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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Berlin fanden bald ein Wort hören. Gern will ich, was gesagt werden soll,
auch mit Schallhörnern verkündigen.

Kotzebue ist ehrlich genug. Ihre Anzeige seines Jahrs gar nicht ungerecht
zu finden. Sie loben doch auch wieder mit voller Brust, was wirklich zu loben
ist. Alle seine Freunde müssen wünschen, daß er die goldene Regel: die Hälfte
ist besser als das Ganze! bei seiner Comödienmacherei befolgt hätte. Jetzt be¬
droht ihn von Masson ein arges Donnerwetter, das er sich selbst leider mut¬
willig zugezogen hat. -- Was sagen Sie? wir haben seit Ende Februar volle
4 Wochen hintereinander Kotzebues letztes (ächtkomisches) Lustspiel: die Klein¬
städter in wirklicher Praxis hier gebracht. Goethe beharrte darauf, einige
sehr unschuldige Anspielungen ausheilten geliebten Schildknappen, Schlegel, dar¬
aus weggestrichen zu haben. Kotzebue erklärte nun, er würde dem hiesigen
Theater nie wieder eines seiner Stücke, die er ihm schenkte, zukommen lassen,
und da er eben eine große Fvte auf dem neuen schönen Stadthaussaal veran-
staltet hatte, wurde ihm, vermutlich auf höhere Ordre, der Saal, wo er ein
kleines Theater erbauen lassen wollte, vor der Thür zugeschlossen. Dabei liefen
unglaublich kleine und lächerliche Streiche mit unter. Unser Freund geht nun
aus diesen Sommer nach Jena, wo er Garten und Gartenhaus besitzt, und
dann im Herbst höchst wahrscheinlich nach Paris. Er will hier nie wieder
Wohnen. Mit ihm verlöscht das letzte Lämpchen wahrer Geselligkeit und Freude.
Sein neuestes Stück: die Hussiten vor Naumburg, ist durch classische Ein¬
fachheit in Plan und treffliche Poesie hervorragend und doch nicht sein bestes.

Möchten Sie doch zu Ende der eigentlichen Meßwoche in Leipzig sein.
Wohin ich auf einige Tage mit Kotzebue kommen werde. Wielands Euripidei"
schen Ion werden Sie im neuesten Stück des attischen Museums mit Vergnügen
^sen. Er arbeitet nun an der Helena desselben Tragikers und vertreibt sich so
seine Wittwergrillen. Er will, wenn er einen braven Käufer findet, den einen
Flügel seines Schlosses nebst allen Aeckern (taxirt auf 16000 Thlr.) verkaufen
Und für sich nur sein Wohnhaus und den Garten behalten. Wissen Sie eine
Dame oder eine Familie, die Wielands treue Nachbarn zu werden, und zugleich
eine kleine Oekonomie zu treiben Lust hätten: so rathen Sie zu dieser seltenen
Gelegenheit. Wieland grüßt Sie herzlich.


Mit Liebe und Treue, mein Weibchen eingeschlossen Ihr Böttiger.
8.

Dresden, den 14. Juli 1804.


Mein theuerster Freund!

Ich weiß es dem Herrn Kriegsrath Herft großen Dank, daß er mir ein
^ freundliches Lebenszeichen von Ihnen überbrachte und Ihnen fühle ich mich
wieder für die Bekanntschaft eines Mannes verpflichtet, in dem ich alles


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Berlin fanden bald ein Wort hören. Gern will ich, was gesagt werden soll,
auch mit Schallhörnern verkündigen.

Kotzebue ist ehrlich genug. Ihre Anzeige seines Jahrs gar nicht ungerecht
zu finden. Sie loben doch auch wieder mit voller Brust, was wirklich zu loben
ist. Alle seine Freunde müssen wünschen, daß er die goldene Regel: die Hälfte
ist besser als das Ganze! bei seiner Comödienmacherei befolgt hätte. Jetzt be¬
droht ihn von Masson ein arges Donnerwetter, das er sich selbst leider mut¬
willig zugezogen hat. — Was sagen Sie? wir haben seit Ende Februar volle
4 Wochen hintereinander Kotzebues letztes (ächtkomisches) Lustspiel: die Klein¬
städter in wirklicher Praxis hier gebracht. Goethe beharrte darauf, einige
sehr unschuldige Anspielungen ausheilten geliebten Schildknappen, Schlegel, dar¬
aus weggestrichen zu haben. Kotzebue erklärte nun, er würde dem hiesigen
Theater nie wieder eines seiner Stücke, die er ihm schenkte, zukommen lassen,
und da er eben eine große Fvte auf dem neuen schönen Stadthaussaal veran-
staltet hatte, wurde ihm, vermutlich auf höhere Ordre, der Saal, wo er ein
kleines Theater erbauen lassen wollte, vor der Thür zugeschlossen. Dabei liefen
unglaublich kleine und lächerliche Streiche mit unter. Unser Freund geht nun
aus diesen Sommer nach Jena, wo er Garten und Gartenhaus besitzt, und
dann im Herbst höchst wahrscheinlich nach Paris. Er will hier nie wieder
Wohnen. Mit ihm verlöscht das letzte Lämpchen wahrer Geselligkeit und Freude.
Sein neuestes Stück: die Hussiten vor Naumburg, ist durch classische Ein¬
fachheit in Plan und treffliche Poesie hervorragend und doch nicht sein bestes.

