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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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1392, zu einer'Zeit, wo der baldige Tod seines beinahe ihm gleichaltrigen
Vetters Ludwig, des regierenden Herzogs, von niemand erwartet wurde, hatte
Friedrich der großen Königin seine Aufwartung gemacht, war von ihr als ein
stattlicher, hübscher Mann, der sich gut zu benehmen wußte, mit freundliche"
Augen angesehen worden und hatte als Ersatz für die nicht geringen Reise¬
kosten wenigstens einige höfliche Worte mit nach Hause gebracht, die er, ganz
voll von den in Windsor und Reading gesehenen Mirakeln, so deutete, als
würde er nächstens das Ziel seiner Wünsche erreichen. Ja er fühlte sich so
sicher, daß er sich von da an neben seinem gewöhnlichen Titelgepränge auch die
Würde und die Jnsignien eines Ritters vom Hosenband beilegte und demgemäß
auf Münzen und Medaillen sich darstellen ließ. Ob er damit auch eine Art
von moralischer Presston auf die Königin von England ausüben wollte, ist nicht
zu entscheiden. Jedenfalls vertraute er nicht allein darauf, sondern als er 1593
durch den plötzlichen Tod seines Vetters um eine bedeutende Stufe höher an
Macht und Würde gehoben war, gehörte es zu den ersten Sorgen seiner neuen
Herzogslaufbalm, daß er das angebliche Versprechen der Königin ihr durch eine
besondere Ambassade ins Gedächtniß zurückrufen ließ. Wahrscheinlich glaubte
er, daß sie dem Herzog unmöglich das länger verweigern könne, was der Graf
beinahe schon davon getragen.

Es hat sich nun der Bericht des Chefs dieser Gesandtschaft in der Original¬
gestalt, wie er ihn nach seiner Rückkehr seinem gnädigsten Herrn einreichte, er¬
halten, zugleich mil den Randbemerkungen, welche die allerhöchste Hand hinzu¬
zufügen beliebte. Neuerdings ist er in der Bibliothek des literar>schen Vereins
zu Stuttgart (81. Publication, 1865) von Herrn August Sckloßberger veröffent-
licht worden, was er als ein lehrreiches und interessantes cullurgeschichtlicheö
Document in vollem Maße verdient. Den" wenn auch dee Gegenstand selbst
ein an sich nichtiger, ja lächerlicher ist. besonders da die Bemühungen des Ge¬
sandten gänzlich Fiasco machten, so gcwälm er doch in seiner anspruchslosen
Naivetät und Unmittelbarkeit einen guten Einblick in das innere Wesen unserer
damaligen deutschen Zustände. Der Gegensatz zwischen der im Grunde doch
immer noch spießbürgerlichen, beschränkten und kleinen Art eines deutschen Hofes
damaliger Zeit, noch dazu eines solchen, der durch Rang und Persönlichkeit des
regierenden Herren größere Prätensionen als die meisten andern machen durfte,
und eines, wenn auch mil einem Ueberfluß von barockem Bombast verbrämten,
doch in Stil und Haltung wahrhaft grandiosen Hofes wie der englische unter
Elisabeth, der Contrast zwischen den Zielen und Mitteln eines deutschen Fürsten
und denen der größten Herrscherin ihrer und vielleicht aller Zeiten, zwischen der
gemüthlichen Beschränkiheit und dem er.^en Horizont der schwäbischen Geschäfts¬
männer und der weltgeschichtlichen Position und Perspektive eines Robert und
Franz Cecil, Algcrnon Sidney, Cobham, Esser, wirkt mit wahrhaft schlagender


1392, zu einer'Zeit, wo der baldige Tod seines beinahe ihm gleichaltrigen
Vetters Ludwig, des regierenden Herzogs, von niemand erwartet wurde, hatte
Friedrich der großen Königin seine Aufwartung gemacht, war von ihr als ein
stattlicher, hübscher Mann, der sich gut zu benehmen wußte, mit freundliche»
Augen angesehen worden und hatte als Ersatz für die nicht geringen Reise¬
kosten wenigstens einige höfliche Worte mit nach Hause gebracht, die er, ganz
voll von den in Windsor und Reading gesehenen Mirakeln, so deutete, als
würde er nächstens das Ziel seiner Wünsche erreichen. Ja er fühlte sich so
sicher, daß er sich von da an neben seinem gewöhnlichen Titelgepränge auch die
Würde und die Jnsignien eines Ritters vom Hosenband beilegte und demgemäß
auf Münzen und Medaillen sich darstellen ließ. Ob er damit auch eine Art
von moralischer Presston auf die Königin von England ausüben wollte, ist nicht
zu entscheiden. Jedenfalls vertraute er nicht allein darauf, sondern als er 1593
durch den plötzlichen Tod seines Vetters um eine bedeutende Stufe höher an
Macht und Würde gehoben war, gehörte es zu den ersten Sorgen seiner neuen
Herzogslaufbalm, daß er das angebliche Versprechen der Königin ihr durch eine
besondere Ambassade ins Gedächtniß zurückrufen ließ. Wahrscheinlich glaubte
er, daß sie dem Herzog unmöglich das länger verweigern könne, was der Graf
beinahe schon davon getragen.

Es hat sich nun der Bericht des Chefs dieser Gesandtschaft in der Original¬
gestalt, wie er ihn nach seiner Rückkehr seinem gnädigsten Herrn einreichte, er¬
halten, zugleich mil den Randbemerkungen, welche die allerhöchste Hand hinzu¬
zufügen beliebte. Neuerdings ist er in der Bibliothek des literar>schen Vereins
zu Stuttgart (81. Publication, 1865) von Herrn August Sckloßberger veröffent-
licht worden, was er als ein lehrreiches und interessantes cullurgeschichtlicheö
Document in vollem Maße verdient. Den» wenn auch dee Gegenstand selbst
ein an sich nichtiger, ja lächerlicher ist. besonders da die Bemühungen des Ge¬
sandten gänzlich Fiasco machten, so gcwälm er doch in seiner anspruchslosen
Naivetät und Unmittelbarkeit einen guten Einblick in das innere Wesen unserer
damaligen deutschen Zustände. Der Gegensatz zwischen der im Grunde doch
immer noch spießbürgerlichen, beschränkten und kleinen Art eines deutschen Hofes
damaliger Zeit, noch dazu eines solchen, der durch Rang und Persönlichkeit des
regierenden Herren größere Prätensionen als die meisten andern machen durfte,
und eines, wenn auch mil einem Ueberfluß von barockem Bombast verbrämten,
doch in Stil und Haltung wahrhaft grandiosen Hofes wie der englische unter
Elisabeth, der Contrast zwischen den Zielen und Mitteln eines deutschen Fürsten
und denen der größten Herrscherin ihrer und vielleicht aller Zeiten, zwischen der
gemüthlichen Beschränkiheit und dem er.^en Horizont der schwäbischen Geschäfts¬
männer und der weltgeschichtlichen Position und Perspektive eines Robert und
Franz Cecil, Algcrnon Sidney, Cobham, Esser, wirkt mit wahrhaft schlagender


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/19>, abgerufen am 22.07.2024.