Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erschienen, darunter zwei Grafen, die als Bezirksvorsteher in kaiserlichen Diensten
standen. Diese beiden befehlet er zu sich und befahl ihnen, mit den Ultramon¬
tanen zu stimmen. Dennoch trugen ihre Gegner, wenngleich nur mit wenigen
Stimmen, den Sieg davon, und der dadurch in Wuth versetzte Freiherr Ignaz
Giovanelli entblödete sich nicht, öffentlich in den Zeitungen das Geständniß ab¬
zulegen, daß er und seine Verbündeten "keine Mühe gespart", um eine andere
Wahl zu erzielen. Alle Welt wußte, was sie darunter zu verstehen hatte.

Trotz diese's Druckes und aller Ränke der Gottseligen zählten die " Ver-
fassungstreuen" unter den Gewählten doch nicht weniger als 21. die "Glaubens-
einheitler" hingegen einschließlich der 7 geistlichen Virilstimmcn 31; die übrigen
16 entfiele" auf Wälschtirol, wo die nationale Partei, so weit es an ihr lag,
lauter Leute gewählt hatte, die voraussichtlich den Landtag nicht besuchten. In
Roveredo veranstaltete man zur Feier der Wahl des Patrioten Publio Colle
einen Dcmonstrationsspaziergang, wobei es der Pöbel an tollem Geschrei für
Victor Emanuel und Steinwürfen aus den östreichischen Adler nicht fehlen ließ.
Die Knaben, die dafür bezahlt waren, verriethen die Anstifter, ein Monstre-
Proceß wurde eingeleitet, den politisch Verdächtigen der Laufpaß ertheilt und
dem Magistrate die Besorgung der Regierungsgeschäfte abgenommen. Zugleich
wurde der Belagerungszustand über ganz Wälschtirol verhängt und kurz nachher
allen dortigen Beamten bei Dienstesentlassung untersagt, mit den Anhängern
der nationalen Partei Umgang zu Pflegen. Sie konnten sich darüber nicht ver¬
wundern, wenn sie hörten, wie sich auch ihre Amtsgenossen in Innsbruck jedes¬
mal in schwarzem Frack und weißer Cravatte bedanken mußten, wenn ihnen die
Ehre zu Theil wurde, an der Tafel ihres Chefs zu speisen.

Die Wahlen des Adels waren kaum vollendet, als sich all der Amtseifer
für die Beschickung der außerordentlichen Reichsversammlung nicht nur als
überflüssig, sondern selbst als unzweckmäßig erwies. Man hatte dadurch nur
den Ultramontanen in die Hände gearbeitet. Durch den Austritt Belcredis
aus dem östreichischen Ministerium war der außerordentliche Reichsrath beseitigt,
Baron Beust setzte zur Beschwichtigung der deutschen Gewissen den "verfassungs¬
mäßigen" an seine Stelle. Die "Verfassungstreuen" hatten also keinen Grund
mehr, sich seiner Beschickung zu widersetzen. Der "außerordentliche" Reichsrath
war aus den "persönlichen Bemühungen" des Herrn v. Beust hervorgegangen,
und wenn er auch jetzt anstatt dessen den "engern" berief, hatte er damit dock)
nur einen Schritt weiter gethan als selbst Belcredi, der über den beantragten
Ausgleich mit Ungarn vorerst die "legalen" Vertreter der Länder diesseits der
Leitha vernehmen, ihnen aber nicht durch die Machtvollkommenheit der Krone
zuvorkommen wollte. Mit dem "verfassungsmäßigen" Reichsrath trat sonach
eine Reihe von Octroyirungcn ein, denn er hob den weitern Reichsrath auf
und ertheilte dem engern die Befugniß zu Verfassungsabänderungen. Diese


erschienen, darunter zwei Grafen, die als Bezirksvorsteher in kaiserlichen Diensten
standen. Diese beiden befehlet er zu sich und befahl ihnen, mit den Ultramon¬
tanen zu stimmen. Dennoch trugen ihre Gegner, wenngleich nur mit wenigen
Stimmen, den Sieg davon, und der dadurch in Wuth versetzte Freiherr Ignaz
Giovanelli entblödete sich nicht, öffentlich in den Zeitungen das Geständniß ab¬
zulegen, daß er und seine Verbündeten „keine Mühe gespart", um eine andere
Wahl zu erzielen. Alle Welt wußte, was sie darunter zu verstehen hatte.

