Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kein Vogt, kein Schulmeister, kein Ortsdiener, kein Nachtwächter in den beiden
preußischen Fürstenthümern zu finden war, der sich dazu herbeigelassen hätte,
dem König von Preußen ab- und dem Bundestage zuzuschwören, obgleich es
der mit dictatorischer Allgewalt ausgestattete Graf Leutrum zu diesem Zwecke
weder an Zuckerbrod noch an Peitsche fehlen ließ. Sogar die wiederholte Hin¬
weisung auf den unheimlichen Hohenasberg, karlsschülerhaften Angedenkens,
half nichts. Die preußischen Schwaben waren noch hartnäckiger als die
württembergischen; und das will viel sagen.

Auch die bewaffnete Macht der preußischen Fürstenthümer ergab sich nicht.
Vielmehr trat sie mitten durch das von feindlichen Truppen occupirte Land
einen Rückzug an, der, was Glück und Geschick anlangt, würdig wäre, sich
Tenophons Anabasis an die Seite zu stellen.

Die ganze bewaffnete Macht bestand nämlich einzig und allein aus
17 Gensdarmen. Sie konnten sich natürlich nicht, gegenüber der feindlichen
Uebermacht, auf eine Bataille einlassen. Sie wichen zurück. Die königlich
württembergische Armee verfolgte die tapfern siebenzehn eifrig und kam ihnen
immer näher. In einem kleinen hohenzollernschen Dorfe, nah an der, dort
überall nahen, Grenze angelangt, sahen sich die preußischen Gensdarmen in
Gefahr, durch die Württemberger abgeschnitten und eingeschlossen zu werden.
Allein der Bauern-Vogt wußte Rath. Er versammelte die Ortsbürger und fragte
sie. wer von ihnen, um Preußen vor der Gefangenschaft zu Schuhen, seine
Kleider opfern wolle. Das Dörfchen hatte nur fünfzig Bürger, allein ein jeder
derselben, obgleich sie nicht reich waren, gab seine Beisteuer und im Augenblick
waren siebenzehn vollständige Anzüge zur Hand. Die Gensdarmen verkleideten
sich als zollersche Bauern und schlichen aus dem Dorfe mit Zurücklassung ihrer
Uniformen. Sie gelangten glücklich durch Baden nach der Rheinprovinz. Die
Württemberger folgten ihnen auf dem Fuße in jenes Dörfchen. In Ermangelung
des Feinds nahmen sie dessen Uniformen in Kriegsgefangenschaft. Mit dem
Scalp versehen zogen sie heimwärts. Die hohenzollerschen Preußen aber
wankten, trotz der gefälschten Telegramme, welche große Siege der Oestreicher
bei Skalitz. bei Nachod, Trautenau u. s. w. verkündigten und von Wien und
Frankfurt a. M. aus Ende Juni ganz Süddeutschland überschwemmten, in ihrer
Treue zur preußischen Monarchie auch nicht eine Minute während dieser ganzen
klcinstaatlich-bundestäglichen Occupation, welche übrigens nicht lange dauern
sollte.

Schon am 24. Juli wurden nämlich die eroberungslustigen Württemberger
bei Tauberbischofsheim auf das Haupt geschlagen. Dem Borvssenthum stand
der Weg offen in jenes Land, über welches, nach Röhrle, die Sonne der
Freiheit lacht. Am 23. Juli räumten die Württemberger wieder die von ihnen
im Namen des Bundes occupirten hohenzollerschen Fürstenthümer. Niemand


18*

kein Vogt, kein Schulmeister, kein Ortsdiener, kein Nachtwächter in den beiden
preußischen Fürstenthümern zu finden war, der sich dazu herbeigelassen hätte,
dem König von Preußen ab- und dem Bundestage zuzuschwören, obgleich es
der mit dictatorischer Allgewalt ausgestattete Graf Leutrum zu diesem Zwecke
weder an Zuckerbrod noch an Peitsche fehlen ließ. Sogar die wiederholte Hin¬
weisung auf den unheimlichen Hohenasberg, karlsschülerhaften Angedenkens,
half nichts. Die preußischen Schwaben waren noch hartnäckiger als die
württembergischen; und das will viel sagen.

Auch die bewaffnete Macht der preußischen Fürstenthümer ergab sich nicht.
Vielmehr trat sie mitten durch das von feindlichen Truppen occupirte Land
einen Rückzug an, der, was Glück und Geschick anlangt, würdig wäre, sich
Tenophons Anabasis an die Seite zu stellen.

