Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.An Brief Beethovens. Einer der eigenthümlichsten Züge in Beethoven ist die Zartheit im Verkehr Eine zarte Freundschaft fesselte ihn auch an Frau Antonie Brentano, welcher An Brief Beethovens. Einer der eigenthümlichsten Züge in Beethoven ist die Zartheit im Verkehr Eine zarte Freundschaft fesselte ihn auch an Frau Antonie Brentano, welcher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190798"/> </div> <div n="1"> <head> An Brief Beethovens.</head><lb/> <p xml:id="ID_321"> Einer der eigenthümlichsten Züge in Beethoven ist die Zartheit im Verkehr<lb/> mit Frauen, die auf seiner idealen Auffassung der weiblichen Natur beruhte.<lb/> Blieb diese aus dem Herzen kommende Galanterie nicht immer von einem An¬<lb/> flug von Sentimentalität frei, so veranlaßte eine gewisse Unbeholfenheit in<lb/> seinem Benehmen; die — grade wie es ihm in seinen Briefen mit dem schrift¬<lb/> lichen Ausdruck- geht — ihm da am leichtesten in den Weg kam, wo er sich<lb/> gern ganz und gar geben wollte, leicht Mißverständnisse. Diese pflegte er dann<lb/> sehr hoch zu nehmen, und sein Zorn, wo er sich verletzt glaubte, wie sein Eifer,<lb/> wo er wieder gut zu machen wünschte, ging leicht über das billige Maß hinaus.<lb/> Immer aber zeigen uns solche Aeußerungen die edle und reine Menschennatur<lb/> des Künstlers, dem die Formen des geselligen Verkehrs nicht so vertraut waren,<lb/> wie die des musikalischen Ausdrucks. Interessante Züge der Art haben die<lb/> Grenzboten früher in den Aufzeichnungen des Fräulein del Rio und in Beethovens<lb/> Briefen an A. Sebald mitgetheilt, kürzlich auch Alfred Schöne in Beethovens<lb/> Briefen an die Gräfin Erdödy. Noch manches der Art läßt sich zur Vervoll¬<lb/> ständigung des Bildes unseres großen Meisters beibringen. Was kann rührender<lb/> sein, als was die Generalin Dorothea Erdmann — eine der ausgezeichnetsten<lb/> Beethovenspielerinnen, welche er selbst seine Cäcilia nannte — an Mendelssohn<lb/> erzählte: „wie sie ihr letztes Kind verloren habe, da habe der Beethoven erst<lb/> gar nicht mehr ins Haus kommen können'; endlich habe er sie zu sich ein¬<lb/> geladen, und als sie kam. saß er am Klavier und sagte blos: wir werden nun<lb/> in Tönen mit einander sprechen, und spielte so über eine Stunde immer fort,<lb/> und sagte ihr alles und gab ihr zuletzt auch Trost."</p><lb/> <p xml:id="ID_322" next="#ID_323"> Eine zarte Freundschaft fesselte ihn auch an Frau Antonie Brentano, welcher<lb/> die Variationen über den diabolischen Walzer gewidmet sind. Sie war die<lb/> Tochter des Hofraths v. Birkenstock, der viele Jahre als Mitglied und zuletzt<lb/> als Director der Studiencommission eine einflußreiche Wirksamkeit übte, als<lb/> Gelehrter in großem Ansehen stand und seiner bedeutenden Bibliothek und<lb/> Kunstsammlung wegen berühmt war. Sophie Brentano, die Tochter von<lb/> Goethes Freundin Maximiliane Brentano, eine ältere Schwester von Bettina,<lb/> einäugig, aber sehr gescheidt, lebte eine Zeit lang in Wien, wo sie als Braut<lb/> des Grasen Herberstein starb. Sie hatte die Verbindung ihres Bruders Franz<lb/> mit Antonie v. Birkenstock vermittelt; die junge Frau, welche sich in Frankfurt<lb/> nicht heimisch fühlte, veranlaßte Brentano nach Wien zu ziehen, wo sie mehre</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
An Brief Beethovens.
Einer der eigenthümlichsten Züge in Beethoven ist die Zartheit im Verkehr
mit Frauen, die auf seiner idealen Auffassung der weiblichen Natur beruhte.
Blieb diese aus dem Herzen kommende Galanterie nicht immer von einem An¬
flug von Sentimentalität frei, so veranlaßte eine gewisse Unbeholfenheit in
seinem Benehmen; die — grade wie es ihm in seinen Briefen mit dem schrift¬
lichen Ausdruck- geht — ihm da am leichtesten in den Weg kam, wo er sich
gern ganz und gar geben wollte, leicht Mißverständnisse. Diese pflegte er dann
sehr hoch zu nehmen, und sein Zorn, wo er sich verletzt glaubte, wie sein Eifer,
wo er wieder gut zu machen wünschte, ging leicht über das billige Maß hinaus.
Immer aber zeigen uns solche Aeußerungen die edle und reine Menschennatur
des Künstlers, dem die Formen des geselligen Verkehrs nicht so vertraut waren,
wie die des musikalischen Ausdrucks. Interessante Züge der Art haben die
Grenzboten früher in den Aufzeichnungen des Fräulein del Rio und in Beethovens
Briefen an A. Sebald mitgetheilt, kürzlich auch Alfred Schöne in Beethovens
Briefen an die Gräfin Erdödy. Noch manches der Art läßt sich zur Vervoll¬
ständigung des Bildes unseres großen Meisters beibringen. Was kann rührender
sein, als was die Generalin Dorothea Erdmann — eine der ausgezeichnetsten
Beethovenspielerinnen, welche er selbst seine Cäcilia nannte — an Mendelssohn
erzählte: „wie sie ihr letztes Kind verloren habe, da habe der Beethoven erst
gar nicht mehr ins Haus kommen können'; endlich habe er sie zu sich ein¬
geladen, und als sie kam. saß er am Klavier und sagte blos: wir werden nun
in Tönen mit einander sprechen, und spielte so über eine Stunde immer fort,
und sagte ihr alles und gab ihr zuletzt auch Trost."
Eine zarte Freundschaft fesselte ihn auch an Frau Antonie Brentano, welcher
die Variationen über den diabolischen Walzer gewidmet sind. Sie war die
Tochter des Hofraths v. Birkenstock, der viele Jahre als Mitglied und zuletzt
als Director der Studiencommission eine einflußreiche Wirksamkeit übte, als
Gelehrter in großem Ansehen stand und seiner bedeutenden Bibliothek und
Kunstsammlung wegen berühmt war. Sophie Brentano, die Tochter von
Goethes Freundin Maximiliane Brentano, eine ältere Schwester von Bettina,
einäugig, aber sehr gescheidt, lebte eine Zeit lang in Wien, wo sie als Braut
des Grasen Herberstein starb. Sie hatte die Verbindung ihres Bruders Franz
mit Antonie v. Birkenstock vermittelt; die junge Frau, welche sich in Frankfurt
nicht heimisch fühlte, veranlaßte Brentano nach Wien zu ziehen, wo sie mehre
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