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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Stallung der Schauspieler eingehend erörtert. Das eigentlich griechische Drama ist
es, welches der Verfasser im Auge hat; daran reihen sich Bemerkungen über die
Pantomime, welche, mag sie auch griechischen Ursprungs sein, doch römischer Sitte
und römischem Geschmack fast ganz ihre Ausbildung verdankt und deshalb über das
vom Verfasser gesetzte Ziel hinausgeht. Im Ganzen ist die kleine Schrift, ohne
gerade auf eigener Forschung zu fußen, doch verständig und nützlich; dagegen sind
die Anmerkungen am Schluß ziemlich dürftig ausgefallen.


Horaz. Auswahl seiner Lyrik. Uebertragen von Johannes Karsten. Stutt¬
gart. 1866.

Die Auswahl der Gedichte des Horaz beschränkt sich darauf, daß von dem
ersten Buch der Oden nur die ersten Gedichte, die andern drei Bücher aber voll¬
ständig wiedergegeben sind. Wie der Uebersetzer in seinem kurzen Vorwort mittheilt,
sollen diese Uebertragungen ein Versuch sein, die Oden in einer leicht verständlichen
Form auch solchen Lesern zu vermitteln, welche bisher wegen ihrer Unbekanntschaft
mit den Meeren der Alten von einem lohnenden Einblick in diese Schätze ausge¬
schlossen waren. Um dies zu erreichen, hat Herr Karsten unsere gebräuchlichen
lyrischen Metra mit dem Reim angewandt und so allerdings Gedichte hergestellt,
welche sich leichthin lesen lassen, aber auch nichts weniger als die Wiedergabe des
Horaz sind. Abgesehen davon, daß der gedankliche Inhalt fast durchgehends beschränkt
und verkürzt worden ist, müssen wir uns hauptsächlich darüber beklagen, daß viele
Gedanken unrichtig und verfälscht wiedergegeben sind und daß der Verfasser es nicht
verschmäht hat, den horazischen Dichtungen, besonders am Schluß der einzelnen
Gedichte, seine eigenen Erfindungen beizumischen. Neben der knappen und schönen
Form des Horaz nehmen sich diese Uebertragungen häufig wie Bänkclsängerlieder
aus. Wer das Gedicht "czM multa, xraeilis to xuer in roM <zto." (I, 5) kennt
und von der Uebertragung nur den ersten Vers liest: "Sprich, wen erhebt in stiller
Grotte, die vielen schon gefährlich war, das nächste Mal dein Haar zum Gotte,
dein listig aufgelöstes Haar?" wird von Horaz und seiner Dichtung unfehlbar
einen schlechten Begriff bekommen; das horazische oui üavam reliMS von-rin bedarf
wahrlich nicht dieser sinnlosen Umänderung. Dergleichen Beispiele ließen sich zu
Dutzenden anführen. Genug, das Ebenmaß des horazischen Verses muß in dieser
gereimten und überaus sorglosen Übersetzung harten und unschönen Zwang erleiden,
und der Uebersetzer kann nicht einmal eine gewisse Nützlichkeitstendenz für sich an¬
führen, denn horazisches Versmaß läßt sich im Deutschen nachahmen und eine
horazische Ode wird erst dann in der Uebertragung zur völligen Geltung kommen,
wenn ihre Form gewahrt ist.






Verantwortliche Redacteure: Gustav Frehtag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Hcrbig. -- Druck von Hiithel Segler in Leipzig.

Stallung der Schauspieler eingehend erörtert. Das eigentlich griechische Drama ist
es, welches der Verfasser im Auge hat; daran reihen sich Bemerkungen über die
Pantomime, welche, mag sie auch griechischen Ursprungs sein, doch römischer Sitte
und römischem Geschmack fast ganz ihre Ausbildung verdankt und deshalb über das
vom Verfasser gesetzte Ziel hinausgeht. Im Ganzen ist die kleine Schrift, ohne
gerade auf eigener Forschung zu fußen, doch verständig und nützlich; dagegen sind
die Anmerkungen am Schluß ziemlich dürftig ausgefallen.


Horaz. Auswahl seiner Lyrik. Uebertragen von Johannes Karsten. Stutt¬
gart. 1866.

