Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.Bernays "sehr mache" gelegt haben, von deren sicheren Aufschlüssen er keine Das ist das Eigene der düntzerschen Kritik, daß sie als ganz individuell Von den Druckfehlern, die Bernays als den Nachdrucker entstammend auf¬ Bernays „sehr mache" gelegt haben, von deren sicheren Aufschlüssen er keine Das ist das Eigene der düntzerschen Kritik, daß sie als ganz individuell Von den Druckfehlern, die Bernays als den Nachdrucker entstammend auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190808"/> <p xml:id="ID_349" prev="#ID_348"> Bernays „sehr mache" gelegt haben, von deren sicheren Aufschlüssen er keine<lb/> Ahnung hatte. Düntzers Fiction der späten Aenderungen Goethes ist nichts<lb/> als die Costümirung seiner eigenen kritischen Nachlässigkeit und Willkür. So<lb/> hat er in „Götter. Helden und Wieland" stehen lassen: „Hast mit deinem ver¬<lb/> zehrenden Schwert abgeweidet ihre Haare." Jener kundige Recensent be¬<lb/> merkte ihm, daß die authentische Schreibung (in der Eistausgabe) abgeweidet<lb/> sei; die innere Kritik eines Sprachlenners wie Grimm entschied gleichfalls für<lb/> diese. Das rührt Herrn Düntzer nicht im Geringsten; „Man hüte sich," lehrt<lb/> er, „wirkliche Aenderungen des Dichters als Druckfehler verwerfen zu wollen."<lb/> Aber woran erkennt man denn diese Aenderungen Goethes in Ausgaben, die<lb/> doch ebenfalls Druckfehler, auch vererbte, auch von Herrn Düntzer anerkannte<lb/> enthalten? Er giebt kein objectives Merkmal dafür, kann auch keins geben;<lb/> was genügen muß. ist — Herrn Düntzers Belieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_350"> Das ist das Eigene der düntzerschen Kritik, daß sie als ganz individuell<lb/> innere keine» methodischen Zusammenhang mit der äußern hat. Grade die<lb/> methodische Verknüpfung der äußern Kritik mit der innern ist das Verdienst von<lb/> Bernays, und daß Düntzer in der Anzeige versucht, dieses Verdienst für sich in<lb/> Anspruch zu nehmen, ist um so monströser, als er unmittelbar darauf diesen<lb/> angeblichen Abschluß seiner Kritik herabzuwerthen und wieder aufzulösen sucht<lb/> durch das alte Mittel seiner Unkritik.</p><lb/> <p xml:id="ID_351" next="#ID_352"> Von den Druckfehlern, die Bernays als den Nachdrucker entstammend auf¬<lb/> gezeigt und aus den Erstausgaben authentisch verbessert hat, will Herr Düntzer,<lb/> weil er sie ruhig hat stehen lassen, doch einige für wahrscheinliche Aenderungen<lb/> von Goethe selbst erklären. Seine Belehrung des Herrn Bernays äußert sich<lb/> zu diesem Ende als ein unglaublich feiner Tadel der ursprünglichen Schreibung<lb/> Goethes. Von der kurzen Beschreibung, wie Werther auf seinem Bett gefunden<lb/> wird, sa.r,t Herr Düntzer mit seinem gewöhnlichen plurirlis w^estatig: „Wir<lb/> gestehen, daß die Zusammenstellung des Verbundenseins der Stirne mit der<lb/> Blässe des Antlitzes uns nichts weniger als logisch richtig, auch das adjectivisch<lb/> gebrauchte (sein Gesicht schon) „wie eines Todten" hart erscheint. So verthei¬<lb/> digt Herr Düntzer den Druckfehler: „sein Gesicht schien wie eines Todten;"<lb/> wo dann „wie eines Todten" nicht mehr adjectivilch gebraucht, die angebliche<lb/> Härte verlieren und der logische Widerspruch wegfallen soll, daß einer bei ver¬<lb/> bundenen Stirne im Gesicht den Ausdruck des Todes haben kann. Welche<lb/> Logik, welche Grammatik, welches weiche Sprachgefühl! Genau von derselben<lb/> Qualität sind seine Ausstellungen an Bernays durchhin bis zu der letzten, die<lb/> dem Leser zumuthet, „die Vorstellung", daß ein von einem Rade Ergriffener<lb/> sich Wider Willen dreht, „ebenso neu als wunderlich" zu finden. Mittelst solcher<lb/> Absurditäten nimmt sich Herr Düntzer das Recht, die technisch musterhafte<lb/> Charakteristik, welche Bernays von den Ausgabenfehlcrn giebt, „phantastische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
