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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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In Oestreich war also eine förmliche Münzveränderung nothwendig und sie
ging dort vor sich unter gleichzeitiger Annahme des Dccimcilsystems bei den
Theilungen der Münzeinheit. Ohne große Umwälzung ist sie vollendet und
wir glauben, daß es damals ebenso leicht gewesen wäre, zur vollständigen
Münzeinheit zu gelangen wie zu dem Verhältniß 4:6:7 ----- Thaler, ösireich.
Gulden, süddeutscher Gulden. Wiederum aber erscheint der Thaler, die Münze
des verkehrsreichsten deutschen Landes, als die, nach welcher sich die anderen
richten- Die Aenderung der östreichischen Münze geschah in der Richtung, sich
dieser Einheit möglichst anzuschließen und hat dies insbesondere durch die Ein-
theilung des Guldens in 100 Neukreuzer nahezu erreicht. Der Silbergroschen
ist gleich 5 Neukreuzer. '

Allerdings besteht dieses Verhältniß nicht, so lange Oestreichs Münze nur
aus Papier besteht und alle Münzverträge nur auf dem Papier stehen. Weit¬
aus die wichtigste Bestimmung dieses sogenannten wiener Münzvertrags ist
für unsere Betrachtung die Uebereinkunft, daß der Thaler des Dreißigthaler-
sußes als Vereinsmünze von allen contrahirenden Münzherrschaften in gleichem
Schrot und Korn und nach gleichem körperlichen Maße solle ausgeprägt werden.
Der Thaler hat so seinen Eroberungszug gehalten und ist siegreich immer weiter
vorgedrungen. Was konnte es dagegen nützen, daß im folgenden Jahre unter dem
7. August 1838 auch wieder über die Münzverhälinisse des süddeutschen Münz¬
vereins pactirt wurde; der Thaler, der preußische Thaler hatte seinen Einzug
in die Münzstätten aller deutschen Fürsten gehalten. Nicht Nassau allein
hat dieses Schicksal erfahren, aber hier konnten wir die Fortschritte der
fremden Währung, die Macht des Verkehrs, die Ohnmacht, wie nicht min¬
der den Unverstand des kleinstaatlichen Gouvernements in Sachen der wirth¬
schaftlichen Bewegung besonders eingehend constatiren und Schritt für Schritt die
Niederlagen verfolgen, die sich die Regierung in diesem donquixotischen Kampfe
zuzog.

Der Vereinsthaler des wiener Münzvertrags hat diesen Namen nicht be¬
halten, er heißt überall im Guldenlande noch heute der "preußische Thaler";
und dahin ist es gekommen, daß dieselbe Negierung. die im Jahre 1818 im Gefühle
der eigenen Souveränität und eifersüchtig auf das Hoheitsrecht der Münze dem
preußischen Thaler den Krieg bis aufs Messer erklärt hatte, infolge des Ver¬
trags von 1857, also nach etwa vierzig Jahren selbst solche "preußische Thaler"
schlagen mußte. Ein souveräner Herzog von Nassau setzte sein Bildniß auf den
Avers eines "preußischen Thalers".

Wie viel Jahre müßten vergehen und wie lange müßte das Leben eines
Volkes dauern, wenn es sich auf diese Weise alle Wohlthaten des staatlichen
Lebens lothweise erkaufen wollte? --




SS*

In Oestreich war also eine förmliche Münzveränderung nothwendig und sie
ging dort vor sich unter gleichzeitiger Annahme des Dccimcilsystems bei den
Theilungen der Münzeinheit. Ohne große Umwälzung ist sie vollendet und
wir glauben, daß es damals ebenso leicht gewesen wäre, zur vollständigen
Münzeinheit zu gelangen wie zu dem Verhältniß 4:6:7 ----- Thaler, ösireich.
Gulden, süddeutscher Gulden. Wiederum aber erscheint der Thaler, die Münze
des verkehrsreichsten deutschen Landes, als die, nach welcher sich die anderen
richten- Die Aenderung der östreichischen Münze geschah in der Richtung, sich
dieser Einheit möglichst anzuschließen und hat dies insbesondere durch die Ein-
theilung des Guldens in 100 Neukreuzer nahezu erreicht. Der Silbergroschen
ist gleich 5 Neukreuzer. '