Die ganze bewaffnete Macht bestand nämlich einzig und allein aus
17 Gensdarmen. Sie konnten sich natürlich nicht, gegenüber der feindlichen
Uebermacht, auf eine Bataille einlassen. Sie wichen zurück. Die königlich
württembergische Armee verfolgte die tapfern siebenzehn eifrig und kam ihnen
immer näher. In einem kleinen hohenzollernschen Dorfe, nah an der, dort
überall nahen, Grenze angelangt, sahen sich die preußischen Gensdarmen in
Gefahr, durch die Württemberger abgeschnitten und eingeschlossen zu werden.
Allein der Bauern-Vogt wußte Rath. Er versammelte die Ortsbürger und fragte
sie. wer von ihnen, um Preußen vor der Gefangenschaft zu Schuhen, seine
Kleider opfern wolle. Das Dörfchen hatte nur fünfzig Bürger, allein ein jeder
derselben, obgleich sie nicht reich waren, gab seine Beisteuer und im Augenblick
waren siebenzehn vollständige Anzüge zur Hand. Die Gensdarmen verkleideten
sich als zollersche Bauern und schlichen aus dem Dorfe mit Zurücklassung ihrer
Uniformen. Sie gelangten glücklich durch Baden nach der Rheinprovinz. Die
Württemberger folgten ihnen auf dem Fuße in jenes Dörfchen. In Ermangelung
des Feinds nahmen sie dessen Uniformen in Kriegsgefangenschaft. Mit dem
Scalp versehen zogen sie heimwärts. Die hohenzollerschen Preußen aber
wankten, trotz der gefälschten Telegramme, welche große Siege der Oestreicher
bei Skalitz. bei Nachod, Trautenau u. s. w. verkündigten und von Wien und
Frankfurt a. M. aus Ende Juni ganz Süddeutschland überschwemmten, in ihrer
Treue zur preußischen Monarchie auch nicht eine Minute während dieser ganzen
klcinstaatlich-bundestäglichen Occupation, welche übrigens nicht lange dauern
sollte.

Schon am 24. Juli wurden nämlich die eroberungslustigen Württemberger
bei Tauberbischofsheim auf das Haupt geschlagen. Dem Borvssenthum stand
der Weg offen in jenes Land, über welches, nach Röhrle, die Sonne der
Freiheit lacht. Am 23. Juli räumten die Württemberger wieder die von ihnen
im Namen des Bundes occupirten hohenzollerschen Fürstenthümer. Niemand