Möchten Sie doch zu Ende der eigentlichen Meßwoche in Leipzig sein.
Wohin ich auf einige Tage mit Kotzebue kommen werde. Wielands Euripidei«
schen Ion werden Sie im neuesten Stück des attischen Museums mit Vergnügen
^sen. Er arbeitet nun an der Helena desselben Tragikers und vertreibt sich so
seine Wittwergrillen. Er will, wenn er einen braven Käufer findet, den einen
Flügel seines Schlosses nebst allen Aeckern (taxirt auf 16000 Thlr.) verkaufen
Und für sich nur sein Wohnhaus und den Garten behalten. Wissen Sie eine
Dame oder eine Familie, die Wielands treue Nachbarn zu werden, und zugleich
eine kleine Oekonomie zu treiben Lust hätten: so rathen Sie zu dieser seltenen
Gelegenheit. Wieland grüßt Sie herzlich.


Mit Liebe und Treue, mein Weibchen eingeschlossen Ihr Böttiger.
8.

Dresden, den 14. Juli 1804.


Mein theuerster Freund!

Ich weiß es dem Herrn Kriegsrath Herft großen Dank, daß er mir ein
^ freundliches Lebenszeichen von Ihnen überbrachte und Ihnen fühle ich mich
wieder für die Bekanntschaft eines Mannes verpflichtet, in dem ich alles


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[0445] Berlin fanden bald ein Wort hören. Gern will ich, was gesagt werden soll, auch mit Schallhörnern verkündigen. Kotzebue ist ehrlich genug. Ihre Anzeige seines Jahrs gar nicht ungerecht zu finden. Sie loben doch auch wieder mit voller Brust, was wirklich zu loben ist. Alle seine Freunde müssen wünschen, daß er die goldene Regel: die Hälfte ist besser als das Ganze! bei seiner Comödienmacherei befolgt hätte. Jetzt be¬ droht ihn von Masson ein arges Donnerwetter, das er sich selbst leider mut¬ willig zugezogen hat. — Was sagen Sie? wir haben seit Ende Februar volle 4 Wochen hintereinander Kotzebues letztes (ächtkomisches) Lustspiel: die Klein¬ städter in wirklicher Praxis hier gebracht. Goethe beharrte darauf, einige sehr unschuldige Anspielungen ausheilten geliebten Schildknappen, Schlegel, dar¬ aus weggestrichen zu haben. Kotzebue erklärte nun, er würde dem hiesigen Theater nie wieder eines seiner Stücke, die er ihm schenkte, zukommen lassen, und da er eben eine große Fvte auf dem neuen schönen Stadthaussaal veran- staltet hatte, wurde ihm, vermutlich auf höhere Ordre, der Saal, wo er ein kleines Theater erbauen lassen wollte, vor der Thür zugeschlossen. Dabei liefen unglaublich kleine und lächerliche Streiche mit unter. Unser Freund geht nun aus diesen Sommer nach Jena, wo er Garten und Gartenhaus besitzt, und dann im Herbst höchst wahrscheinlich nach Paris. Er will hier nie wieder Wohnen. Mit ihm verlöscht das letzte Lämpchen wahrer Geselligkeit und Freude. Sein neuestes Stück: die Hussiten vor Naumburg, ist durch classische Ein¬ fachheit in Plan und treffliche Poesie hervorragend und doch nicht sein bestes. Möchten Sie doch zu Ende der eigentlichen Meßwoche in Leipzig sein. Wohin ich auf einige Tage mit Kotzebue kommen werde. Wielands Euripidei« schen Ion werden Sie im neuesten Stück des attischen Museums mit Vergnügen ^sen. Er arbeitet nun an der Helena desselben Tragikers und vertreibt sich so seine Wittwergrillen. Er will, wenn er einen braven Käufer findet, den einen Flügel seines Schlosses nebst allen Aeckern (taxirt auf 16000 Thlr.) verkaufen Und für sich nur sein Wohnhaus und den Garten behalten. Wissen Sie eine Dame oder eine Familie, die Wielands treue Nachbarn zu werden, und zugleich eine kleine Oekonomie zu treiben Lust hätten: so rathen Sie zu dieser seltenen Gelegenheit. Wieland grüßt Sie herzlich. Mit Liebe und Treue, mein Weibchen eingeschlossen Ihr Böttiger. 8. Dresden, den 14. Juli 1804. Mein theuerster Freund! Ich weiß es dem Herrn Kriegsrath Herft großen Dank, daß er mir ein ^ freundliches Lebenszeichen von Ihnen überbrachte und Ihnen fühle ich mich wieder für die Bekanntschaft eines Mannes verpflichtet, in dem ich alles 55*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/445>, abgerufen am 15.01.2025.