Allerdings besteht dieses Verhältniß nicht, so lange Oestreichs Münze nur
aus Papier besteht und alle Münzverträge nur auf dem Papier stehen. Weit¬
aus die wichtigste Bestimmung dieses sogenannten wiener Münzvertrags ist
für unsere Betrachtung die Uebereinkunft, daß der Thaler des Dreißigthaler-
sußes als Vereinsmünze von allen contrahirenden Münzherrschaften in gleichem
Schrot und Korn und nach gleichem körperlichen Maße solle ausgeprägt werden.
Der Thaler hat so seinen Eroberungszug gehalten und ist siegreich immer weiter
vorgedrungen. Was konnte es dagegen nützen, daß im folgenden Jahre unter dem
7. August 1838 auch wieder über die Münzverhälinisse des süddeutschen Münz¬
vereins pactirt wurde; der Thaler, der preußische Thaler hatte seinen Einzug
in die Münzstätten aller deutschen Fürsten gehalten. Nicht Nassau allein
hat dieses Schicksal erfahren, aber hier konnten wir die Fortschritte der
fremden Währung, die Macht des Verkehrs, die Ohnmacht, wie nicht min¬
der den Unverstand des kleinstaatlichen Gouvernements in Sachen der wirth¬
schaftlichen Bewegung besonders eingehend constatiren und Schritt für Schritt die
Niederlagen verfolgen, die sich die Regierung in diesem donquixotischen Kampfe
zuzog.

Der Vereinsthaler des wiener Münzvertrags hat diesen Namen nicht be¬
halten, er heißt überall im Guldenlande noch heute der „preußische Thaler";
und dahin ist es gekommen, daß dieselbe Negierung. die im Jahre 1818 im Gefühle
der eigenen Souveränität und eifersüchtig auf das Hoheitsrecht der Münze dem
preußischen Thaler den Krieg bis aufs Messer erklärt hatte, infolge des Ver¬
trags von 1857, also nach etwa vierzig Jahren selbst solche „preußische Thaler"
schlagen mußte. Ein souveräner Herzog von Nassau setzte sein Bildniß auf den
Avers eines „preußischen Thalers".

Wie viel Jahre müßten vergehen und wie lange müßte das Leben eines
Volkes dauern, wenn es sich auf diese Weise alle Wohlthaten des staatlichen
Lebens lothweise erkaufen wollte? —




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[0477] In Oestreich war also eine förmliche Münzveränderung nothwendig und sie ging dort vor sich unter gleichzeitiger Annahme des Dccimcilsystems bei den Theilungen der Münzeinheit. Ohne große Umwälzung ist sie vollendet und wir glauben, daß es damals ebenso leicht gewesen wäre, zur vollständigen Münzeinheit zu gelangen wie zu dem Verhältniß 4:6:7 ----- Thaler, ösireich. Gulden, süddeutscher Gulden. Wiederum aber erscheint der Thaler, die Münze des verkehrsreichsten deutschen Landes, als die, nach welcher sich die anderen richten- Die Aenderung der östreichischen Münze geschah in der Richtung, sich dieser Einheit möglichst anzuschließen und hat dies insbesondere durch die Ein- theilung des Guldens in 100 Neukreuzer nahezu erreicht. Der Silbergroschen ist gleich 5 Neukreuzer. ' Allerdings besteht dieses Verhältniß nicht, so lange Oestreichs Münze nur aus Papier besteht und alle Münzverträge nur auf dem Papier stehen. Weit¬ aus die wichtigste Bestimmung dieses sogenannten wiener Münzvertrags ist für unsere Betrachtung die Uebereinkunft, daß der Thaler des Dreißigthaler- sußes als Vereinsmünze von allen contrahirenden Münzherrschaften in gleichem Schrot und Korn und nach gleichem körperlichen Maße solle ausgeprägt werden. Der Thaler hat so seinen Eroberungszug gehalten und ist siegreich immer weiter vorgedrungen. Was konnte es dagegen nützen, daß im folgenden Jahre unter dem 7. August 1838 auch wieder über die Münzverhälinisse des süddeutschen Münz¬ vereins pactirt wurde; der Thaler, der preußische Thaler hatte seinen Einzug in die Münzstätten aller deutschen Fürsten gehalten. Nicht Nassau allein hat dieses Schicksal erfahren, aber hier konnten wir die Fortschritte der fremden Währung, die Macht des Verkehrs, die Ohnmacht, wie nicht min¬ der den Unverstand des kleinstaatlichen Gouvernements in Sachen der wirth¬ schaftlichen Bewegung besonders eingehend constatiren und Schritt für Schritt die Niederlagen verfolgen, die sich die Regierung in diesem donquixotischen Kampfe zuzog. Der Vereinsthaler des wiener Münzvertrags hat diesen Namen nicht be¬ halten, er heißt überall im Guldenlande noch heute der „preußische Thaler"; und dahin ist es gekommen, daß dieselbe Negierung. die im Jahre 1818 im Gefühle der eigenen Souveränität und eifersüchtig auf das Hoheitsrecht der Münze dem preußischen Thaler den Krieg bis aufs Messer erklärt hatte, infolge des Ver¬ trags von 1857, also nach etwa vierzig Jahren selbst solche „preußische Thaler" schlagen mußte. Ein souveräner Herzog von Nassau setzte sein Bildniß auf den Avers eines „preußischen Thalers". Wie viel Jahre müßten vergehen und wie lange müßte das Leben eines Volkes dauern, wenn es sich auf diese Weise alle Wohlthaten des staatlichen Lebens lothweise erkaufen wollte? — SS*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/477>, abgerufen am 15.01.2025.