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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Eine blutigere, und doch auch gerechtere Rache konnten Sie an diesem Pas¬
quillanten nicht nehmen. Ein solches Sonnet ist nicht bloß für ihr Herz, sondern
auch für ihren Witz eine Schandsäule, und Sie, mein Freund, mußten gerade
so viel, und gerade das hinzusetzen, was geschehen ist. Hubers Recension des
Athenäums ist nur ein Vorläufer einer noch drastischeren, die von der Lucinde
erscheinen wird.

Man sagt, die Gebrüder Schlegel werden Jena, wo sie fast ganz isolirt
dastehn, zu Ostern mit Dresden vertauschen und Tieck, der eigentlich selbst nicht
recht wisse, wem er angehöre, werde nach Berlin zurückkehren. Jena selbst hat
durch häßliche Gefechte zwischen den Soldaten und Studenten, wobei zwei Tage
lang Blut floß, einen neuen harten Stoß erhalten. Nun wollen ihm auch noch
die Schlegel ihren Sonnenschein entziehn!

Eben lese ich den Plan zu Noteus vollständiger Geberdenlehre die Bertuchn
durch Fehlern zum Verlag angeboten worden ist, und die B. auf meine Ver¬
sicherungen wahrscheinlich auch übernehmen wird. Wir müssen hier in der That
etwas treffliches erwarten. Ich freue mich im voraus ungemein daraus. Die
Kupfer wird das Jndusiriekomptoir gewiß besser als irgendeine Handlung dazu
liefern können. Aber die Unternehmung wird auch sehr kostbar seyn!

Ich habe Herdern vorigen Sonntag nicht besuchen können, und fragte ihn
also durch ein Billet über die bewußte Sache. Hier seine Antwort. Sie machen
ihm gewiß durch die Uebersendung und Zueignung eine große Freude. Denn
alles liebt und schätzt Sie in diesem Hause. -- Die Ursache, warum ich nicht
bei Herder war, war eine fröliche Gesellschaft bei Kotzebue, an der ich auch
Theil nahm. Kotzebue nimmt sich hier so klug und bescheiden, daß er alge¬
meine Achtung genießt, wozu seine Frau auch das ihrige beiträgt. In seinem
kleinen Lustspiel: "das Jahr achzehnhundert", wird er, um unserer verwitt-
weten Herzogin eine Freude zu machen, nebst mehren vom Hofe den Abend
vor dem neuen Jahr im Hause der Herzogin auftreten, und darin einen Brow-
nischen Doctor machen. Schon ist ein neues Stück "Gustav Wasa" von ihm
vollendet, in Jamben. Die Exposition im ersten Act, den ich eben lese, erregt
in der That nicht gemeine Erwartung.

Was sagt man in Berlin, wo man jetzt wohl alles laut denken darf, über
die neueste Krise in Frankreich? Wird Talleyrand als Gesandter erwartet?
-- Wie geht es mit dem neuen Papiergelde, und -- mit dem Runkelrüben¬
zucker ?


5.

Weimar, den 18. Decbr. 1800.

Ihr Brief, mein treuer Freund, hat mir bewiesen, daß Sie der Alte sind.
Hier meinen herzlichen Handschlag. Wahrlich, die vornehme Protectormiene gegen


Eine blutigere, und doch auch gerechtere Rache konnten Sie an diesem Pas¬
quillanten nicht nehmen. Ein solches Sonnet ist nicht bloß für ihr Herz, sondern
auch für ihren Witz eine Schandsäule, und Sie, mein Freund, mußten gerade
so viel, und gerade das hinzusetzen, was geschehen ist. Hubers Recension des
Athenäums ist nur ein Vorläufer einer noch drastischeren, die von der Lucinde
erscheinen wird.

Man sagt, die Gebrüder Schlegel werden Jena, wo sie fast ganz isolirt
dastehn, zu Ostern mit Dresden vertauschen und Tieck, der eigentlich selbst nicht
recht wisse, wem er angehöre, werde nach Berlin zurückkehren. Jena selbst hat
durch häßliche Gefechte zwischen den Soldaten und Studenten, wobei zwei Tage
lang Blut floß, einen neuen harten Stoß erhalten. Nun wollen ihm auch noch
die Schlegel ihren Sonnenschein entziehn!

Eben lese ich den Plan zu Noteus vollständiger Geberdenlehre die Bertuchn
durch Fehlern zum Verlag angeboten worden ist, und die B. auf meine Ver¬
sicherungen wahrscheinlich auch übernehmen wird. Wir müssen hier in der That
etwas treffliches erwarten. Ich freue mich im voraus ungemein daraus. Die
Kupfer wird das Jndusiriekomptoir gewiß besser als irgendeine Handlung dazu
liefern können. Aber die Unternehmung wird auch sehr kostbar seyn!

