Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.gründete, und glaubte es am wirksamsten zu bekämpfen, wenn man an seinen Andrerseits stellte sich jetzt heraus, daß die Petrussage viel tiefer in die II '
gründete, und glaubte es am wirksamsten zu bekämpfen, wenn man an seinen Andrerseits stellte sich jetzt heraus, daß die Petrussage viel tiefer in die II '
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191323"/> <p xml:id="ID_228" prev="#ID_227"> gründete, und glaubte es am wirksamsten zu bekämpfen, wenn man an seinen<lb/> Ursprüngen rüttelte. Und eben dies bewog dann wieder andere protestantische<lb/> Gelehrte, um nicht den Schein der Parteilichkeit auf sich zu laden, der römischen<lb/> Tradition in diesem Punkt, wo es sich zugleich um die hervorragende Stellung<lb/> eines gemeinsam verehrten Urapostels handelte, soviel als möglich nachzusehen.<lb/> Erst in neuerer Zeit ist man mit einem rein historischen Interesse an die Sage<lb/> herangetreten. Hauptsächlich durch die Untersuchungen der tübinger Schule ist<lb/> der enge Zusammenhang, in welchem die Pctrussagen mit der ganzen Ent¬<lb/> wickelung des nachapostolischen Christenthums stehen, ans Licht gezogen und<lb/> für die eigentlichen Motive ihrer Entstehung und Ausbildung das Verständniß<lb/> gewonnen worden. Mit der Einsicht in die Motive der Sage sanken aber die<lb/> letzten Stützen für ihre Glaubwürdigkeit. Das katholische Lager selbst kam in<lb/> Verwirrung und sah sich auf einzelnen Punkten zur Capitulation genöthigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_229" next="#ID_230"> Andrerseits stellte sich jetzt heraus, daß die Petrussage viel tiefer in die<lb/> Entwickelung des ältesten Christenthums, in die Gesammtheit der Traditionen,<lb/> die auch dem Protestanten ehrwürdig waren, und selbst in die Bildung der<lb/> kanonischen Literatur eingriff, als man bisher geahnt hatte, und die Folge war,<lb/> daß nun auch die protestantische Orthodoxie mit verstärktem Eifer sich der ge¬<lb/> fährdeten Basis der römischen Prätensionen annahm. Es kam vor, daß wäh¬<lb/> rend ein katholischer Schriftsteller offen bekannte, es könne einem Protestanten<lb/> nicht verarge werden, wenn er den Aufenthalt des Petrus zu Rom, mit allem<lb/> was daran hängt, für ein aus den Apokryphen geschöpftes Mährchen halte,<lb/> andererseits ein bekannter protestantischer Kirchenhistoriker, katholischer als der<lb/> Katholik erklärte: nur eine parteiische Polemik habe einige Protestanten veran¬<lb/> lassen können, die Sache läugnen zu wollen. Auch auf diesem Punkt behaup¬<lb/> tete sich die Solidarität der Orthodoxie und erwies das Wort von Strauß sich<lb/> als wahr, daß heute die Orthodoxen beider Confessionen einander näher stehen,<lb/> als die Orthodoxen und die Freisinnigen innerhalb derselben Konfession. Dar¬<lb/> aus erklärt es sich zugleich, daß auch unter den Protestanten noch so wenig die<lb/> Kenntniß davon verbreitet ist, was in diesem Komplex von Ueberlieferungen<lb/> Geschichte und was Sage ist. Auch der Protestant nimmt gewöhnlich, weil er<lb/> es nicht anders gehört hat, auf Treu und Glauben an, daß Petrus, mit Pau¬<lb/> lus zusammen, wo nicht der Stifter der römischen Gemeinde gewesen ist, doch<lb/> wie dieser den Märtyrertod in Rom erlitten hat. Ist doch der Papst nichts<lb/> Anderes als der Nachfolger Petri. Ist doch die prachtvolle Basilica über den<lb/> Gebeinen des Petrus errichtet, die zu diesem Zweck Konstantin aus den Kata-<lb/> komben herbeischaffen ließ. Und in der Haupttribune der Kirche steht, einge¬<lb/> schlossen von einer geschmacklosen Decoration Berninis, noch der alte hölzerne<lb/> Bisch ofsstuhl des Apostels. Und aus jener Höhe steht eine zweite Kirche an der<lb/> Stätte, da der Apostel den Kreuzestod erlitt. Und in einer dritten werden noch</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> II '</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
gründete, und glaubte es am wirksamsten zu bekämpfen, wenn man an seinen
Ursprüngen rüttelte. Und eben dies bewog dann wieder andere protestantische
Gelehrte, um nicht den Schein der Parteilichkeit auf sich zu laden, der römischen
Tradition in diesem Punkt, wo es sich zugleich um die hervorragende Stellung
eines gemeinsam verehrten Urapostels handelte, soviel als möglich nachzusehen.