Trotz diese's Druckes und aller Ränke der Gottseligen zählten die „ Ver-
fassungstreuen" unter den Gewählten doch nicht weniger als 21. die „Glaubens-
einheitler" hingegen einschließlich der 7 geistlichen Virilstimmcn 31; die übrigen
16 entfiele» auf Wälschtirol, wo die nationale Partei, so weit es an ihr lag,
lauter Leute gewählt hatte, die voraussichtlich den Landtag nicht besuchten. In
Roveredo veranstaltete man zur Feier der Wahl des Patrioten Publio Colle
einen Dcmonstrationsspaziergang, wobei es der Pöbel an tollem Geschrei für
Victor Emanuel und Steinwürfen aus den östreichischen Adler nicht fehlen ließ.
Die Knaben, die dafür bezahlt waren, verriethen die Anstifter, ein Monstre-
Proceß wurde eingeleitet, den politisch Verdächtigen der Laufpaß ertheilt und
dem Magistrate die Besorgung der Regierungsgeschäfte abgenommen. Zugleich
wurde der Belagerungszustand über ganz Wälschtirol verhängt und kurz nachher
allen dortigen Beamten bei Dienstesentlassung untersagt, mit den Anhängern
der nationalen Partei Umgang zu Pflegen. Sie konnten sich darüber nicht ver¬
wundern, wenn sie hörten, wie sich auch ihre Amtsgenossen in Innsbruck jedes¬
mal in schwarzem Frack und weißer Cravatte bedanken mußten, wenn ihnen die
Ehre zu Theil wurde, an der Tafel ihres Chefs zu speisen.

Die Wahlen des Adels waren kaum vollendet, als sich all der Amtseifer
für die Beschickung der außerordentlichen Reichsversammlung nicht nur als
überflüssig, sondern selbst als unzweckmäßig erwies. Man hatte dadurch nur
den Ultramontanen in die Hände gearbeitet. Durch den Austritt Belcredis
aus dem östreichischen Ministerium war der außerordentliche Reichsrath beseitigt,
Baron Beust setzte zur Beschwichtigung der deutschen Gewissen den „verfassungs¬
mäßigen" an seine Stelle. Die „Verfassungstreuen" hatten also keinen Grund
mehr, sich seiner Beschickung zu widersetzen. Der „außerordentliche" Reichsrath
war aus den „persönlichen Bemühungen" des Herrn v. Beust hervorgegangen,
und wenn er auch jetzt anstatt dessen den „engern" berief, hatte er damit dock)
nur einen Schritt weiter gethan als selbst Belcredi, der über den beantragten
Ausgleich mit Ungarn vorerst die „legalen" Vertreter der Länder diesseits der
Leitha vernehmen, ihnen aber nicht durch die Machtvollkommenheit der Krone
zuvorkommen wollte. Mit dem „verfassungsmäßigen" Reichsrath trat sonach
eine Reihe von Octroyirungcn ein, denn er hob den weitern Reichsrath auf
und ertheilte dem engern die Befugniß zu Verfassungsabänderungen. Diese