Bernays „sehr mache" gelegt haben, von deren sicheren Aufschlüssen er keine
Ahnung hatte. Düntzers Fiction der späten Aenderungen Goethes ist nichts
als die Costümirung seiner eigenen kritischen Nachlässigkeit und Willkür. So
hat er in „Götter. Helden und Wieland" stehen lassen: „Hast mit deinem ver¬
zehrenden Schwert abgeweidet ihre Haare." Jener kundige Recensent be¬
merkte ihm, daß die authentische Schreibung (in der Eistausgabe) abgeweidet
sei; die innere Kritik eines Sprachlenners wie Grimm entschied gleichfalls für
diese. Das rührt Herrn Düntzer nicht im Geringsten; „Man hüte sich," lehrt
er, „wirkliche Aenderungen des Dichters als Druckfehler verwerfen zu wollen."
Aber woran erkennt man denn diese Aenderungen Goethes in Ausgaben, die
doch ebenfalls Druckfehler, auch vererbte, auch von Herrn Düntzer anerkannte
enthalten? Er giebt kein objectives Merkmal dafür, kann auch keins geben;
was genügen muß. ist — Herrn Düntzers Belieben.
Das ist das Eigene der düntzerschen Kritik, daß sie als ganz individuell
innere keine» methodischen Zusammenhang mit der äußern hat. Grade die
methodische Verknüpfung der äußern Kritik mit der innern ist das Verdienst von
Bernays, und daß Düntzer in der Anzeige versucht, dieses Verdienst für sich in
Anspruch zu nehmen, ist um so monströser, als er unmittelbar darauf diesen
angeblichen Abschluß seiner Kritik herabzuwerthen und wieder aufzulösen sucht
durch das alte Mittel seiner Unkritik.
Von den Druckfehlern, die Bernays als den Nachdrucker entstammend auf¬
gezeigt und aus den Erstausgaben authentisch verbessert hat, will Herr Düntzer,
weil er sie ruhig hat stehen lassen, doch einige für wahrscheinliche Aenderungen
von Goethe selbst erklären. Seine Belehrung des Herrn Bernays äußert sich
zu diesem Ende als ein unglaublich feiner Tadel der ursprünglichen Schreibung
Goethes. Von der kurzen Beschreibung, wie Werther auf seinem Bett gefunden
wird, sa.r,t Herr Düntzer mit seinem gewöhnlichen plurirlis w^estatig: „Wir
gestehen, daß die Zusammenstellung des Verbundenseins der Stirne mit der
Blässe des Antlitzes uns nichts weniger als logisch richtig, auch das adjectivisch
gebrauchte (sein Gesicht schon) „wie eines Todten" hart erscheint. So verthei¬
digt Herr Düntzer den Druckfehler: „sein Gesicht schien wie eines Todten;"
wo dann „wie eines Todten" nicht mehr adjectivilch gebraucht, die angebliche
Härte verlieren und der logische Widerspruch wegfallen soll, daß einer bei ver¬
bundenen Stirne im Gesicht den Ausdruck des Todes haben kann. Welche
Logik, welche Grammatik, welches weiche Sprachgefühl! Genau von derselben
Qualität sind seine Ausstellungen an Bernays durchhin bis zu der letzten, die
dem Leser zumuthet, „die Vorstellung", daß ein von einem Rade Ergriffener
sich Wider Willen dreht, „ebenso neu als wunderlich" zu finden. Mittelst solcher
Absurditäten nimmt sich Herr Düntzer das Recht, die technisch musterhafte
Charakteristik, welche Bernays von den Ausgabenfehlcrn giebt, „phantastische
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