Erst in neuerer Zeit ist man mit einem rein historischen Interesse an die Sage
herangetreten. Hauptsächlich durch die Untersuchungen der tübinger Schule ist
der enge Zusammenhang, in welchem die Pctrussagen mit der ganzen Ent¬
wickelung des nachapostolischen Christenthums stehen, ans Licht gezogen und
für die eigentlichen Motive ihrer Entstehung und Ausbildung das Verständniß
gewonnen worden. Mit der Einsicht in die Motive der Sage sanken aber die
letzten Stützen für ihre Glaubwürdigkeit. Das katholische Lager selbst kam in
Verwirrung und sah sich auf einzelnen Punkten zur Capitulation genöthigt.
Andrerseits stellte sich jetzt heraus, daß die Petrussage viel tiefer in die
Entwickelung des ältesten Christenthums, in die Gesammtheit der Traditionen,
die auch dem Protestanten ehrwürdig waren, und selbst in die Bildung der
kanonischen Literatur eingriff, als man bisher geahnt hatte, und die Folge war,
daß nun auch die protestantische Orthodoxie mit verstärktem Eifer sich der ge¬
fährdeten Basis der römischen Prätensionen annahm. Es kam vor, daß wäh¬
rend ein katholischer Schriftsteller offen bekannte, es könne einem Protestanten
nicht verarge werden, wenn er den Aufenthalt des Petrus zu Rom, mit allem
was daran hängt, für ein aus den Apokryphen geschöpftes Mährchen halte,
andererseits ein bekannter protestantischer Kirchenhistoriker, katholischer als der
Katholik erklärte: nur eine parteiische Polemik habe einige Protestanten veran¬
lassen können, die Sache läugnen zu wollen. Auch auf diesem Punkt behaup¬
tete sich die Solidarität der Orthodoxie und erwies das Wort von Strauß sich
als wahr, daß heute die Orthodoxen beider Confessionen einander näher stehen,
als die Orthodoxen und die Freisinnigen innerhalb derselben Konfession. Dar¬
aus erklärt es sich zugleich, daß auch unter den Protestanten noch so wenig die
Kenntniß davon verbreitet ist, was in diesem Komplex von Ueberlieferungen
Geschichte und was Sage ist. Auch der Protestant nimmt gewöhnlich, weil er
es nicht anders gehört hat, auf Treu und Glauben an, daß Petrus, mit Pau¬
lus zusammen, wo nicht der Stifter der römischen Gemeinde gewesen ist, doch
wie dieser den Märtyrertod in Rom erlitten hat. Ist doch der Papst nichts
Anderes als der Nachfolger Petri. Ist doch die prachtvolle Basilica über den
Gebeinen des Petrus errichtet, die zu diesem Zweck Konstantin aus den Kata-
komben herbeischaffen ließ. Und in der Haupttribune der Kirche steht, einge¬
schlossen von einer geschmacklosen Decoration Berninis, noch der alte hölzerne
Bisch ofsstuhl des Apostels. Und aus jener Höhe steht eine zweite Kirche an der
Stätte, da der Apostel den Kreuzestod erlitt. Und in einer dritten werden noch
II '
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