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190834"/>
          <p xml:id="ID_424" prev="#ID_423"> erschienen, darunter zwei Grafen, die als Bezirksvorsteher in kaiserlichen Diensten<lb/>
standen. Diese beiden befehlet er zu sich und befahl ihnen, mit den Ultramon¬<lb/>
tanen zu stimmen. Dennoch trugen ihre Gegner, wenngleich nur mit wenigen<lb/>
Stimmen, den Sieg davon, und der dadurch in Wuth versetzte Freiherr Ignaz<lb/>
Giovanelli entblödete sich nicht, öffentlich in den Zeitungen das Geständniß ab¬<lb/>
zulegen, daß er und seine Verbündeten &#x201E;keine Mühe gespart", um eine andere<lb/>
Wahl zu erzielen. Alle Welt wußte, was sie darunter zu verstehen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_425"> Trotz diese's Druckes und aller Ränke der Gottseligen zählten die &#x201E; Ver-<lb/>
fassungstreuen" unter den Gewählten doch nicht weniger als 21. die &#x201E;Glaubens-<lb/>
einheitler" hingegen einschließlich der 7 geistlichen Virilstimmcn 31; die übrigen<lb/>
16 entfiele» auf Wälschtirol, wo die nationale Partei, so weit es an ihr lag,<lb/>
lauter Leute gewählt hatte, die voraussichtlich den Landtag nicht besuchten. In<lb/>
Roveredo veranstaltete man zur Feier der Wahl des Patrioten Publio Colle<lb/>
einen Dcmonstrationsspaziergang, wobei es der Pöbel an tollem Geschrei für<lb/>
Victor Emanuel und Steinwürfen aus den östreichischen Adler nicht fehlen ließ.<lb/>
Die Knaben, die dafür bezahlt waren, verriethen die Anstifter, ein Monstre-<lb/>
Proceß wurde eingeleitet, den politisch Verdächtigen der Laufpaß ertheilt und<lb/>
dem Magistrate die Besorgung der Regierungsgeschäfte abgenommen. Zugleich<lb/>
wurde der Belagerungszustand über ganz Wälschtirol verhängt und kurz nachher<lb/>
allen dortigen Beamten bei Dienstesentlassung untersagt, mit den Anhängern<lb/>
der nationalen Partei Umgang zu Pflegen. Sie konnten sich darüber nicht ver¬<lb/>
wundern, wenn sie hörten, wie sich auch ihre Amtsgenossen in Innsbruck jedes¬<lb/>
mal in schwarzem Frack und weißer Cravatte bedanken mußten, wenn ihnen die<lb/>
Ehre zu Theil wurde, an der Tafel ihres Chefs zu speisen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_426" next="#ID_427"> Die Wahlen des Adels waren kaum vollendet, als sich all der Amtseifer<lb/>
für die Beschickung der außerordentlichen Reichsversammlung nicht nur als<lb/>
überflüssig, sondern selbst als unzweckmäßig erwies. Man hatte dadurch nur<lb/>
den Ultramontanen in die Hände gearbeitet. Durch den Austritt Belcredis<lb/>
aus dem östreichischen Ministerium war der außerordentliche Reichsrath beseitigt,<lb/>
Baron Beust setzte zur Beschwichtigung der deutschen Gewissen den &#x201E;verfassungs¬<lb/>
mäßigen" an seine Stelle. Die &#x201E;Verfassungstreuen" hatten also keinen Grund<lb/>
mehr, sich seiner Beschickung zu widersetzen. Der &#x201E;außerordentliche" Reichsrath<lb/>
war aus den &#x201E;persönlichen Bemühungen" des Herrn v. Beust hervorgegangen,<lb/>
und wenn er auch jetzt anstatt dessen den &#x201E;engern" berief, hatte er damit dock)<lb/>
nur einen Schritt weiter gethan als selbst Belcredi, der über den beantragten<lb/>
Ausgleich mit Ungarn vorerst die &#x201E;legalen" Vertreter der Länder diesseits der<lb/>
Leitha vernehmen, ihnen aber nicht durch die Machtvollkommenheit der Krone<lb/>
zuvorkommen wollte. Mit dem &#x201E;verfassungsmäßigen" Reichsrath trat sonach<lb/>