18*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191379"/>
            <p xml:id="ID_373" prev="#ID_372"> kein Vogt, kein Schulmeister, kein Ortsdiener, kein Nachtwächter in den beiden<lb/>
preußischen Fürstenthümern zu finden war, der sich dazu herbeigelassen hätte,<lb/>
dem König von Preußen ab- und dem Bundestage zuzuschwören, obgleich es<lb/>
der mit dictatorischer Allgewalt ausgestattete Graf Leutrum zu diesem Zwecke<lb/>
weder an Zuckerbrod noch an Peitsche fehlen ließ. Sogar die wiederholte Hin¬<lb/>
weisung auf den unheimlichen Hohenasberg, karlsschülerhaften Angedenkens,<lb/>
half nichts. Die preußischen Schwaben waren noch hartnäckiger als die<lb/>
württembergischen; und das will viel sagen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_374"> Auch die bewaffnete Macht der preußischen Fürstenthümer ergab sich nicht.<lb/>
Vielmehr trat sie mitten durch das von feindlichen Truppen occupirte Land<lb/>
einen Rückzug an, der, was Glück und Geschick anlangt, würdig wäre, sich<lb/>
Tenophons Anabasis an die Seite zu stellen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_375"> Die ganze bewaffnete Macht bestand nämlich einzig und allein aus<lb/>
17 Gensdarmen. Sie konnten sich natürlich nicht, gegenüber der feindlichen<lb/>
Uebermacht, auf eine Bataille einlassen. Sie wichen zurück. Die königlich<lb/>
württembergische Armee verfolgte die tapfern siebenzehn eifrig und kam ihnen<lb/>
immer näher. In einem kleinen hohenzollernschen Dorfe, nah an der, dort<lb/>
überall nahen, Grenze angelangt, sahen sich die preußischen Gensdarmen in<lb/>
Gefahr, durch die Württemberger abgeschnitten und eingeschlossen zu werden.<lb/>
Allein der Bauern-Vogt wußte Rath. Er versammelte die Ortsbürger und fragte<lb/>
sie. wer von ihnen, um Preußen vor der Gefangenschaft zu Schuhen, seine<lb/>
Kleider opfern wolle. Das Dörfchen hatte nur fünfzig Bürger, allein ein jeder<lb/>
derselben, obgleich sie nicht reich waren, gab seine Beisteuer und im Augenblick<lb/>
waren siebenzehn vollständige Anzüge zur Hand. Die Gensdarmen verkleideten<lb/>
sich als zollersche Bauern und schlichen aus dem Dorfe mit Zurücklassung ihrer<lb/>
Uniformen. Sie gelangten glücklich durch Baden nach der Rheinprovinz. Die<lb/>
Württemberger folgten ihnen auf dem Fuße in jenes Dörfchen. In Ermangelung<lb/>
des Feinds nahmen sie dessen Uniformen in Kriegsgefangenschaft. Mit dem<lb/>
Scalp versehen zogen sie heimwärts. Die hohenzollerschen Preußen aber<lb/>
wankten, trotz der gefälschten Telegramme, welche große Siege der Oestreicher<lb/>
bei Skalitz. bei Nachod, Trautenau u. s. w. verkündigten und von Wien und<lb/>
Frankfurt a. M. aus Ende Juni ganz Süddeutschland überschwemmten, in ihrer<lb/>
Treue zur preußischen Monarchie auch nicht eine Minute während dieser ganzen<lb/>
klcinstaatlich-bundestäglichen Occupation, welche übrigens nicht lange dauern<lb/>
sollte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_376" next="#ID_377"> Schon am 24. Juli wurden nämlich die eroberungslustigen Württemberger<lb/>
bei Tauberbischofsheim auf das Haupt geschlagen. Dem Borvssenthum stand<lb/>
der Weg offen in jenes Land, über welches, nach Röhrle, die Sonne der<lb/>
Freiheit lacht. Am 23. Juli räumten die Württemberger wieder die von ihnen<lb/>
im Namen des Bundes occupirten hohenzollerschen Fürstenthümer. Niemand</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 18*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0149] kein Vogt, kein Schulmeister, kein Ortsdiener, kein Nachtwächter in den beiden preußischen Fürstenthümern zu finden war, der sich dazu herbeigelassen hätte, dem König von Preußen ab- und dem Bundestage zuzuschwören, obgleich es der mit dictatorischer Allgewalt ausgestattete Graf Leutrum zu diesem Zwecke weder an Zuckerbrod noch an Peitsche fehlen ließ. Sogar die wiederholte Hin¬ weisung auf den unheimlichen Hohenasberg, karlsschülerhaften Angedenkens, half nichts. Die preußischen Schwaben waren noch hartnäckiger als die württembergischen; und das will viel sagen. Auch die bewaffnete Macht der preußischen Fürstenthümer ergab sich nicht. Vielmehr trat sie mitten durch das von feindlichen Truppen occupirte Land einen Rückzug an, der, was Glück und Geschick anlangt, würdig wäre, sich Tenophons Anabasis an die Seite zu stellen. Die ganze bewaffnete Macht bestand nämlich einzig und allein aus 17 Gensdarmen. Sie konnten sich natürlich nicht, gegenüber der feindlichen Uebermacht, auf eine Bataille einlassen. Sie wichen zurück. Die königlich württembergische Armee verfolgte die tapfern siebenzehn eifrig und kam ihnen immer näher. In einem kleinen hohenzollernschen Dorfe, nah an der, dort überall nahen, Grenze angelangt, sahen sich die preußischen Gensdarmen in Gefahr, durch die Württemberger abgeschnitten und eingeschlossen zu werden. Allein der Bauern-Vogt wußte Rath. Er versammelte die Ortsbürger und fragte sie. wer von ihnen, um Preußen vor der Gefangenschaft zu Schuhen, seine Kleider opfern wolle. Das Dörfchen hatte nur fünfzig Bürger, allein ein jeder derselben, obgleich sie nicht reich waren, gab seine Beisteuer und im Augenblick waren siebenzehn vollständige Anzüge zur Hand. Die Gensdarmen verkleideten sich als zollersche Bauern und schlichen aus dem Dorfe mit Zurücklassung ihrer Uniformen. Sie gelangten glücklich durch Baden nach der Rheinprovinz. Die Württemberger folgten ihnen auf dem Fuße in jenes Dörfchen. In Ermangelung des Feinds nahmen sie dessen Uniformen in Kriegsgefangenschaft. Mit dem Scalp versehen zogen sie heimwärts. Die hohenzollerschen Preußen aber wankten, trotz der gefälschten Telegramme, welche große Siege der Oestreicher bei Skalitz. bei Nachod, Trautenau u. s. w. verkündigten und von Wien und Frankfurt a. M. aus Ende Juni ganz Süddeutschland überschwemmten, in ihrer Treue zur preußischen Monarchie auch nicht eine Minute während dieser ganzen klcinstaatlich-bundestäglichen Occupation, welche übrigens nicht lange dauern sollte. Schon am 24. Juli wurden nämlich die eroberungslustigen Württemberger bei Tauberbischofsheim auf das Haupt geschlagen. Dem Borvssenthum stand der Weg offen in jenes Land, über welches, nach Röhrle, die Sonne der Freiheit lacht. Am 23. Juli räumten die Württemberger wieder die von ihnen im Namen des Bundes occupirten hohenzollerschen Fürstenthümer. Niemand 18*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/149
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/149>, abgerufen am 15.01.2025.