Die Auswahl der Gedichte des Horaz beschränkt sich darauf, daß von dem
ersten Buch der Oden nur die ersten Gedichte, die andern drei Bücher aber voll¬
ständig wiedergegeben sind. Wie der Uebersetzer in seinem kurzen Vorwort mittheilt,
sollen diese Uebertragungen ein Versuch sein, die Oden in einer leicht verständlichen
Form auch solchen Lesern zu vermitteln, welche bisher wegen ihrer Unbekanntschaft
mit den Meeren der Alten von einem lohnenden Einblick in diese Schätze ausge¬
schlossen waren. Um dies zu erreichen, hat Herr Karsten unsere gebräuchlichen
lyrischen Metra mit dem Reim angewandt und so allerdings Gedichte hergestellt,
welche sich leichthin lesen lassen, aber auch nichts weniger als die Wiedergabe des
Horaz sind. Abgesehen davon, daß der gedankliche Inhalt fast durchgehends beschränkt
und verkürzt worden ist, müssen wir uns hauptsächlich darüber beklagen, daß viele
Gedanken unrichtig und verfälscht wiedergegeben sind und daß der Verfasser es nicht
verschmäht hat, den horazischen Dichtungen, besonders am Schluß der einzelnen
Gedichte, seine eigenen Erfindungen beizumischen. Neben der knappen und schönen
Form des Horaz nehmen sich diese Uebertragungen häufig wie Bänkclsängerlieder
aus. Wer das Gedicht „czM multa, xraeilis to xuer in roM <zto." (I, 5) kennt
und von der Uebertragung nur den ersten Vers liest: „Sprich, wen erhebt in stiller
Grotte, die vielen schon gefährlich war, das nächste Mal dein Haar zum Gotte,
dein listig aufgelöstes Haar?" wird von Horaz und seiner Dichtung unfehlbar
einen schlechten Begriff bekommen; das horazische oui üavam reliMS von-rin bedarf
wahrlich nicht dieser sinnlosen Umänderung. Dergleichen Beispiele ließen sich zu
Dutzenden anführen. Genug, das Ebenmaß des horazischen Verses muß in dieser
gereimten und überaus sorglosen Übersetzung harten und unschönen Zwang erleiden,
und der Uebersetzer kann nicht einmal eine gewisse Nützlichkeitstendenz für sich an¬
führen, denn horazisches Versmaß läßt sich im Deutschen nachahmen und eine
horazische Ode wird erst dann in der Uebertragung zur völligen Geltung kommen,
wenn ihre Form gewahrt ist.






Verantwortliche Redacteure: Gustav Frehtag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hiithel Segler in Leipzig.
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[0450] Stallung der Schauspieler eingehend erörtert. Das eigentlich griechische Drama ist es, welches der Verfasser im Auge hat; daran reihen sich Bemerkungen über die Pantomime, welche, mag sie auch griechischen Ursprungs sein, doch römischer Sitte und römischem Geschmack fast ganz ihre Ausbildung verdankt und deshalb über das vom Verfasser gesetzte Ziel hinausgeht. Im Ganzen ist die kleine Schrift, ohne gerade auf eigener Forschung zu fußen, doch verständig und nützlich; dagegen sind die Anmerkungen am Schluß ziemlich dürftig ausgefallen. Horaz. Auswahl seiner Lyrik. Uebertragen von Johannes Karsten. Stutt¬ gart. 1866. Die Auswahl der Gedichte des Horaz beschränkt sich darauf, daß von dem ersten Buch der Oden nur die ersten Gedichte, die andern drei Bücher aber voll¬ ständig wiedergegeben sind. Wie der Uebersetzer in seinem kurzen Vorwort mittheilt, sollen diese Uebertragungen ein Versuch sein, die Oden in einer leicht verständlichen Form auch solchen Lesern zu vermitteln, welche bisher wegen ihrer Unbekanntschaft mit den Meeren der Alten von einem lohnenden Einblick in diese Schätze ausge¬ schlossen waren. Um dies zu erreichen, hat Herr Karsten unsere gebräuchlichen lyrischen Metra mit dem Reim angewandt und so allerdings Gedichte hergestellt, welche sich leichthin lesen lassen, aber auch nichts weniger als die Wiedergabe des Horaz sind. Abgesehen davon, daß der gedankliche Inhalt fast durchgehends beschränkt und verkürzt worden ist, müssen wir uns hauptsächlich darüber beklagen, daß viele Gedanken unrichtig und verfälscht wiedergegeben sind und daß der Verfasser es nicht verschmäht hat, den horazischen Dichtungen, besonders am Schluß der einzelnen Gedichte, seine eigenen Erfindungen beizumischen. Neben der knappen und schönen Form des Horaz nehmen sich diese Uebertragungen häufig wie Bänkclsängerlieder aus. Wer das Gedicht „czM multa, xraeilis to xuer in roM <zto." (I, 5) kennt und von der Uebertragung nur den ersten Vers liest: „Sprich, wen erhebt in stiller Grotte, die vielen schon gefährlich war, das nächste Mal dein Haar zum Gotte, dein listig aufgelöstes Haar?" wird von Horaz und seiner Dichtung unfehlbar einen schlechten Begriff bekommen; das horazische oui üavam reliMS von-rin bedarf wahrlich nicht dieser sinnlosen Umänderung. Dergleichen Beispiele ließen sich zu Dutzenden anführen. Genug, das Ebenmaß des horazischen Verses muß in dieser gereimten und überaus sorglosen Übersetzung harten und unschönen Zwang erleiden, und der Uebersetzer kann nicht einmal eine gewisse Nützlichkeitstendenz für sich an¬ führen, denn horazisches Versmaß läßt sich im Deutschen nachahmen und eine horazische Ode wird erst dann in der Uebertragung zur völligen Geltung kommen, wenn ihre Form gewahrt ist. Verantwortliche Redacteure: Gustav Frehtag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. Hcrbig. — Druck von Hiithel Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/450>, abgerufen am 15.01.2025.