englischen Königshofe am wenig¬
sten schwächen zu lassen, weil, was einmal verschüttet in solchen Fällen, nicht
leicht wieder aufzuheben. Demzufolge weigerte er sich mit einer Energie, welche
des späteren regensburger Reichstages würdig gewesen wäre, an dem ihm an¬
gewiesenen Platze zu sitzen, so lange der Graf Solms den Ehrenplatz einnehme.
Widrigenfalls drohte er, wie herkömmlich, mit seiner Entfernung. Der Graf
Solms, der nach allem ein recht verständiger und humaner Mann gewesen zu
sein scheint, gerieth durch das Pathos des Schwaben in nicht geringe Ver¬
legenheit. Er gab zu bedenken, ^>aß es einen Scandal herbeiführe» müsse,
wenn er jetzt den bona nac eingenommenen Platz räumen solle, daß es über¬
haupt unpassend sei, an diesem Orte solche Eitelkcitsfragen aufzurühren; er
habe geglaubt, daß man dergleichen Dinge jenseits des Meeres, in dem lieben
Vaterlande aller solcher Kleinlichkeiten, habe zurücklassen können. Doch da
Breuning grade wegen dieser vernünftigen Antwort immer insolenter wurde,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/25>, abgerufen am 22.07.2024.