eine Reihe von Octroyirungcn ein, denn er hob den weitern Reichsrath auf<lb/>
und ertheilte dem engern die Befugniß zu Verfassungsabänderungen. Diese</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0140] erschienen, darunter zwei Grafen, die als Bezirksvorsteher in kaiserlichen Diensten standen. Diese beiden befehlet er zu sich und befahl ihnen, mit den Ultramon¬ tanen zu stimmen. Dennoch trugen ihre Gegner, wenngleich nur mit wenigen Stimmen, den Sieg davon, und der dadurch in Wuth versetzte Freiherr Ignaz Giovanelli entblödete sich nicht, öffentlich in den Zeitungen das Geständniß ab¬ zulegen, daß er und seine Verbündeten „keine Mühe gespart", um eine andere Wahl zu erzielen. Alle Welt wußte, was sie darunter zu verstehen hatte. Trotz diese's Druckes und aller Ränke der Gottseligen zählten die „ Ver- fassungstreuen" unter den Gewählten doch nicht weniger als 21. die „Glaubens- einheitler" hingegen einschließlich der 7 geistlichen Virilstimmcn 31; die übrigen 16 entfiele» auf Wälschtirol, wo die nationale Partei, so weit es an ihr lag, lauter Leute gewählt hatte, die voraussichtlich den Landtag nicht besuchten. In Roveredo veranstaltete man zur Feier der Wahl des Patrioten Publio Colle einen Dcmonstrationsspaziergang, wobei es der Pöbel an tollem Geschrei für Victor Emanuel und Steinwürfen aus den östreichischen Adler nicht fehlen ließ. Die Knaben, die dafür bezahlt waren, verriethen die Anstifter, ein Monstre- Proceß wurde eingeleitet, den politisch Verdächtigen der Laufpaß ertheilt und dem Magistrate die Besorgung der Regierungsgeschäfte abgenommen. Zugleich wurde der Belagerungszustand über ganz Wälschtirol verhängt und kurz nachher allen dortigen Beamten bei Dienstesentlassung untersagt, mit den Anhängern der nationalen Partei Umgang zu Pflegen. Sie konnten sich darüber nicht ver¬ wundern, wenn sie hörten, wie sich auch ihre Amtsgenossen in Innsbruck jedes¬ mal in schwarzem Frack und weißer Cravatte bedanken mußten, wenn ihnen die Ehre zu Theil wurde, an der Tafel ihres Chefs zu speisen. Die Wahlen des Adels waren kaum vollendet, als sich all der Amtseifer für die Beschickung der außerordentlichen Reichsversammlung nicht nur als überflüssig, sondern selbst als unzweckmäßig erwies. Man hatte dadurch nur den Ultramontanen in die Hände gearbeitet. Durch den Austritt Belcredis aus dem östreichischen Ministerium war der außerordentliche Reichsrath beseitigt, Baron Beust setzte zur Beschwichtigung der deutschen Gewissen den „verfassungs¬ mäßigen" an seine Stelle. Die „Verfassungstreuen" hatten also keinen Grund mehr, sich seiner Beschickung zu widersetzen. Der „außerordentliche" Reichsrath war aus den „persönlichen Bemühungen" des Herrn v. Beust hervorgegangen, und wenn er auch jetzt anstatt dessen den „engern" berief, hatte er damit dock) nur einen Schritt weiter gethan als selbst Belcredi, der über den beantragten Ausgleich mit Ungarn vorerst die „legalen" Vertreter der Länder diesseits der Leitha vernehmen, ihnen aber nicht durch die Machtvollkommenheit der Krone zuvorkommen wollte. Mit dem „verfassungsmäßigen" Reichsrath trat sonach eine Reihe von Octroyirungcn ein, denn er hob den weitern Reichsrath auf und ertheilte dem engern die Befugniß zu Verfassungsabänderungen. Diese

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/140
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/140>, abgerufen am 22.07.2024.