Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.daS bestehende Recht aufrecht erhalten und die Competenz der Bundesgewalt Von allen diesen Wünschen der Stände hat, wie ein Blick auf die Bun¬ Die beiden mecklenburgischen Staatsregierungen hätten ohne Zweifel alle Grenzboten III. 1867. 9
daS bestehende Recht aufrecht erhalten und die Competenz der Bundesgewalt Von allen diesen Wünschen der Stände hat, wie ein Blick auf die Bun¬ Die beiden mecklenburgischen Staatsregierungen hätten ohne Zweifel alle Grenzboten III. 1867. 9
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daS bestehende Recht aufrecht erhalten und die Competenz der Bundesgewalt
hinsichtlich der genannten Gegenstände auf die Beziehungen der Staaten zu
einander beschränkt werden. Sodann wurde der „besonders dringende Wunsch"
ausgesprochen, daß die Civil- und Concurs-Proceßordnung, wegen der
für die einheimische Gerichtsorganisation unvermeidlichen Konsequenzen, der Ge¬
setzgebung und Oberaufsicht des Bundes entzogen bleiben möge. Es sollte da¬
durch die Patrimonialgerichtsbarkeit in ihrem Bestehen geschützt werden. End¬
lich wurden die Landesherren noch ersucht, bei der definitiven Feststellung der
Bundesverfassung die Garantie der bestehenden Landesverfassung durch
die Bundesgewalt in geeigneter Weise herbeiführen zu wollen.
Von allen diesen Wünschen der Stände hat, wie ein Blick auf die Bun¬
desverfassung lehrt, auch nicht ein einziger Berücksichtigung gefunden; vielmehr
ist grade das Entgegengesetzte geschehen. Die Competenz der Bundesgewalt
hat schon in der Vorlage, noch mehr aber in der vereinbarten Verfassung die
wesentlichsten Erweiterungen erfahren und dieselbe kann in dem für Verfassungs¬
änderungen vorgezeichneten Wege jederzeit noch weiter ausgedehnt werden. Eine
Sonderstellung Mecklenburgs in Bezug auf das Zollwesen und die Zoll- und
Handelsgesetzgebung wird nicht stattfinden. Die allgemeinen und directen Wahlen
mit geheimer Abstimmung bilden einen Grundsatz der Verfassung. Die
Competenz der Bundesgewalt hinsichtlich der Gesetzgebung über Freizügigkeit,
Heimaths- und Niederlassungsvcrhäitnisse und Gewerbebetrieb ist ohne Be¬
schränkung anerkannt worden, ebenso deren Kompetenz in Bezug auf Obligationen¬
recht. Strafrecht, Handels- und Wechselrecht und — ganz allgemein — in Be¬
zug auf das gerichtliche Verfahren. Auch eine Garantie der bestehenden Lar'
desvcrfassung durch die Bundesgewalt gehört zu den unerfüllt gebliebenen Wün¬
schen der Stände.
Die beiden mecklenburgischen Staatsregierungen hätten ohne Zweifel alle
diese Wünsche gern erfüllt und, wenn es möglich gewesen wäre, noch ein Meh-
res für die Erhaltung der Selbständigkeit Mecklenburgs gethan. Aber ihnen
konnte es noch weniger als den Ständen entgehen, daß auf eine Verwirklichung
solcher Gedanken nicht zu rechnen war, und selbst die beiden Mitglieder der
mecklenburgischen Ritterschaft, weiche sich unter den mecklenburgischen Abge¬
ordneten zum Reichstage befanden, die Landräthe Graf v. Bassewitz«
Schwiessel und v. Oertzen-Woltow, mußten sich in Berlin wohl bald
überzeugt haben, daß der mecklenburgische Feudalismus keine Aussicht auf Be¬
rücksichtigung bei Feststellung der Bundesverfassung habe. Denn sie machten
auf.dem Reichstage, so viel bekannt ist, auch nicht einmal einen Versuch, für
eine Sonderstellung Mecklenburgs im Bunde im Sinne der in'Schwerin von
ihnen verfochtenen particularistischen Tendenzen und der dort gefaßten Landtags-
beschlösse zu wirken, sondern sie stimmten gleich den liberalen Abgeordneten aus
Grenzboten III. 1867. 9
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