Ich habe Herdern vorigen Sonntag nicht besuchen können, und fragte ihn
also durch ein Billet über die bewußte Sache. Hier seine Antwort. Sie machen
ihm gewiß durch die Uebersendung und Zueignung eine große Freude. Denn
alles liebt und schätzt Sie in diesem Hause. — Die Ursache, warum ich nicht
bei Herder war, war eine fröliche Gesellschaft bei Kotzebue, an der ich auch
Theil nahm. Kotzebue nimmt sich hier so klug und bescheiden, daß er alge¬
meine Achtung genießt, wozu seine Frau auch das ihrige beiträgt. In seinem
kleinen Lustspiel: „das Jahr achzehnhundert", wird er, um unserer verwitt-
weten Herzogin eine Freude zu machen, nebst mehren vom Hofe den Abend
vor dem neuen Jahr im Hause der Herzogin auftreten, und darin einen Brow-
nischen Doctor machen. Schon ist ein neues Stück „Gustav Wasa" von ihm
vollendet, in Jamben. Die Exposition im ersten Act, den ich eben lese, erregt
in der That nicht gemeine Erwartung.

Was sagt man in Berlin, wo man jetzt wohl alles laut denken darf, über
die neueste Krise in Frankreich? Wird Talleyrand als Gesandter erwartet?
— Wie geht es mit dem neuen Papiergelde, und — mit dem Runkelrüben¬
zucker ?


5.

Weimar, den 18. Decbr. 1800.

Ihr Brief, mein treuer Freund, hat mir bewiesen, daß Sie der Alte sind.
Hier meinen herzlichen Handschlag. Wahrlich, die vornehme Protectormiene gegen


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[0442] Eine blutigere, und doch auch gerechtere Rache konnten Sie an diesem Pas¬ quillanten nicht nehmen. Ein solches Sonnet ist nicht bloß für ihr Herz, sondern auch für ihren Witz eine Schandsäule, und Sie, mein Freund, mußten gerade so viel, und gerade das hinzusetzen, was geschehen ist. Hubers Recension des Athenäums ist nur ein Vorläufer einer noch drastischeren, die von der Lucinde erscheinen wird. Man sagt, die Gebrüder Schlegel werden Jena, wo sie fast ganz isolirt dastehn, zu Ostern mit Dresden vertauschen und Tieck, der eigentlich selbst nicht recht wisse, wem er angehöre, werde nach Berlin zurückkehren. Jena selbst hat durch häßliche Gefechte zwischen den Soldaten und Studenten, wobei zwei Tage lang Blut floß, einen neuen harten Stoß erhalten. Nun wollen ihm auch noch die Schlegel ihren Sonnenschein entziehn! Eben lese ich den Plan zu Noteus vollständiger Geberdenlehre die Bertuchn durch Fehlern zum Verlag angeboten worden ist, und die B. auf meine Ver¬ sicherungen wahrscheinlich auch übernehmen wird. Wir müssen hier in der That etwas treffliches erwarten. Ich freue mich im voraus ungemein daraus. Die Kupfer wird das Jndusiriekomptoir gewiß besser als irgendeine Handlung dazu liefern können. Aber die Unternehmung wird auch sehr kostbar seyn! Ich habe Herdern vorigen Sonntag nicht besuchen können, und fragte ihn also durch ein Billet über die bewußte Sache. Hier seine Antwort. Sie machen ihm gewiß durch die Uebersendung und Zueignung eine große Freude. Denn alles liebt und schätzt Sie in diesem Hause. — Die Ursache, warum ich nicht bei Herder war, war eine fröliche Gesellschaft bei Kotzebue, an der ich auch Theil nahm. Kotzebue nimmt sich hier so klug und bescheiden, daß er alge¬ meine Achtung genießt, wozu seine Frau auch das ihrige beiträgt. In seinem kleinen Lustspiel: „das Jahr achzehnhundert", wird er, um unserer verwitt- weten Herzogin eine Freude zu machen, nebst mehren vom Hofe den Abend vor dem neuen Jahr im Hause der Herzogin auftreten, und darin einen Brow- nischen Doctor machen. Schon ist ein neues Stück „Gustav Wasa" von ihm vollendet, in Jamben. Die Exposition im ersten Act, den ich eben lese, erregt in der That nicht gemeine Erwartung. Was sagt man in Berlin, wo man jetzt wohl alles laut denken darf, über die neueste Krise in Frankreich? Wird Talleyrand als Gesandter erwartet? — Wie geht es mit dem neuen Papiergelde, und — mit dem Runkelrüben¬ zucker ? 5. Weimar, den 18. Decbr. 1800. Ihr Brief, mein treuer Freund, hat mir bewiesen, daß Sie der Alte sind. Hier meinen herzlichen Handschlag. Wahrlich, die vornehme Protectormiene gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/442>, abgerufen am 15.01.2025.